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Wechseljahre in Europas Königshäusern

Bernd Riegert3. Juli 2013

Der Generationswechsel in Europas sieben regierenden Königshäusern geht weiter. Nach den Niederlanden steht jetzt der Thronwechsel in Belgien an. Wer ist als nächster an der Reihe?

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Belgien König Albert II und Kronprinz Philippe im Park in Brüssel (Foto: imago)
Belgien König Albert II und Kronprinz Philippe im Park in BrüsselBild: Imago

Der König der Belgier, Albert II., gibt am 21. Juli sein Amt an seinen ältesten Sohn Phillip ab. (Artikelfoto) Der König ist 79 Jahre alt und galt als amtsmüde. Albert II., der als introvertiert gilt, schweigt in der Öffentlichkeit meist. Nur selten hat er sich in Fernsehansprachen an sein Volk gewandt. Albert II. sitzt seit 20 Jahren auf dem Thron. Er übernahm die Regentschaft von seinem älteren Bruder Baudouin, der 1993 kinderlos starb. In Belgien gilt das Königshaus als eine der wenigen stabilen Säulen in dem Staat, in dem französisch-sprechende Wallonen und die nach mehr Unabhängigkeit strebenden Flamen tief zerstritten sind. Albert II. steht privat unter Druck; er soll eine uneheliche Tochter haben. Delphine Boel, so ihr Name, beantragte in diesem Jahr die gerichtliche Klärung der Vaterschaft. Schon vor der Abdankung hat Kronzprinz Phillip (53) viele Aufgaben von seinem Vater übernommen.

Nach über 30 Jahren auf dem Thron hatte zuvor die niederländische Königin Beatrix (75) am 30. April auf die Krone verzichtet. Ihr Sohn Willem Alexander wurde zum König und Staatsoberhaupt der Niederlande ernannt. "Ich trete nicht zurück, weil mir das Amt zu schwer geworden ist, sondern aus Überzeugung, dass die Verantwortung für unser Land nun in den Händen einer neuen Generation liegen muss", erklärte Beatrix nüchtern in einer Fernsehansprache im Januar. Für viele Niederländer und Monarchie-Fans in ganz Europa kam der Verzicht nicht wirklich überraschend. Schließlich hatten auch schon die Mutter und die Großmutter von Beatrix den Rücktritt eingereicht, um der nächsten Generation Platz zu machen.

REUTERS/Peter Dejong/Pool (NETHERLANDS - Tags: ROYALS POLITICS ENTERTAINMENT)
Schwur auf die Verfassung: Willem Alexander ist neuer König der NiederlandeBild: Reuters

Greise auf dem Thron

In den übrigen regierenden Königshäusern in Europa sind die Monarchen auch schon weit übers Rentenalter hinaus. In einigen Jahren wird es schon aus biologischen Gründen Thronwechsel geben. Die rüstige britische Queen, Elizabeth II., ist gerade 87 Jahre alt geworden. Ihr Sohn Charles wartet schon sehr lange und ist mit zarten 64 Jahren kurz davor, Großvater zu werden. Dänemarks Königin, die Kettenraucherin Margrethe II., ist 73 Jahre alt, Kronprinz Frederik ist auch schon 44. In Norwegen zählt der stille König Harald 76 Lenze, sein designierter Nachfolger Haakon ist 40 Jahre alt. In Schweden hält sich Carl XVI. Gustaf trotz Affären mit seinen relativ jungen 68 Jahren auf dem Thronsessel. Seine Tochter Victoria (35) ist viel beliebter im Volk und würde als Königin sofort akzeptiert. In Spanien schließlich steht der Monarch unter erheblichem Druck, weil er in einen Bestechungsskandel verwickelt sein könnte. König Juan Carlos ist 75 Jahre alt, gesundheitlich angeschlagen und nach außerehelichen Affären nur noch ein Schatten seiner selbst. Kronprinz Felipe (45) würde seinen Vater gerne ablösen, aber "der König wird niemals zurücktreten." Das sagte zumindest seine Frau, König Sophia, über Juan Carlos.

In this photo released by the RVD, Dutch Crown Prince Willem Alexander, fourth from right, and Princess Maxima, fifth from right, pose with their invited guests at the hunting castle t'Oude Loo in Apeldoorn, Netherlands, Saturday March 2, 2013. From left to right are Duke and Duchess Guillaume and Stephanie of Luxembourg, Prince Daniel and Crown Princess Victoria of Sweden, Prince Felipe and Princess Letizia of Spain, Crown Princess Mary of Denmark, Princess Maxima, Crown Prince Willem Alexander, Princess Mathilde en Prince Filip of Belgium and Crown Prince Haakon of Norway. (AP Photo/RVD, Jeroen van der Meyde)
Warteschlange der Thronfolger beim Gipfeltreffen im März 2013: Luxemburg, Schweden, Spanien, Dänemark, Niederlande, Belgien und NorwegenBild: picture-alliance/AP

"Thronfolger sind nicht arbeitslos"

Die Historikerin und Adelsexpertin Monika Wienfort von der Universität Braunschweig geht nicht davon aus, dass in den Königreichen das Volk die ältlichen Monarchen loswerden will. "Ich habe nicht das Gefühl, dass das Publikum in diesen Ländern die jungen Monarchen lieber und häufiger sehen würde. Ich glaube, es ist eher so, dass durch die Übernahme von Verpflichtungen in der Provinz in den Niederlanden, Belgien, Spanien und auch Großbritannien ja bereits Aufgaben von den jungen Thronfolgern wahrgenommen werden." Die mehr oder weniger jungen Königskinder wachsen in ihre Aufgaben hinein und seien dadurch auch nicht arbeitslos oder gelangweilt, meint Professorin Monika Wienfort: "Insofern löst das auch ein bisschen das Problem der strukturellen Beschäftigungslosigkeit der Thronfolger und ihrer Ehegatten."

Freiwilliges Abdanken eher unwahrscheinlich

Weitere Rücktritte von Monarchen wie in Belgien oder den Niederlanden sind nicht ausgeschlossen. Jeder König kann rechtlich gesehen auf sein Amt verzichten. Was der Papst kann, könnten die gekrönten Häupter auch, glaubt der Historiker und Monarchieforscher Rolf-Ulrich Kunze. Möglich, aber nicht wahrscheinlich, so Professor Kunze gegenüber der DW: "Das ist sehr schwer einzuschätzen, weil es immer von sehr persönlichen Konstellationen abhängt, von der familiären Situation in den Königshäusern, die nur bedingt zurückzuführen ist auf strukturelle Prozesse wie Verfassungsfragen." Die Niederlande, so Kunze, seien da kein Modell etwa für das britische Königshaus. Während die Niederländer den König eher als funktionales Staatsoberhaupt mit politischer Rolle ansehen, ist die britische Königin doch eher eine Symbolfigur für die nationale Identität. "Es sind zwei sehr verschiedene Fälle. Beide Königshäuser haben sich auch durch die Funktion, die sie in ihren Ländern wahrnehmen, seit langem auseinander entwickelt", so Professor Kunze.

Rolf-Ulrich Kunze, Professor für Neuere Geschichte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Universität des Landes Baden-Württemberg. Experte für Adelshistorie und Monarchie. Aufgenommen bei einem Seminar der Friedrich-Naumann-Stiftung in Karlruhe, 18.04.2013. Foto: privat (alle Rechte eingeräumt)
Adels-Experte Rolf-Ulrich KunzeBild: privat

"Die Untertanen haben Spaß"

Die parlamentarischen Monarchien in sieben europäischen Ländern sitzen nach Meinung von Adelshistorikerin Monika Wienfort fest im Sattel. "Ich glaube, die meisten Bürger von Staaten mit monarchischer Ordnung haben eigentlich Spaß an ihrer Monarchie. In den Niederlanden freute man sich auf den Thronwechsel als ein großes Volksfest." In keinem Land gibt es ernsthafte Bestrebungen, diese Staatsform abzuschaffen. Selbst Rücktritte und Thronwechsel führten nicht zu Krisen, von kleineren Protesten republikanisch gesinnter Gruppen abgesehen, sagt Monika Wienfort. "Diese Gruppen suchen immer einmal wieder eine Gelegenheit, sich zu Wort zu melden. Sie haben aber eigentlich keine Perspektive, tatsächlich einen Wechsel weg von der Monarchie zu erreichen." Das Königtum hat sich überall dort in Europa gehalten, wo es keine revolutionären Umwälzungen gab, wie etwa in Frankreich, Italien oder Deutschland. Da fast alle Königshäuser irgendwie miteinander und vor allem mit deutschem Adel verwandt sind, böte sich im Fall eines Falles immer noch die Möglichkeit zur Verwandtschaft zu ziehen.

Die Könige von Belgien und der Niederlande stammen aus deutschen Familien

Der belgische König stammt aus der deutschen Adelsfamilie Sachsen-Coburg und Gotha. Albert II. ist mit der italienischen Prinzession Paola Ruffo di Calabria verheiratet. Sein Ururgroßvater war Leopold I. Der deutsche Adelige Leopold von Coburg war der erste König des erst 1830 als parlamentarische Monarchie gegründeten Staates Belgien. Das Land hatte sich von den Niederlanden abgespalten. Leopold hatte zuvor in der russischen Armee gedient und den Thron von Griechenland abgelehnt. Das Angebot des belgischen Parlaments, König der Belgier zu werden, schien ihm lukrativer zu sein.

Das niederländische Königshaus Oranien-Nassau ist im Grunde auch eine deutschstämmige Familie. "Die Verbindung könnte eigentlich enger gar nicht sein", erklärt Monarchie-Experte Rolf-Ulrich Kunze. "Wir hören das ja jedes Mal, wenn die niederländische Nationalhymne gesungen wird. Das 'Willhelms-Lied', wo es heißt 'Willhelm bin ich von deutschem Blut' ". Der Gründungsvater der Dynastie, Willhelm von Oranien-Nassau, stammte aus Dillenburg im heutigen Bundesland Hessen. Der hessische Landadelige erbte das winzige französische Fürstentum "Orange" und machte so im Hochadel Karriere. "Schon seit der frühen Neuzeit ist die Verbindung zu Deutschland sehr eng. Sie ist es dann durch Eheschließungen immer geblieben." Die Ehemänner der letzten drei niederländischen Königinnen waren allesamt Deutsche. Mit dieser Tradition bricht nun der neue König, Willem Alexander. Seine Frau Maxima ist eine "Bürgerliche" aus Argentinien.