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Politik

Mikrofon-Leck: Netanjahu lästert über EU

19. Juli 2017

Dank einer Mikrofon-Panne wurden Journalisten in Budapest Ohrenzeugen einer Unterredung des israelischen Regierungschefs mit seinem Kollegen Orban. Dabei zog Netanjahu offenherzig über die Europäische Union her.

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Ungarn Budapest -  Benjamin Netanyahu und Viktor Orban bei Pressekonferenz
Israels Regierungschef Netanjahu in BudapestBild: Getty Images/AFP/P. Kohalmi

Es sei "verrückt", wie die Europäische Union Israel behandele, beschwerte sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Die Europäische Union ist die einzige Vereinigung von Ländern weltweit, die ihre Beziehungen mit Israel (...) an politische Bedingungen knüpft." Netanjahu bezog sich mit seiner Kritik auf technologische Kooperationen, die die Europäische Union davon abhängig gemacht hat, dass Israel Voraussetzungen für Friedensgespräche mit den Palästinensern schafft. Netanjahu äußerte sich nach diversen Medienberichten bei einem Treffen mit der so genannten Visegrad-Gruppe, darunter dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban. Bei der Unterredung soll Netanjahus Mikrofon zeitweise noch eingeschaltet gewesen sein, so dass ihn Journalisten außerhalb des Zimmers hören konnten.

"Europa gefährdet seine eigene Entwicklung, in dem es seine Beziehung zu Israel in Gefahr bringt wegen dieses verrückten Versuchs, Bedingungen zu schaffen für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern", sagte der israelische Politiker weiter. "Europa muss sich entscheiden, ob es leben und gedeihen will oder ausdörren und verschwinden."

Israel greift Ziele in Syrien an

Luftangriffe auf Hisbollah zugegeben

Erstaunlich deutlich äußerte sich Netanjahu auch zu israelischen Luftangriffen gegen Waffenlieferungen für die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah in Syrien. "Ich habe (Russlands Präsident) Wladimir Putin gesagt, wenn wir sehen, dass (der Iran) Waffen zur Hisbollah bringt, dann treffen wir die. Wir haben das schon Dutzende Male gemacht." Israel bestätigt solche Angriffe sonst in der Regel nicht.

Netanjahu rief zudem die Regierungschefs der vier Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei auf, sein Land in Brüssel unverblümt zu unterstützen. Wenn die Visegrad-Gruppe diese Vorstellung voranbringe, werde dies nicht nur für diese, sondern tatsächlich für ganz Europa sein. "Wir sind Teil der europäischen Zivilisation. Schaut auf den Nahen Osten, Europa hört in Israel auf", fügte er hinzu.

"Anormale" EU-Kritik

Bei einer späteren Pressekonferenz äußerte sich Netanjahu in diplomatischeren Formulierungen zum Verhältnis zu Europa. So beklagte er, die Kritik der EU-Institutionen an Israels Siedlungsprojekten in den Palästinensergebieten sei "anormal". Es sei "an der Zeit, dass Europa seine Beziehung zu Israel einer Neubewertung unterzieht". Netanjahu traf sich in der ungarischen Hauptstadt mit den Regierungschefs Polens, Tschechiens, Ungarns und der Slowakei. Die Vertreter der Visegrad-Gruppe hätten "die Positionen Israels innerhalb Europas regelmäßig verteidigt", sagte er. Israel sei die "einzige Demokratie im Nahen Osten" und könne Europa viel bieten - unter anderem in Sicherheitsfragen und bei technologischem Know-how.

Beobachter gehen davon aus, dass Israel die Verbindungen zu Ländern stärken möchte, die bei der Verteidigung seiner Interessen in internationalen Foren helfen können. Der Nahost-Experte Peter Lintl sagte dazu der österreichischen Zeitung "Kurier": "Mit ihrer Unterstützung wird es für die EU schwieriger, Israel-kritische Beschlüsse zu verabschieden."

Orban verspricht Hilfestellung

Orban, der selbst von der EU wegen seiner Verspottung demokratischer Werte wie der Pressefreiheit kritisiert wird, sagte, er und seine drei Kollegen der Visegrad-Gruppe würden sich für bessere Beziehungen zwischen der EU und Israel einsetzen. Auf Netanjahus Einladung wird sich die Vierer-Gruppe 2018 in Jerusalem treffen.

Seit dem Niedergang des Kommunismus 1989 war Netanjahu der erste israelische Ministerpräsident, der Ungarn besuchte. Am Dienstag hatte er den ungarischen Regierungschef Viktor Orban demonstrativ für dessen Einsatz gegen den Antisemitismus gelobt. Orban wurde von Kritikern im eigenen Land wiederholt Antisemitismus vorgeworfen, nachdem die Regierung eine Plakatkampagne gegen den ungarisch-jüdischen Milliardär George Soros gestartet hatte.

kle/sti (dpa, afp, rtre, ape)