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Neue Sklaverei

Daniel Wortmann23. August 2002

Heute (23.08.) erinnert die UNESCO an den Sklavenhandel und seine Abschaffung. Doch Sklaverei gibt es in vielen Teilen der Welt immer noch – wenn auch in neuer Form. Die Öffentlichkeit nimmt davon kaum Notiz.

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Gequält und geknechtet: Kindersklaven im SudanBild: AP

In seinem Buch "Die neue Sklaverei" hat sich der amerikanische Soziologe Kevin Bales mit der Thematik auseinandergesetzt. Über 27 Millionen Menschen leben demnach weltweit in Sklaverei. Nach Angaben der Organisation "Anti-Slavery International" erwirtschaften sie jährlich auf 13 Milliarden US-Dollar geschätzte Werte.

Die heutige Sklavenhaltung zeichnet sich dadurch aus, dass sie oft mit noch größerer Menschenverachtung betrieben wird als früher. Die gängigen Formen der Knechtschaft sind vielfältig. So leisten in Mauretanien hunderttausende Menschen gegen Kleidung und Nahrung unbezahlte Arbeit als Lastenträger, Verkäufer und Schmiede. Die starke Verwurzelung dieser Arbeitsform in der Tradition des Landes erschwert den Kampf gegen dieses sehr traditionelle Modell der Sklavenhaltung.

Schuldknechtschaft als Hauptform

Die Hauptform der heutigen Sklaverei ist jedoch die Schuldknechtschaft, wie sie etwa in Pakistan praktiziert wird. Dort verkaufen Familien für eine Saison ihre Freiheit und Arbeitskraft an die Besitzer von Brennöfen, in denen Ziegelsteine hergestellt werden. Wegen des geringen Gehalts verschulden sie sich oft noch während dieser Zeit und bleiben als Dauerschuldner auf Lebenszeit vom Brennofenbesitzer abhängig. Ein Ausweg aus diesem Kreislauf ist kaum möglich, da die Schulden auf jede nachfolgende Generation vererbt werden. Ähnliche Beispiele, bei denen zudem Zinsbelastungen die Rückzahlung der Schulden erschweren, gibt es etwa in Indien.

Besonders Erschreckendes berichten Beobachter aus Kambodscha. Aus der Stadt Poipet an der Grenze zu Thailand verschwinden jeden Monat 400 bis 500 Kinder. Menschenhändler kaufen sie ihren Eltern ab und verkaufen sie im Nachbarland weiter. Einige von ihnen müssen für ihre Besitzer auf der Straße betteln gehen. Andere wiederum erwartet die Knechtschaft der thailändischen Sexindustrie. Sextouristen aus reicheren Ländern lassen dabei die Kassen der Bordellbesitzer klingeln und unterstützen so indirekt die Ausbeutung der Kinder.

Auch in den Industrieländern soll es nach Angaben des Soziologen Bales Formen von "neuer Sklaverei" geben. So sollen in den westlichen Großstädten mehrere tausend "Haushaltssklaven" aus ärmeren Ländern leben. Auch die Ausbeutung von Wanderarbeitern aus Mexiko, die in Kalifornien im Weinbau aushelfen, erscheint als eine Form von Knechtschaft.

Neue Sklaverei und alte Klagen

Zur "neuen Sklaverei" gesellen sich unterdessen die Relikte der Vergangenheit. In den Niederlanden und in den USA fordern die Nachfahren von Sklaven Wiedergutmachungszahlungen. Schwarze US-Bürger haben in den US-Bundesstaaten New York und New Jersey Sammelklagen gegen Konzerne eingereicht, die im 18. und 19. Jahrhundert von der Sklaverei profitiert haben sollen. Auch in den Niederlanden drohen jetzt solche Klagen.

Sowohl in der Gegenwart als auch im Rückgriff auf die Vergangenheit bleibt die Sklaverei also ein Problem. Während die geschichtlichen Zusammenhänge zumindest einer breiten Masse zugänglich und bekannt sind, sind die Erkenntnisse über Sklaverei in der heutigen Zeit allerdings noch sehr lückenhaft. In der Öffentlichkeit werden sie kaum wahrgenommen – und daran wird auch ein Gedenktag wie der heutige nichts ändern können.