Was weiß die Wissenschaft über das Havanna-Syndrom?
Veröffentlicht 25. August 2021Zuletzt aktualisiert 4. April 2024Das rätselhafte Syndrom wurde erstmals 2016 bekannt. Damals wurden in der kubanischen Hauptstadt dutzende Fälle unter US- und kanadischen Diplomaten sowie ihren Familienangehörigen festgestellt. Laut Medienberichten soll es allerdings bereits 2014 im US-Konsulat in Frankfurt am Main in Deutschland erste Havanna-Syndrom-Fälle gegeben haben. Die Betroffenen litten unter Benommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hör- und Sehproblemen. Einige der Betroffenen verloren dauerhaft ihr Gehör.
Seit den Vorfällen in Kuba wurden die Symptome immer wieder von US-Diplomaten und -Geheimdienstmitarbeitern gemeldet, unter anderem in Russland, China, Österreich und zuletzt in Berlin. Die Betroffenen berichteten von Übelkeit, Schwindel, starken Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen und Müdigkeit, einige von ihnen seien arbeitsunfähig, schrieb das Wall Street Journal.
Auch in anderen europäischen Ländern habe man US-Vertreter mit dem rätselhaften Havanna-Syndrom registriert, berichtete die Zeitung weiter. Einige der Erkrankten hätten sich mit Themen wie Gasexporte, Cybersicherheit oder politische Einmischung befasst.
Symptome wie bei einer Gehirnerschütterung
Die Symptome treten sehr plötzlich auf. Einen Betroffenen in Moskau erwischte es 2017, als er nachts im Bett lag, wie das Magazin GQ berichtete. Aufgrund seiner Übelkeit dachte er zunächst an eine Lebensmittelvergiftung, dann war ihm aber so schwindelig, dass er beim Versuch, ins Bad zu gehen, immer wieder hinfiel.
Es habe sich angefühlt, "als ob ich mich übergeben müsste und gleichzeitig ohnmächtig werden würde", sagte der CIA-Mitarbeiter dem Magazin. Das Ganze traf ihn vollkommen unvorbereitet. Anders als einige amerikanische Staatsangehörige in der Botschaft in Havanna 2016 habe er beispielsweise keinen hohen Ton gehört.
Experten am Center for Brain Injury and Repair an der University of Pennsylvania untersuchten einige der US-Bürger, die in Kuba verletzt wurden, und veröffentlichten 2018 eine Studie in der Fachzeitschrift Journal of the American Medical Association. Darin schreiben die Forscher, die Patienten seien stark beeinträchtigt in ihren Gleichgewichts-, kognitiven, motorischen und sensorischen Fähigkeiten - so wie Menschen, die eine schwere Gehirnerschütterung erlitten.
Aber anders als bei Gehirnerschütterungen verschwanden die Symptome nicht, sondern nahmen nur immer mal ab, um dann mit geballter Kraft zurückzukehren.
Psychisches Leid der Havanna-Syndrom Patienten
In einer aktuelleren Studie untersuchten Forschende in den Jahren zwischen 2018 und 2022 insgesamt 86 US-Regierungsmitarbeitende und deren Familienmitglieder, die von solchen Symptomen betroffen waren. Im Vergleich mit der gesunden Kontrollgruppe, berichteten Havanna-Syndrom Betroffene signifikant häufiger von Erschöpfung, posttraumatischer Belastungsstörung oder Depressionen.
In den klinischen Tests konnten die Forschenden jedoch keine Veränderungen in Organen und Geweben oder im Blut der Patienten feststellen. Auch in der Gedächtnisleistung sowie in Hör- und Sehtests waren keine signifikanten Unterschiede zu den Teilnehmenden der Kontrollgruppe feststellbar.
Ursache unbekannt
Was die "anormalen Gesundheitsvorfälle" auslösen könnte, bleibt ebenfalls weiterhin unklar. Aber Vermutungen gibt es natürlich.
Eine davon äußerten Experten der National Academies of Sciences, Engineering and Medicine in den USA bereits im Dezember 2020. Sie vermuten, dass gezielte Impulse von Radio-Frequenz-Energie stecken hinter den Symptomen stecken.
Andere Forscher gehen davon aus, dass Mikrowellen-Waffen hinter dem Havanna Syndrom stecken, die Gegner der USA gezielt gegen Diplomaten, Geheimdienstangestellte und ihre Familien einsetzen. Solche Waffen, die mit hochfrequenter Strahlung arbeiten, wurden bereits entwickelt.
Mikrowellen arbeiten im Bereich von einem bis zu 300 Gigahertz. Die Mikrowelle, die viele zuhause haben, erhitzt Mahlzeiten bei einer Frequenz von 2,5 Gigahertz. Mit zunehmender Frequenz wird die Strahlung energiereicher. Mit entsprechendem Gerät kann sie gezielt auf Menschen gerichtet werden, die Strahlen dringen dann bis zu einer von der Frequenz abhängigen Tiefe in den Körper ein und können dort Schaden anrichten. Das US-Verteidigungsministerium entwickelte beispielsweise ein Waffensystem, das mit Mikrowellen bei einer Frequenz von 95 Gigahertz arbeitet.
Eine weitere Möglichkeit sind Schallwaffen - dafür spräche beispielsweise, dass einige Betroffene in Havanna einen durchdringenden Ton gehört haben, bevor ihre Symptome begannen. Andere Havanna-Syndrom Patienten hörten jedoch nichts.
Zwar könnte es auch Systeme geben, die Angriffe im nicht hörbaren Bereich ermöglichen. Doch über die ist wenig bekannt, außer, dass Militärs daran forschen ließen. Dass sie existieren wurde von Experten bisher als sehr unwahrscheinlich eingestuft.