1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mexiko kämpft gegen Corona-Krise

Andreas Knobloch Mexiko-Stadt
26. Mai 2020

Eine Million Arbeitsplätze werden wahrscheinlich verloren gehen, so offizielle Schätzungen. Die für das Land so wichtige Autoindustrie muss einen Rückschlag verkraften. Der Präsident zeigt sich trotz allem optimistisch.

https://p.dw.com/p/3clTY
Mexiko Automobilindustrie VW Werk in Puebla
Bild: Getty Images/AFP/J. Castanares

Die deutschen Autobauer Volkswagen und Audi hatten gehofft, ihre Ende März eingestellte Produktion im mexikanischen Puebla in dieser Woche wieder aufnehmen zu können. Doch daraus wird nichts.

Die Regierung des Bundesstaates veröffentlichte am vergangenen Freitag ein Dekret, wonach wegen COVID-19 derzeit "keine Bedingungen für die Wiederaufnahme der Aktivitäten in der Automobil- und Bauindustrie" bestünden. Zunächst müssten die Infektionszahlen sinken.

In anderen Landesteilen war die Automobilproduktion, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes, in der vergangenen Woche wieder aufgenommen worden. So begannen General Motors und BMW in San Luis Potosí mit einer gestaffelten Rückkehr.

Unter Druck

Vor allem aus den USA hatten Unternehmen und Politik starken Druck auf die mexikanische Regierung ausgeübt, die Werke trotz weiterhin hoher Infektionsrate wieder zu öffnen. Mexiko ist ein wichtiger Produktionsstandort für den US-Markt.

Durch den Produktionsstopp aufgrund von Corona brachen die Automobilexporte aus Mexiko in die USA im April um 80 Prozent und die in andere Märkte um 75 Prozent ein. Im April verzeichnete die Handelsbilanz des Landes ein historisches Defizit von drei Milliarden US-Dollar. Die Öl-Exporte schrumpften um zwei Drittel; bei allen anderen Waren betrug das Minus fast 40 Prozent.

Mexiko | Coronavirus
"Vorsicht! Hohe Ansteckungsgefahr" warnt ein Schild in einer U-Bahn-Station in Mexiko-StadtBild: picture-alliance/AP Photo/E. Verdugo

Doch das war es noch nicht an schlechten Nachrichten: Nach vorläufigen Zahlen wird für Mai ein Verlust von 400.000 Arbeitsplätzen prognostiziert. Insgesamt dürften durch die Auswirkungen der Corona-Epidemie in Mexiko knapp eine Million Arbeitsplätze verloren gehen, prognostizierte Präsident Andrés Manuel López Obrador.

"Ein Wunder"

Trotz der alarmierenden Zahlen gibt der sich weiter optimistisch und sieht Anzeichen der Erholung. So seien die Steuereinnahmen "nicht gefallen, das ist ein Wunder". Für Mai wird gar ein Anstieg von 2,6 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum erwartet.

In einem Video in den sozialen Netzwerken veröffentlichte López Obrador weitere Mut machende Daten: Im März erreichten die Geldüberweisungen der Auslandsmexikaner ein Allzeithoch von vier Milliarden US-Dollar - und das trotz eines ungünstigen wirtschaftlichen Umfelds in den USA, wo bisher mehr als 38 Millionen Arbeitsplätze verloren gingen.

Der Präsident forderte erneut zur Beibehaltung der Disziplin auf. Das kritischste Stadium der Epidemie stünde erst noch bevor, insbesondere in Mexiko-Stadt. Seit Beginn der Corona-Epidemie wurden in Mexiko offiziell bisher mehr als 68.000 Infektionen und 7.400 Todesfälle gezählt.

Neue Arbeitsplätze

Trotz der Zahlen bekräftigte López Obrador sein Versprechen, in diesem Jahr zwei Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. "Ich gehe davon aus, dass wegen des Coronavirus eine Million Arbeitsplätze verloren gehen werden. (…) Aber ich möchte auch sagen, dass wir bereits einen Plan haben", so der Präsident.

Programme wie Jóvenes Construyendo el Futuro (Jugend baut die Zukunft auf), Programa de Mejoramiento Urbano (Programm zur Stadtverbesserung) und Sembrando Vida (Leben säen) würden jeweils mehr als 200.000 Arbeitsplätze schaffen.

Hinzu kämen Infrastrukturprojekte wie die Eisenbahnlinie Tren Maya, der Bau der Dos Bocas-Raffinerie sowie des neuen Flughafens Santa Lucia in Mexiko-Stadt.

Mexiko Präsident Andres Manuel Lopez Obrador
Mexikos Präsident Lopez Obrador rechnet mit dem Verlust von einer Million ArbeitsplätzenBild: Reuters/H. Romero

"Darüber hinaus beginnt sich die Wirtschaft wieder zu beleben, und die mit Nordamerika verbundene Bau-, Bergbau- und Automobilindustrie öffnet sich allmählich", fügte er hinzu. Auch erholten sich der Weltmarktpreis für Erdöl und der mexikanische Peso gegenüber dem US-Dollar.

Kritik der Unternehmer

Von den Unternehmern jedoch kommt heftige Kritik am bisherigen Krisenmanagement des Präsidenten. Der Arbeitgeberverband Coparmex forderte die Regierung in der vergangenen Woche zum Kurswechsel auf.

Sie habe bisher keine wirksamen Maßnahmen zum Schutz von Unternehmen ergriffen, die Arbeitsplätze im Land schaffen. Zum wiederholten Male forderten die Unternehmer staatliche Hilfen und ein Ende der Sparpolitik.

"Es ist an der Zeit, sich eingehend für die Arbeitnehmer des Landes einzusetzen und das Sparschwein der Regierung aufzubrechen, um mehr Arbeitslosigkeit zu vermeiden", hieß es in der Erklärung von Coparmex. "Er [der Präsident - Anm. d. Red.] möge die Gleichgültigkeit gegenüber dem Bankrott von Unternehmen aufgeben und den Kreuzzug zur Verteidigung der Beschäftigung führen."

Doch Präsident López Obrador zeigt sich unbeeindruckt. Er verweist darauf, dass die Unternehmer im Laufe der Geschichte Rettungspakete zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt hätten.

"Ein mexikanisches Modell"

Stattdessen verteidigt er seinen Ansatz aus Austeritätspolitik, Sozialprogrammen und Mikrokrediten: "Wir haben bisher 752.000 Kredite mit einem Gesamtvolumen von 45 Milliarden Pesos [rund zwei Milliarden US-Dollar] vergeben." Insgesamt würden vier Millionen Kredite ausgegeben, kündigte er an.

"Die Wirtschaft wird sich reaktivieren, mit Geldüberweisungen aus dem Ausland, mit dem gesamten Wohlfahrtsprogramm." Das sei ein mexikanisches Modell, sagt López Obrador, um im selben Atemzug neoliberale Politik zu kritisieren.

"Überall das gleiche Rezept: Strukturreformen bei Steuern, Energie, Arbeit, Bildung. Das ist zumindest in Mexiko nicht mehr akzeptabel", so der Präsident. "Wir gehen von unserer Realität aus, es ist unser eigenes Modell. Wir werden im Land nicht mehr nur das Wirtschaftswachstum messen, sondern auch das Wohlergehen und dass es Demokratie und Freiheit gibt."