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Amt gegen den Terror

9. August 2011

Der Kampf gegen islamistischen Terrorismus hat in der EU die sicherheitspolitische Zusammenarbeit verstärkt, aber auch die Überwachung ihrer Bürger. Ein Anti-Terror-Beauftragter koordiniert die Zusammenarbeit.

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Symbolbild: Überwachungskameras (Foto: DW / fotolia)
Bild: DW / fotolia

Europäische Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung, das war auch lange nach dem 11. September 2001 eher Forderung als Wirklichkeit. Erst als im März 2004 Bomben in Madrider Vorortzügen fast 200 Menschen töteten, ernannte die EU einen Anti-Terror-Koordinator, den Niederländer Gijs de Vries. Der fasste seine Aufgaben einmal so zusammen: "Der Informationsaustausch ist sehr wichtig. Über Europol erlauben wir es den Polizeien, sich gegenseitig auszutauschen. Unsere Staatsanwälte können sich über (die europäische justizielle Zusammenarbeit) Eurojust austauschen. Wir bringen Gesetze gegen die Finanzierung des Terrorismus auf den Weg. Und auch dafür braucht man internationale Zusammenarbeit."

Tod Bin Ladens ändert nicht viel

De Kerchove gestikuliert während einer Rede (Foto: dpa)
So schnell nicht arbeitslos: Anti-Terror-Koordinator Gilles de KerchoveBild: picture-alliance / dpa

Zusammenarbeit und eine verschärfte Überwachung konnten zumindest einen weiteren schweren Terroranschlag nicht verhindern, den auf die Londoner U-Bahn im Juli 2005 mit mehr als 50 Toten. Doch seitdem ist es in Europa ruhiger geworden, und Polizei und Nachrichtendienste glauben, eine ganze Reihe von Anschlägen verhindert zu haben.

De Vries' Nachfolger, der Belgier Gilles de Kerchove, hat aber immer vor einem falschen Sicherheitsgefühl gewarnt, auch seit dem Tod von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden. "Der Kern von Al Kaida hatte im Laufe der Jahre schon viel an Einfluss verloren. Jetzt ist er noch weiter geschwächt. Aber auch wenn Osama bin Laden nicht mehr das Kommando der Organisation hatte, war er immer noch ein Symbol. Und dieses Symbol wird nicht über Nacht verschwinden."

Führt Terrorabwehr zur Totalüberwachung des Bürgers?

Von Anfang an gab es Kritiker der europäischen Terrorabwehr-Maßnahmen. Ob es die vielen Kameras auf öffentlichen Plätzen sind oder strenge Sicherheitskontrollen an Flughäfen, vor allem aber die Überwachung und Speicherung von Bank- und Kommunikationsdaten - viele Leute sagen, das gehe zu weit und schränke die Freiheitsrechte des einzelnen zu sehr ein.

Jan-Philipp Albrecht sitzt für die Grünen im Europaparlament. Er fordert eine Generalrevision. "Wir sollten die Anti-Terror-Maßnahmen der Europäischen Union auf ihre Effektivität überprüfen und die eine oder andere Maßnahme, die vielleicht in der Hitze des Gefechts überzogen oder zu schnell ergriffen wurde, korrigieren und vielleicht sogar zurücknehmen, zum Beispiel bei der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten."

"Mehr Daten und gleichzeitig mehr Datenschutz"

Überwachungskamera in einer Fußgängerzone (Foto: dpa)
Im Prinzip ist jeder verdächtig – Überwachungskamera in der FußgängerzoneBild: dpa - Fotoreport

Die Argumentation dreht sich meist um eine Abwägung zwischen Sicherheit und Datenschutz. Doch das sind gar keine Gegensätze, findet De Kerchove. "Weil sich die Bedrohung verändert hat, müssen wir mehr Daten sammeln." Denn das Problem sei, dass verdächtige Personen immer öfter bei Polizei und Nachrichtendiensten unbekannt seien. Daher müsse man verdächtige Reisen, verdächtiges Verhalten, verdächtige Zahlungen, verdächtige Telephongesprächen untersuchen. "Aber gleichzeitig müssen wir den Datenschutz verbessern. Wir müssen also mehr von beidem tun."

De Kerchoves offizieller Titel ist der eines Koordinators. Das heißt: Nach wie vor geht es vor allem um nationale Sicherheitspolitik, die aber koordiniert werden soll. Durch den Vertrag von Lissabon werde sich zwar im Laufe der Zeit manches seiner Zuständigkeit in Richtung Kommission bewegen, glaubt der Belgier, aber es werde auch in Zukunft noch viel zu koordinieren geben. "Als ich ernannt wurde, hat niemand von einer Befristung gesprochen. Also, mal sehen." Dass er bald arbeitslos wird, glaubt Gilles de Kerchove jedenfalls nicht.

Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Bernd Riegert