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Musiker gegen rechte Gewalt

Nina Werkhäuser4. September 2015

Die Gewalt Rechtsextremer gegen Flüchtlinge ruft nun auch Künstler auf den Plan. In einem Appell fordern 24 namhafte deutsche Bands, Flüchtlinge und ihre Unterkünfte konsequent zu schützen.

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Von links: Bernd Mesovic von Pro Asyl, Joshi von der Kampagne "Kein Bock auf Nazis", Gitarrist Breiti von den Toten Hosen, Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Eigentlich, sagt Joshi von der Kampagne Kein Bock auf Nazis, mache er seine Arbeit mit guter Laune. Ehrenamtlich berät er junge Leute, die Rechtsextremisten die Stirn bieten. Aber inzwischen bleibe ihm das Lachen im Halse stecken. Er sei erschüttert von der jüngsten Welle rechtsextremer Gewalt, sagt der junge Mann (im Bild in der Mitte) mit den blondgefärbten Haaren und dem schwarzen T-Shirt, auf dem in gelben Lettern "Refugees welcome" steht. Neonazis marschierten vor Flüchtlingsheimen auf, Unterkünfte für Asylbewerber würden "fast jede Nacht" in Brand gesteckt. Mehr als 340 Anschläge auf Unterkünfte von Asylbewerbern verzeichnet das Innenministerium allein in diesem Jahr. "Wir haben die Schnauze voll", erklärt Joshi. "Jetzt muss was passieren."

Zeichen setzen

Deswegen lanciert das Bündnis Kein Bock auf Nazis zusammen mit der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl und prominenten Musikern einen Appell, der einen besseren Schutz der Flüchtlinge vor rechter Gewalt fordert. Unter der Überschrift "Zeit zu handeln!" verlangen die Unterzeichner eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge und mehr Unterstützung für Menschen, die sich "in ihrer Freizeit und bis zum Rande der Erschöpfung" für Flüchtlinge einsetzen. Und für diejenigen, die sich "Neonazis in den Weg stellen, wenn sie ihre Aufmärsche gegen Flüchtlingsunterkünfte machen", sagt Joshi.

Damit sich nicht das wiederholt, was im sächsischen Heidenau vor einer Flüchtlingsunterkunft passiert ist: Die Randale von Neonazis hätte die Polizei "nicht unter Kontrolle" gebracht, dann aber das Willkommensfest für die Flüchtlinge verbieten wollen. Am vergangenen Wochenende sollte in Heidenau ein umfassendes Versammlungsverbot gelten, das auch die Neuankömmlinge und ihre Helfer getroffen hätte. "Das ist ein Unding", empört sich der Aktivist. Gerade den ehrenamtlichen Unterstützern der Flüchtlinge müsse man Mut machen und Dank sagen.

Rechtsextreme demonstrieren im sächsischen Heidenau gegen Flüchtlinge, Foto: imago
Rechtsextreme demonstrieren im sächsischen Heidenau gegen FlüchtlingeBild: imago/C. Mang

Rock für Flüchtlinge

Mitunterzeichner des Appells sind 24 bekannte deutsche Bands, darunter die Toten Hosen, die sich schon lange gegen rechte Gewalt engagieren. Am vergangenen Samstag spielte die Band in Jamel, einem mecklenburgischen Ort, "der systematisch von Neonazis übernommen worden ist", wie Gitarrist Michael Breitkopf, genannt Breiti (rechts im Bild oben), die Situation beschreibt. Mit ihrem Auftritt unterstützten die Toten Hosen das Künstlerpaar Lohmeyer, das sich gegen die Rechtsextremisten stellt und deswegen Anfeindungen ausgesetzt ist. Erst kürzlich wurde die Scheune auf dem Hof des Ehepaars in Brand gesteckt.

"Leute, die sich für die Demokratie einsetzen, werden völlig allein gelassen; rechte Straftäter werden immer noch mit Samthandschuhen angefasst", kritisiert der Musiker. Es gebe in Deutschland immer mehr Orte, an denen "der Staat sein Gewaltmonopol praktisch aufgegeben hat". Das müsse sich dringend ändern. Eine Forderung des Appells richtet sich an die Polizei: Sie müsse rechte Gewalttäter stoppen und Flüchtlingsunterkünfte konsequent schützen.

Die Toten Hosen bei ihrem Konzert in Jamel, Foto: dpa
Solidaritätskonzert der Toten Hosen in Jamel, ganz links Gitarrist BreitiBild: picture-alliance/dpa/A. Heimken

Nicht nur Privatsache

Dass so viele Ehrenamtliche den Flüchtlingen helfen, imponiert Bernd Mesovic von Pro Asyl (links im Bild oben). Das sei "genial", sagt der stellvertretende Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation. Aber die Zivilgesellschaft könne nicht auffangen, was die Politik versäumt habe. Und das ist nach Ansicht von Pro Asyl einiges. Obwohl absehbar gewesen sei, dass immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kämen, seien die notwendigen Vorkehrungen nicht getroffen worden.

Etwa, wenn es um bezahlbaren Wohnraum in den großen Städten geht, und zwar für Einheimische wie für Flüchtlinge. "Wir brauchen eine totale Wende in der Politik des sozialen Wohnungsbaus, sonst werden wir das überhaupt nicht schaffen." Nach seiner Einschätzung brauchen 40 Prozent der Flüchtlinge auch therapeutische Betreuung, hier sei "eine ganz gewaltige Förderung" durch den Staat notwendig. Das alles könnten nicht allein Ehrenamtliche leisten, sagt Mesovic. "Wir brauchen ein Programm, aus dem wir die Politik an keiner Stelle entlassen dürfen."