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Musik

Mozartfest Würzburg feiert die Freiheit

Gaby Reucher
21. Mai 2022

Die Bamberger Symphoniker begeisterten beim Eröffnungskonzert des Würzburger Mozartfests. Gedanken an die Ukraine waren mit dabei.

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Publikum und Orchester beim Würzburger Mozartfest.
Die Bamberger Symphoniker durften das Mozartfest am Freitagabend eröffnen Bild: Gaby Reucher/DW

Großer Applaus für die Bamberger Symphoniker, die beim Würzburger Mozartfest mit ihren satten Klängen den Kaisersaal des Residenzschlosses ausfüllten. Die Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Andrew Manze spielten vor vollem Haus. "Endlich wieder frei von Corona", mit diesen Worten eröffnete Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt das Eröffnungskonzert. "Alles in einem - Freigeist Mozart" lautet das Motto des Festivals. Ein Motto, das unverhofft aktueller ist als ursprünglich gedacht und weit über musikalische Aspekte hinausgeht.

Menschen laufen die Stufen im Residenzschloss in Würzburg hinauf.
Volles Haus für das Eröffnungskonzert: Der Treppenaufgang im Weltkulturerbe der Würzburger ResidenzBild: Gaby Reucher/DW

"Das Thema Freigeist hat durch den Ukraine-Krieg und die furchtbaren Weltgeschehnisse eine unglaubliche Aktualität erfahren", sagt Festspielintendantin Evelyn Meining im Gespräch mit der DW. "Wir haben jetzt ein großes Kommunikationsthema und werden nicht nur darüber sprechen, was Freigeistigkeit bei Mozart bedeutet, sondern auch darüber, was Freiheit im künstlerischen Schaffen ausmacht." Da komme man schnell zu den Bedingungen unter denen Künstler sich frei entfalten können oder auch nicht, etwa in Diktaturen und unter Zensur. "Das Thema öffnet sich zu gesellschaftlichen Fragen bis hin zur Frage der Menschenrechte", so Meining.

Mozarts Offenheit bestimmt das Programm

Die Auseinandersetzung mit dem Freiheitsbegriff beginnt für Intendantin Evelyn Meining musikalisch bei Wolfgang Amadeus Mozart. Der klassische Komponist lotete immer wieder musikalische Grenzen aus und schrieb komplexe vielschichtige Werke, die seiner Zeit voraus waren, wie das Konzert für Orchester in A-Dur Nr. 23, das zur Festivaleröffnung erklang.

Porträt von Evelyn Meining.
Intendantin Evelyn Meining lädt ein, klassische Musik von Konventionen zu befreienBild: Dita Vollmond

"Mozart war ein Freigeist, ein progressiver Künstler, der sich nicht an die Konventionen gehalten hat", sagt Evelyn Meining. Man dürfe nicht vergessen, dass Mozart zu seiner Zeit ein Zeitgenosse gewesen sei, auf dessen neue Werke man gespannt war, auch wenn seine innovative Musik auf manchen damals durchaus verstörend gewirkt habe.

Den Solopart des Klavierkonzertes spielte der Südkoreaner und Wahlberliner Seong-Jin Cho. Er begeisterte das Publikum mit seinen dynamischen Wechseln zwischen temperamentvollen virtuosen Passagen und leisen verhaltenen Tönen. Dem britischen Dirigenten Andrew Manze war es im Orchesterpart wichtig, bei diesem beliebten und gefälligen Werk gerade die ungewöhnlichen dissonanten Stellen herauszuarbeiten.

Dissonanzen nicht nur aushalten, sondern annehmen

Evelyn Meining bedauert, dass bei Mozarts Musik oft über Dissonanzen hinweggespielt werde oder Musiker denken, es handele sich um einen Druckfehler in der Partitur. "Es gibt in Mozarts Musik sehr viel Innovationsgeist durch Trugschlüsse, falsche Fährten und Dissonanzen", sagt Meining. "Genau das wollen wir ergründen, und darüber sprechen."

Musiker stehen hinter ihren Pulten und verbeugen sich.
Schon die Besetzung ist ungewöhnlich: Quintett für Klarinette, Akkordeon, Violine, Viola und Violoncello der Komponistin Isabel Mundry (rechts)Bild: Gaby Reucher/DW

Ungewöhnliche, beziehungsweise unerwartete musikalische Momente gab es beim Mozartfest auch bei Igor Strawinskys "Concerto en ré" für Streichorchester oder bei Joseph Haydns Sinfonie Nr. 91. "Er wechselt die ganze Zeit die Richtung und man weiß nie so richtig, wo es langgeht", sagt der britische Dirigent Andrew Manze im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Es kann sein, dass das ganze Orchester gerade in Fahrt kommt und dann stoppt Haydn plötzlich und die Musik hängt in der Luft." Diese Momente hat Manze ausgekostet und dem Stück eine besondere Spannung gegeben, die vom Publikum mit Bravo-Rufen belohnt wurde.

Zeitgenössische Musik von Isabel Mundry

Die Komponistin Isabel Mundry war für ihr Quintett "Traces des Moments" (Spuren der Augenblicke) aus dem Jahr 2000 bei den Proben der Bamberger Symphoniker dabei. "Die haben unglaublich minuziös gespielt, das hat mich sehr beeindruckt, farblich ganz toll." Auch ihr war es wichtig gerade die Kontraste hervorzuheben und "das vermeintlich Hässliche" zu übertreiben. Ein Stück, das gerade durch das konzentrierte Spiel des Quintetts und die immer filigranen und zerbrechlichen Klänge am Ende das Publikum in Bann zog.

Porträt von Isabel Mundry.
Isabel Mundry sieht die Schönheit in der KomplexitätBild: Wilfried Hösl

"Bei vielen Veranstaltern wird schon gewarnt, 'wenn neue Musik kommt, dann setzen Sie sie an den Anfang, damit es schnell geht und sich das Publikum danach erholen kann'", erzählt Isabel Mundry der DW. Viele Menschen hätten Vorurteile gegenüber zeitgenössischer Musik, ohne sie überhaupt zu kennen. "Die Dinge werden oft auch kompliziert geredet. Es ist eine Sache, sich darauf einzulassen und überhaupt zuzulassen, dass Komplexität auch ein Teil der sinnlichen Wahrnehmung ist."

Innovationen für die Zukunft der klassischen Musik

In Komponistinnen und Komponisten wie Isabel Mundry, die innovativ und offen sind, sieht Intendantin Evelyn Meining die Mozarts unserer Zeit. Es sei wichtig, die Gesellschaft sowohl für die klassische Musik als auch für neue Musik zu begeistern, sagt die Festspielintendantin. "Wir haben in zwei Jahren Pandemie erlebt, das klassische Musik gar keinen Stellenwert in unserer Gesellschaft zu haben scheint." Während der Lockdowns lagen sämtliche Veranstaltungen brach, besonders Orchester und Chöre konnten nicht einmal mehr proben. "Der Zirkel derer, die sich damit identifizieren ist offensichtlich in der Gesellschaft viel zu klein", meint Meining.

Brunnen vor dem Residenzschloss mit Bronzefigur.
Neue Musik in der alten Residenz: Das hätte dem Dichtersänger Walther von der Vogelweide (Brunnenfigur) gefallen könnenBild: Gaby Reucher/DW

Viele Festivals in Deutschland denken derzeit darüber nach, wie man klassische Konzerte aufbrechen kann durch andere Formate oder andere Spielorte, die offen sind für jedermann.

Raum für ukrainische Geflüchtete 

Eines der Projekte in Würzburg, das sich mit "Neuem Hören" über Grenzen hinweg beschäftigt, ist zum Beispiel ein "Pop-Up-Raum" für Mozart in der Würzburger Innenstadt. In einem leerstehenden Ladenlokal haben Künstlerinnen und Künstler die Möglichkeit jeweils eine Woche ihre Kreativität und Experimentierfreude auszuleben. Auch der Solidarische Musikschulverein "Willkommen mit Musik" in Würzburg wird diesen Raum eine Woche lang bespielen. Die Musikschule hat bereits neue Mitglieder aus der Ukraine, die mit ihren Instrumenten hier angekommen sind.

Barock und Wein: Ein Besuch in Würzburg

"In diesem Ladenlokal haben wir jetzt auch ein Kulturfrühstück eingerichtet, wo wir Geflüchtete, besonders Ankommende aus der Ukraine, einladen, und dort einen Begegnungsort für diese spezielle aktuelle Situation zu schaffen", erläutert Evelyn Meining. Integration, Freiheit und Innovation liegen beim Mozartfest Würzburg in diesem Jahr besonders nah beieinander. Das Festival findet noch bis zum 19. Juni statt.