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PolitikAfrika

Leila Zerrougui: "Das Recht des Stärkeren"

Eric Topona
24. November 2020

Während Rebellen im Ostkongo Angriffe verüben, ringen Präsident Tshisekedi und Vorgänger Kabila um die Macht. Monusco-Chefin Leila Zerrougui erklärt im DW-Interview, wie beides zusammenhängt und wo sie vermitteln kann.

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Demokratische Republik Kongo | Überfall auf UN-Lager in Beni
Bild: Reuters/File Photo/O. Oleksandr

DW: Frau Zerrougui, im Ostkongo gibt es fast täglich Angriffe von Milizen, die die Zivilbevölkerung überfallen. Tut es Ihnen nicht leid, dass die Monusco diese Gewalt nicht in den Griff bekommt?

Leila Zerrougui: Ich glaube, wir tun schon viel. Auch die kongolesischen Streitkräfte tun viel. Ein Problem sind allerdings bewaffnete Gruppen, die in die Bevölkerung integriert sind. Und insbesondere im Kongo ist genau das der Fall: Ein Großteil der bewaffneten Gruppen ist Teil der Zivilbevölkerung.

Es ist also in gewisser Weise ein asymmetrischer Krieg?

Es ist nicht mal ein Krieg, das Problem ist vielmehr die Anwesenheit von Milizen. Dass sie entstanden sind und nun schon so lange bestehen, hängt eng mit der fehlenden staatlichen Autorität zusammen. Auch die Armut und die Tatsache, dass keiner kontrolliert, wo Geldströme hinfließen oder wer wo welche Ressourcen ausbeutet, spielt in die Situation hinein. Es gilt das Recht des Stärkeren.

Einige Kongolesen sind allerdings auch unzufrieden mit der Monusco: Sie sagen, dass Soldaten der von Ihnen geführten Blauhelm-Mission mehrfach und an unterschiedlichen Orten im Ostkongo Massakern gleichgültig zugeschaut haben.

Die Kongolesen setzen, teilweise verzweifelt, die Monusco unter Druck, weil sie meinen, dass die Monusco es besser machen könnte. Wenn Sie aber ein Gebiet von einer bewaffneten Gruppe, beispielsweise der ADF, befreien, ist es sehr wichtig, dieses Gebiet, das man befreit hat, auch zu halten. Ansonsten ziehen Sie ab und die Milizen kehren zurück. Die Kapazitäten der kongolesischen Armee müssen verstärkt werden. Ihr muss geholfen werden, eine nachhaltig schlagkräftige Eingreiftruppe zu werden, die zugleich den Feind angreifen und die Bevölkerung beschützen kann.

Aber es gibt ja auch Komplizenschaft zwischen gewissen Bevölkerungsgruppen und Rebellen der ADF oder anderer Milizen…

So etwas ist nicht ungewöhnlich. Wenn man die Gebiete, die Bevölkerung nicht schützt, wenn die Armee nicht anwesend ist, kann sie auch niemanden schützen.

Die Monusco zieht sich wegen fehlender Budgets von mehreren Außenstellen im Land zurück. Überlassen Sie damit nicht den bewaffneten Gruppen das Feld?

Leila Zerrougui (Archiv)
Leila Zerrougui leitet die UN-Mission im KongoBild: picture-alliance/epa/M. Trezzini

Unser Rückzug ist verantwortungsvoll. Da, wo wir sicher sind, dass der Staat Sicherheit gewährleisten kann, können wir uns zurückziehen. Aber da, wo wir denken, dass die Situation noch sensibel ist, werden wir weiterarbeiten und versuchen, den UN-Sicherheitsrat im Dezember zu überzeugen…

Hoffen Sie, dass das Monusco-Mandat dann erneut verlängert wird?

Es besteht kein Zweifel, dass das Mandat verlängert wird. Die Frage ist eher, wie wird dieses Mandat dann aussehen, was wird es enthalten?

Wie beurteilen Sie die aktuelle politische Lage im Kongo - mit einem Präsidenten und einem Ex-Präsidenten, die in derselben Regierungskoalition sitzen, in der es immer Streit und Intrigen gibt?

Dass aus politischen Gegnern Partner werden, ist nicht selbstverständlich. Ich denke, das liegt auch daran, dass die politische Elite im Kongo es seit der Unabhängigkeit nicht gewohnt war, die Macht zu teilen. Wer an der Macht war, regierte alleine - entweder weil er sich die Macht mit Gewalt genommen hatte oder weil er sie mit Gewalt hielt.

Die Monusco vermittelt seit einigen Wochen zwischen Präsident Tshisekedi und Ex-Präsident Kabila. Wie ist der aktuelle Stand dieser Mediation?

Ich bin hier, um der Demokratischen Republik Kongo dabei zu helfen, sich zu stabilisieren, und ihr bei der neuen schwierigen Erfahrung der Machtteilung beizustehen. Und zwar vor allem, damit diese Erfahrung (die Teilung der Macht, Anm. d. Red.) zur Regel wird und wiederholt werden kann, damit irgendwann die Zeiten vorbei sind, in denen jede Wahl von Instabilität und Unruhe bestimmt ist.

In der Praxis heißt das, dass wir zwei Partnern vor Augen führen, dass sie ein Interesse daran haben müssen, ihre politischen Probleme durch Dialog, durch Austausch ihrer unterschiedlichen Sichtweisen und durch Zugeständnisse zu lösen. Für diese Art von Aufgaben sind auch weitere Institutionen wichtig, die allen die Grenzen ihrer Zuständigkeiten aufzeigen. Zum Beispiel eine starke Justiz, Kontrollmechanismen… Wir sind dabei, diese Institutionen aufzubauen.

Wann haben Sie Joseph Kabila und Felix Tshisekedi getroffen?

Ich treffe beide regelmäßig, sie sind Partner der Monusco. Vor allem den Präsidenten treffe ich natürlich regelmäßig. Ich habe mich allerdings nicht eingemischt, als der Präsident die aktuellen nationalen Beratungen auf den Weg gebracht hat. Bis jetzt hat er uns (die Monusco) nicht dazu gerufen.

Der Kongo kann sich keine Krise erlauben, die wieder so eine dramatische Situation herbeiführt! Es gibt ja im Moment schon eine Gesundheitskrise (die Corona-Krise, Anm. d. Red.), die Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hat. Es gibt die Spannungen und Probleme, die Sicherheitskrise im Osten… Aber wir werden Kabila und Tshisekedi nicht sagen, dass sie zusammenbleiben und ihre Macht teilen müssen - das ist nicht unsere Aufgabe!

Leila Zerrougui leitet seit Januar 2018 die UN-Stabilisierungsmission für die Demokratische Republik Kongo (Monusco). Bereits zuvor war die Algerierin in verschiedenen Funktionen bei den Vereinten Nationen tätig. Zuletzt war sie seit 2012 UN-Sonderbeauftragte für Kinder in bewaffneten Konflikten.

Das Interview führte Eric Topona.