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Neue Exkommunikation der Pius-Brüder gefordert

5. Februar 2009

Der Zentralrat der Juden macht weiter Druck: Er forderte Papst Benedikt auf, die Wiederaufnahme der Pius-Bruderschaft in die katholische Kirche rückgängig zu machen.

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ein Bischof der Piusbruderschaft mit dem Rücken zur Gemeinde in der Kirche, darüber ein Halteverbotsschild als Symbolbild (DW)
Der Zentralrat der Juden verlangt: Die Piusbrüder sollten wieder raus aus der katholischen KircheBild: picture-alliance/ dpa

Der Vize-Präsident des Zentralrats, Dieter Graumann, bezeichnete die ultra-konservative katholische Bruderschaft am Donnerstag (05.02.2009) als "eine Gruppe von intoleranten Fanatikern". Noch im September vergangenen Jahres habe die Gemeinschaft die Juden als "ewige Gottesmörder" bezeichnet. Das Weltbild der Gruppe sei "tief reaktionär, antisemitisch, fundamentalistisch und fanatisch".

Papst Benedikt XVI. solle, so Graumann, seine Entscheidung revidieren, die Exkommunizierung des Holocaust-Leugners Richard Williamson und dreier weiterer Bischöfe der Bruderschaft aufzuheben. Positiv äußerte sich Graumann zur Aufforderung Benedikts an Williamson, seine Äußerungen zu widerrufen: Dies sei als "der Beginn vom Anfang eines ersten Schritts" zu begrüßen.

Andere Meinung

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Kramer (dpa)
Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Kramer, findet scharfe WorteBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Etwas anders sieht das der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer. Er bezeichnete die Aufforderung als "völlig unglaubwürdig". Zudem sei sie "eine Beleidigung an alle gutwilligen intelligenten Menschen, die zur Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche bereit sind". Kramer forderte den Papst auf, sich zu entscheiden, "auf welcher Hochzeit er tanzen will". Entweder er stehe für die Kirche der Aufklärung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil oder für die Kirche des Traditionalismus mit den Pius-Brüdern.

Dass Benedikt XVI. selbst zu Williamson schweige, lasse "nichts Gutes erahnen", so Kramer. Es rieche nach einem Bauernopfer, mit dem die Aufhebung der Exkommunikation legitimiert werden solle. Zu befürchten sei zudem, dass der Papst "auch unter Inkaufnahme hoher Verluste bei liberalen katholischen Kirchenmitgliedern" die Kirche auf einen fundamentalistischeren Weg bringen wolle.

Friedman ruft Gläubige zum Protest auf

Der Fernsehmoderator und frühere Vize-Präsident des Zentralrats, Michel Friedman, rief die Katholiken dazu auf, gegen die Wiederaufnahme der vier Bischöfe aktiv zu protestieren. Durch die Wiederaufnahme "aktiver Judenhasser" habe Benedikt XVI. "so viel Schuld auf sich geladen wie schon lange kein Papst" mehr, sagte Friedman bei einer Podiumsdiskussion in Mainz am Mittwochabend. Der Papst habe "billigend in Kauf genommen", dass alle Fortschritte im schwierigen jüdisch-katholischen Dialog wieder zerstört wurden.

Evangelische Kirche in Deutschland besorgt

Nicht nur die jüdische Gemeinschaft ist besorgt, dass alle Bestrebungen eines inter-religiösen Dialogs zunichte gemacht werden, sondern auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Deren Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber sagte am Donnerstag, die Leugnung des Holocausts durch den britischen Bischof Williamson sei nicht das einzige Problem.

Jeder wisse, dass die Pius-Bruderschaft das Zweite Vatikanische Konzil und das "Kirche sein" aller anderen christlichen Kirchen weit radikaler leugne als das in päpstlichen Äußerungen in letzter Zeit der Fall gewesen sei, sagte Huber. Im aktuellen Dekret des Vatikans werde eine Änderung dieser Haltung nicht verlangt.

Auseinanderbrechen der Pius-Bruderschaft

Die Katholische Deutsche Bischofskonferenz bezeichnete derweil eine Aufspaltung der erz-katholischen Bewegung als möglich. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, sagte am Mittwochabend, er befürchte ein endgültiges Zerwürfnis zwischen der Priesterbruderschaft Pius X. und der katholischen Kirche. Er sehe keinen Willen der Traditionalisten, die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils anzuerkennen - etwa zur Religionsfreiheit und zum gleichberechtigten Dialog der Religionen.

Bischofskonferenz Zollitsch, hier bei der Eröffnung der Herbstversammlung in Fulda im September 2008
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz Zollitsch, hier bei der Eröffnung der Herbstversammlung in Fulda im September 2008Bild: AP

Der Vatikan habe aber unmissverständlich klar gemacht, dass es nur unter dieser Bedingung eine Rückkehr zur Kirche geben könne. Wenn kein Wunder passiere, so Zollitsch, rechne er mit einem endgültigen Bruch. Denkbar sei höchstens, dass sich die Priesterbruderschaft in jene spalte, die die Bedingungen akzeptierten, und in jene, die sich der im Konzil begonnenen theologischen Öffnung verweigerten.

Neue Ex-Kommunikation möglich?

Und falls dies nicht geschieht. Können die in den Schoss der Kirche Zurückgeholten wieder exkommuniziert werden? Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx sagte der "Süddeutschen Zeitung", er gehe davon aus, dass die Exkommunikation automatisch eintrete, wenn die vier Bischöfe sich nicht dem Lehramt des Papstes und des Zweiten Vatikanischen Konzils unterstellten.

Papst verärgert

Offenbar ist Papst Benedikt über die offene Kritik aus Deutschland, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel, verärgert. Diesen Eindruck habe er bei einem persönlichen Gespräch mit dem Papst gewonnen, sagte der CDU-Politiker Georg Brunnhuber der "Financial Times Deutschland". "Im Vatikan ist man über die Diskussion in Deutschland geradezu entsetzt. Es herrscht der Eindruck, dass alle antikatholischen Ressentiments, die in Deutschland schlummern, jetzt an die Oberfläche kommen", so Brunnhuber. Merkel hatte den Papst am Dienstag aufgefordert, klarzustellen, dass eine Leugnung des Holocaust nicht geduldet werde. Mit ihrer Mahnung löste die protestantische CDU-Vorsitzende Zustimmung und auch Widerspruch in den eigenen Reihen aus.

"Rhetorischer Überbietungswettbewerb"

Bundestagspräsident Norbert Lammert verteidigte den Papst gegen harsche Kritik aus Kirche und Politik. Vieles, was dem diesem jetzt unterstellt werde, sei beinahe bösartig, jedenfalls "nicht redlich", sagte Lammert der Online-Ausgabe des "Hamburger Abendblatts". Der Fall Williamson sei "keine Lappalie". Es gebe aber inzwischen eine Art "rhetorischen Überbietungswettbewerb", den er weder "gerechtfertigt noch fair, noch in der Sache hilfreich finde".

Der papst (links) und Lammert (rechts) geben sich bei einer Audienz des Papstes 2006 im Vatikan die Hand (ap)
Bundestagspräsident Lammert (rechts) bei Papst Benedikt im Vatikan im Jahr 2006Bild: picture-alliance/ dpa

Der Bundestagspräsident, die Nummer Zwei im Staat, kritisierte indirekt die Kanzlerin für ihre vom Papst geforderte Klarstellung: "Zweifel an der Position der katholischen Kirche und des Papstes halte ich in der Sache für völlig unbegründet".

Kein Komplott

Derweil wehrte sich die französische Politologin und Publizistin Fiammetta Venner gegen den Vorwurf, ein Komplott gegen den Vatikan organisiert zu haben. Das Interview mit Williamson, in dem er die Existenz von Gaskammern in den Konzentrationslagern leugnet, sei zwar bereits im November aufgezeichnet worden, sagte Venner der Tageszeitung "Le Monde" vom Donnerstag.

Allerdings sei die Ausstrahlung im schwedischen Fernsehen bereits vor Wochen auf den 21. Januar festgelegt worden. Dass dieses Datum mit der Aufhebung der Exkommunikation der Traditionalistenbischöfe zusammengefallen sei, stelle einen Zufall dar. Weder sie noch das schwedische Fernsehen hätten die Planungen des Vatikan gekannt. Venner hatte kurz vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in Frankreich 2008 gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Caroline Fourest ein Buch "Die neuen Soldaten des Papstes" veröffentlicht, in dem es um konservative kirchliche Strömungen geht.

Der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von "Radio Vatikan", Pater Eberhard von Gemmingen, schlug am Donnerstag Änderungen in der Verwaltung des Vatikanstaats vor. Er plädierte dafür, eine mehrköpfige Regierung zu schaffen, um Kommunikations-Pannen wie den Fall Williamson in Zukunft zu vermeiden. Dieses Kabinett würde sich - wie es vor 200 Jahren üblich war - ein Mal in der Woche treffen. (hy)