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Mexikanische Studenten mit deutschen Waffen getötet?

Ben Knight / ml13. Dezember 2014

Dem deutschen Waffenhersteller Heckler & Koch wird vorgeworfen, widerrechtlich Gewehre an die Polizei in der mexikanischen Stadt Iguala geliefert zu haben. Möglicherweise wurden mit diesen Waffen Menschen umgebracht.

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Gewehre vom Typ G36

Opfer waren protestierende Studenten. Die Polizisten hatten mutmaßlich Waffen von Heckler & Koch eingesetzt, wie ein Untersuchungsbericht nahelegt. Nach Informationen der Tageszeitung "taz" beschlagnahmten mexikanische Ermittler bei der örtlichen Polizei inzwischen 36 Gewehre des größten deutschen Herstellers von Handfeuerwaffen. Der Zeitung liegt nach eigenen Angaben eine Liste der Waffen vor, die bei den bisherigen Ermittlungen sichergestellt wurden. Laut Exportgenehmigung hätten die Waffen niemals in diese Region geliefert werden dürfen.

Am 26. September 2014 schoss die Polizei in Iguala im Bundesstaat Guerrero auf Busse mit Demonstranten und tötete dabei sechs Lehramtsstudenten. Später wurde eine Studentengruppe vermutlich von der Polizei eingekesselt und anschließend an eine kriminelle Gang namens "Guerreros Unidos" übergeben. 43 dieser Studenten werden noch immer vermisst und sind vermutlich nicht mehr am Leben. DNA-Spuren, die in einem Massengrab gefunden wurden, stützen diese These.

Fotos der in Mexiko verschwundenen Studenten (Foto: AP Photo/Moises Castillo)
Nach dem Verschwinden der Studenten gab es in Mexiko viele ProtestkundgebungenBild: picture-alliance/AP/Moises Castillo

Die Ermittler haben im Zusammenhang mit dem Verschwinden der Studenten mehr als 80 Personen verhaftet und 228 Schusswaffen aus Polizeibeständen beschlagnahmt – 36 dieser Waffen waren G36-Sturmgewehre aus dem Hause Heckler & Koch. Das G36 ist auch das Standardgewehr der deutschen Bundeswehr. Laut den Ermittlungsberichten wurden für die mutmaßlichen Morde 30 Waffen verwendet. Unklar ist allerdings, um welche Typen es sich handelt.

Verkauf an korrupte Regime

Die Bundesregierung genehmigte im Jahr 2007 den Verkauf von rund 9500 Gewehren des Typs G36 an Mexiko - unter der Bedingung, dass diese nicht in die vier Regionen geliefert würden, deren Sicherheitskräfte als besonders korrupt gelten. Dazu zählt auch der betroffene Bundesstaat Guerrero. 2010 berichtete ein Kamerateam der ARD, dass die Gewehre dennoch in diesen Provinzen eingesetzt würden und Mitarbeiter von Heckler & Koch die dortigen Sicherheitskräfte an der Waffe ausgebildet hätten.

Jürgen Grässlin, ein deutscher Friedensaktivist, erstattete daraufhin in Stuttgart Anzeige gegen die Firma - wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz. Die zuständige Staatsanwaltschaft erhob jedoch bis heute keine Anklage in dem Fall.

"Wir wissen aus Erfahrung, dass die Sturmgewehre von Heckler & Koch bis zu 50 Jahre lang voll funktionsfähig bleiben", so Grässlin im Gespräch mit der DW. "Die Konsequenzen für Mexiko sind fatal. In diesen ersten Jahren erschießen extrem korrupte mexikanische Polizisten schutzlose Demonstranten und andere Personen mit diesen illegal aus Deutschland exportierten Waffen. Und in den folgenden Jahren und Jahrzenten werden dann die Drogenkartelle diese Waffen von der Polizei kaufen oder auf andere Weise übernehmen."

Grässlins Prognose stützt sich auf vergleichbare Fälle: Im Dezember 2011 erschoss die Polizei in Chilpanchingo, der Hauptstadt von Guerrero, zwei Demonstranten. Die Tatwaffe konnte nicht ermittelt werden, aber den Untersuchungen zufolge trugen die betreffenden Polizisten während des Einsatzes G36-Gewehre. Nach Angaben des mexikanischen Generalstaatsanwalts, Jesus Murillo, erhielt die Polizei in Guerrero außerdem Zahlungen in Höhe von 50.000 Euro pro Monat von der Gangsterbande "Guerreros Unidos".

Verzögerte Ermittlungen

Anfang Dezember hatte Heckler & Koch einen Rechtsstreit mit zwei ehemaligen Mitarbeitern beigelegt, die für den Verkauf nach Mexiko verantwortlich gewesen sein sollen. Die ehemaligen Mitarbeiter hatten erfolgreich gegen ihre Entlassung geklagt. In dem Gerichtsverfahren kamen auch Unterlagen ans Licht, die belegen, dass der Verkauf nach Mexiko durch gefälschte Dokumente verschleiert werden sollte.

Firmenzentrale von Heckler & Koch (Foto: picture-alliance/dpa)
Illegaler Waffenhandel? Werksgebäude von Heckler und Koch in OberndorfBild: picture-alliance/dpa/Patrick Seeger

"Ich frage mich, warum diese Ermittlungen seit vier Jahren andauern", sagt Jan van Aken, Abgeorneter der Linkspartei im Deutschen Bundestag und Kritiker der deutschen Waffenexporte. "Die Staatsanwaltschaft muss nun endlich Anklage erheben und alle Beweise auf den Tisch legen. Vielleicht können wir dann auch die Ermittlungen aus Mexiko mit einbeziehen und herausfinden, ob einige dieser Morde mit Waffen von Heckler & Koch verübt wurden. Aber vier Jahre - das kann man nicht akzeptieren. "

Heckler & Koch wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Grässlin vermutet, dass im Frühjahr 2015 Anklage erhoben wird. Vorher wird das Zollkriminalamt einen Bericht veröffentlichen. Für van Aken liegen die Beweise seit langem auf dem Tisch: "Meiner Meinung nach gibt es seit vier Jahren genug Fakten, um Anklage zu erheben."