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Museum Zwangsarbeit in Weimar eröffnet

Anastassia Boutsko
9. Mai 2024

Über 20 Millionen Menschen wurden als Zwangsarbeiter nach Nazi-Deutschland verschleppt. Nun wird ihrer in einem Museum gedacht - in der Nachbarschaft der Gedenkstätte Buchenwald.

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Gebäude des neuen Museums.
Schlichte Fassade: Das MuseumsgebäudeBild: Thomas Müller

Zeit und Ort hätten nicht symbolischer sein können: Am 8. Mai, dem Tag, an dem vor 79 Jahren mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht der Zweite Weltkrieg beendet wurde, ist in Weimar, einer der Schicksalsstädte der deutschen Geschichte, ein neues Museum eröffnet worden: das Museum Zwangsarbeit.

Auf über 20 Millionen schätzen die Historiker die Zahl der Menschen, die zwischen 1933 und 1945 verschleppt und in Deutschland und in den besetzten Gebieten zu Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen gezwungen wurden - vor den Augen der deutschen Gesellschaft.

Neues Museum als Teil der Gedenkstätte Buchenwald

Allein das Gebäude erzählt Geschichte: "Das Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus ist in dem Gebäudekomplex untergebracht, den Fritz Sauckel, der sogenannte 'Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz', also quasi der oberste Sklavenhalter des Dritten Reiches und zugleich Gauleiter der NSDAP in Thüringen, für seine Repräsentationszwecke hat bauen lassen", erzählt Philipp Neumann-Thein, stellvertretender Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora der DW. Das neue Museum ist Teil der Gedenkstätte.

Kolonnade, Sonne scheint und wirft Schatten in einen langen Säulengang.
Von Prunkbau der Nazis zu einem Museum: Kolonnaden am früheren "Gauforum"Bild: Martin Schutt/dpa/picture alliance

Die Klassik Stiftung Weimar feiert die Eröffnung. "Wir wollen mit dem gemeinsamen Festakt ein deutliches Zeichen für Demokratie setzen", so die Museumsdirektorin Dorothee Schlüter. Die zeitliche Nähe zu den Kommunalwahlen in Thüringen, die Ende Mai stattfinden, liegt den Museumsmachern dabei besonders am Herzen. "Ist Weimar doch ein Brennglas der deutschen Gesellschaft", so Philipp Neumann-Thein gegenüber der DW.

Museum zum Mitfühlen

Das neue Museum geht auf eine große Wanderausstellung zur Zwangsarbeit zurück, die bereits 2010 entstand und danach eine Reise durch ganz Europa zu den Orten der Verbrechen antrat. Nach Stationen etwa in Warschau, Prag oder Moskau kamen die sieben LKWs mit den Exponaten nach Weimar zurück. "Es war die erste und bislang einzige Ausstellung, die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus in ihrer gesamteuropäischen Dimension zeigte", sagt Dorothee Schlüter.

Besucher im Museum betrachten die Exponate, einer hält sich einen Hörer ans Ohr.
Eine Ausstellung zum MiterlebenBild: Christoph Musiol/gewerkdesign

Es ist aber auch eine Exposition der neuen Art, denn neben den "offiziellen" Bildern, Formularen und weiteren Dokumenten präsentiert die Ausstellung exklusives historisches Material aus privaten Quellen. "Diese Verbrechen wurden ja in aller Öffentlichkeit begangen", erzählt Philipp Neumann-Thein. "Millionen Deutsche waren in diese Verbrechen direkt eingebunden – sie waren nicht nur Täterinnen und Täter, sondern es gab auch jede Menge Zuschauerinnen und Zuschauer, die fotografiert und gefilmt haben."

Junge Frauen mit wenig Gepäck und ernsten Gesichtern gehen in einer großen Gruppe, historisches Bild von 1942
Zwangsarbeiterinnen aus der Sowjetunion, Dezember 1942Bild: Deutsches Historisches Museum, Berlin

Diesen Zaungästen der Verbrechen ist sozusagen zu verdanken, dass die Historiker nun auf eine breite Palette von Bildmaterial zurückgreifen können: "Es sind sowohl von Tätern inszenierte Bilder, als auch ganz viele Aufnahmen von einfachen Menschen, von Soldaten, von Betriebsangehörigen, und das ist ein ganz, ganz wichtiges Medium für die Ausstellung", so der Ausstellungsmacher Neumann-Thein. "Wir versuchen, die Zwangsarbeit in all ihren Dimensionen darzustellen, wie sie in der Zeit von 1933 bis 1945 von den Nationalsozialisten organisiert worden war."

Ex-Zwangsarbeiter Ivanji: "Nie ein besseres Museum gesehen"

Das erste Lob könnte für das Team aber auch das größte sein, denn es kommt von den ehemaligen Opfern der Zwangsarbeit. Einige ältere Damen und Herren sind zur Eröffnung angereist, darunter der 95-jährige serbische Schriftsteller Ivan Ivanji. "Ich habe nie ein besseres Museum gesehen", schwärmt der ehemalige Generalsekretär des Schriftstellerverbandes im ehemaligen Jugoslawien. "Dass man so etwas heute machen kann – mit so vielen Möglichkeiten zu sehen, zu hören! Das freut mich wirklich, dass ich das noch erlebt habe!"

Der im serbischen Banat geborene Sohn jüdischer Eltern wurde Ende April 1944 verhaftet, zunächst nach Auschwitz und dann nach Buchenwald deportiert. Dort kam der damals 15-jährige zum "Außenkommando Niederorschel" und landete schließlich in einem Lager bei Halberstadt in Sachsen-Anhalt, wo er "irgendwas für den Endsieg herstellen sollte", so Ivanji. Er überlebte. Das Jahr in der Nazi-Sklaverei prägte sein ganzes Leben. Über zwanzig Romane hat er während seines langen Lebens verfasst, in denen es um das Lagerleben geht – auch eine Art Befreiungsstrategie.

Das Museum Zwangsarbeit sei ein Ort, so Ivanji, den er auch seinen Enkeln und Enkelkindern empfehlen würde und all den jungen Menschen, die bestimmt auch kommen, "wenn es sich herumspricht, dass man da nicht Wände anglotzen muss, sondern etwas Neues erleben kann, wie in einem sehr guten Film."

Am 9. Mai öffnet das neue Museum seine Pforten fürs Publikum - egal welchen Alters..