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Raus aus Afghanistan

Christoph Hasselbach18. April 2012

Trotz der Taliban-Angriffe halten die Verteidigungs- und Außenminister des Bündnisses am Abzugsjahr 2014 fest.

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Anders Fogh Rasmussen (Foto:reuters)
Bild: Reuters

Der Angriff der Taliban auf Kabul und andere afghanische Städte am vergangenen Wochenende beirrt die NATO-Minister keineswegs. Jedenfalls geben sie sich gelassen, so auch der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière. “Das, was am Sonntag passiert ist, war nicht schön. Aber es war nicht so gravierend, dass es die Sicherheitslage fundamental verändert hätte.“ Noch positiver sieht es Außenminister Guido Westerwelle. Die Vorfälle hätten gezeigt, “dass die afghanischen Sicherheitskräfte mehr und mehr in der Lage sind, die Sicherheitsverantwortung zu gewährleisten. Die Tatsache, dass es afghanische Kräfte gewesen sind, die diese Terroristen zurückgeschlagen haben, ist eine gute Nachricht.“

Angst vor der Zeit nach dem Abzug

Ende 2014 sollen die allermeisten der heute rund 130.000 Soldaten der ISAF-Truppe das Land verlassen haben. Dann sollen die Afghanen für ihre eigene Sicherheit sorgen. Doch die Sorge wurde gerade nach den jüngsten Angriffen wieder geäußert: Wenn die Taliban selbst bei so starker ausländischer Militärpräsenz bis in das Zentrum von Kabul vordringen und dann Regierungsgebäude und westliche Botschaften unter Beschuss nehmen, wie wird es dann erst nach 2014 sein? Doch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sieht keinen Grund für Beunruhigung. “Meine Botschaft an die Feinde Afghanistans ist ganz klar: Ihr könnt uns nicht aussitzen.“ Einmal bereits seien die Afghanen der Herausforderung sehr professionell begegnet. Und die NATO bleibe auch nach 2014 unterstützend im Land, finanziell und als Ausbilder.

de Maizière meldet schaltet sein Mikrophon für eine Wortmeldung ein epa03186741 Greek Defence . EPA/OLIVIER HOSLET +++(c) dpa - Bildfunk+++
Verteidigungsminister de Maizière (links): "Die Sicherheitslage ist unverändert."Bild: picture-alliance/dpa

Doch während eine Reihe von Militärs und Sicherheitsexperten bereits das Jahr 2014 für zu früh für einen Abzug hält, kann es manchen Regierungen offenbar gar nicht schnell genug gehen. Die australische Premierministerin Julia Gillard etwa hat angedeutet, dass die Soldaten ihres Landes schon ein Jahr früher zuhause sein wollen. De Maizière zeigte sich darüber wenig begeistert. “Mich hat die Mitteilung überrascht. Mein australischer Kollege hat im Februar anders vorgetragen.“ Rasmussen dagegen spielte die Äußerung Gillards herunter. Australien liege damit ganz im Zeitplan.

Praktisch keine Kampftruppen mehr nach 2014

Für ihn ist jedenfalls entscheidend, dass das, was “unter so großen menschlichen und materiellen Opfern“ erreicht wurde, nicht wieder verlorengeht. Die “Kernaufgabe“ der NATO werde eine Ausbildungsmission sein. “Ich sehe keine Rolle als Kampftruppe nach 2014.“ Es bleibe aber zu diskutieren, wie genau diese Mission aussehen werde. Ob man zum Beispiel noch Kampftruppen brauche, um die Ausbilder zu schützen. Die Unterstützung soll aber finanzieller Art sein, denn Afghanistan ist zu arm, um schlagkräftige eigenen Sicherheitskräfte zu bezahlen. Im Raum steht die Zahl von gut 4 Milliarden Dollar jährlich, die für Polizei und Armee nötig wären. Das würde für eine Stärke von knapp 230.000 Mann reichen. Im Moment sind es allerdings mit rund 350.000 etwa ein Drittel mehr. Ihre Zahl müsste also verringert werden.

Einschusslöcher und zerschossene Scheiben eines Zimmers Copyright: DW/Hussein Sirat Kabul, 16.04.2012
Einschusslöcher in Kabul nach dem jüngsten AngriffBild: DW

Afghanische Soldaten sind billiger als westliche

Spätestens beim NATO-Gipfel in Chicago im Mai erwarte er “ein klares Bild“, sagte Rasmussen, dass die Partner “einen fairen Anteil“ übernehmen. Das zahle sich aber aus, glaubt Rasmussen. Es sei ein gutes Geschäft, die afghanischen Sicherheitskräfte zu finanzieren, “einmal politisch, weil wir dann der Verteidigung Afghanistans ein starkes afghanisches Gesicht geben, und wirtschaftlich, weil es billiger ist, afghanische Sicherheitskräfte zu bezahlen als ausländische Truppen in Afghanistan zu stationieren.“ In der Tat. Die 4 Milliarden Dollar jährlich für die afghanischen Sicherheitskräfte - Armee und Polizei - wären ein Bruchteil dessen, was die ISAF-Truppen kosten. Allein die USA lassen sich ihr militärisches Engagement in Afghanistan jedes Jahr etwa 12 Milliarden Dollar kosten. Doch noch drücken sich die Regierungen um Zusagen. Vor dem NATO-Gipfel in Chicago wird kaum jemand mit konkreten Zusagen kommen.