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Gesellschaft

"MeToo": Welches Verhalten ist in Ordnung?

Sabrina Müller-Plotnikow
19. Oktober 2017

Unter #MeToo haben zahlreiche Frauen von Sexismus und Übergriffen berichtet. Doch wann hört das Kompliment auf und wo fängt die Belästigung an? DW-Autorin Sabrina Müller-Plotnikow mit einer Hilfestellung.

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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Bild: picture alliance/dpa/C. Klose

Mit dem Hashtag #MeToo oder #NotOkay haben zahlreiche Opfer sexueller Belästigung ihr Schweigen gebrochen. Angestoßen haben die Aktion amerikanische Schauspielerinnen, die von Übergriffen und sexuellem Missbrauch durch den Filmproduzenten Harvey Weinstein berichten.

In einem Statement in der Tageszeitung "New York Times" gab Weinstein nach massivem öffentlichem Druck sexuelle Übergriffe und Missbrauch zu. Seine Erklärung: Er stamme aus einer Zeit, in der die "Verhaltensregeln" am Arbeitsplatz noch andere waren. Dass Problem ist nicht auf Hollywood beschränkt: Alleine in Deutschland hat laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes jede zweite Befragte im Berufsalltag bereits eine Belästigungssituation selbst erleben müssen. Frauen - aber auch Männer - beobachten und erleben am häufigsten Belästigungen durch Männer. 

Was darf Man(n) im Büro und was nicht? Eine Debatte über die Grenzen zwischen Flirt und Belästigung ist in vollem Gange. Dabei fallen Sätze wie: "Darf man keine Komplimente mehr machen?" oder "War doch nicht so gemeint". Doch vertuschen genau diese Floskeln das Wesentliche: Die Akteure wissen meist sehr wohl, dass mit ihrem Verhalten Grenzen überschritten wurde. Diese Grenzen sind natürlich sehr individuell. Ein bestimmtes Verhalten kann bei der einen Person auf Wohlwollen stoßen, für eine andere war es bereits ein Schritt zu weit. 

Die folgenden Beispiele sind nicht allgemein gültig oder definieren gar, wann ein willkommener Flirt endet und die unerwünschte Anmache beginnt. Sie zeigen, wo ich persönlich eine Grenze ziehe. Doch auch wenn es kein festes Regelwerk gibt: Diese Beispiele sollen helfen, einen Denkprozess anzustoßen.

Das finde ich okay - oder eben nicht

Sie läuft den Gang entlang, er dreht sich um. - Okay.

Sie läuft den Gang entlang, er starrt sie die ganze Zeit an, pfeift ihr womöglich noch hinterher oder sagt: "Sexy, wie du aussiehst." - Nicht okay.

Nach Feierabend haben sie einen ausgelassenen Abend, lachen viel, plaudern seit Stunden. Sie berühren sich oft, ihre Blicke halten stand, ihr Gesicht ist nahe an seinem. Er küsst sie. - Okay.

Sie unterhalten sich an der Bar. Er gesteht ihr, dass er lieber sie hätte heiraten sollen, weil sie im Büro mehr Zeit zusammen verbringen als er mit seiner Frau. Dann will er sie küssen. - Nicht okay. 

Er findet, dass ihr das Outfit, das sie bei der Präsentation trug, gut steht und sagt es ihr anschließend. - Okay.

Sie wird von ihrem älteren Kollegen unangemessen berührt und klatscht ihm eine, damit er aufhört. - Gewalt löst das Problem nicht, aber er hat es verdient. 

Mit diesen Verhaltensweisen katapultieren sich Männer ins Abseits:

Er sagt: "Leite du lieber die Präsentation. Die Kunden schauen doch lieber Dich an." - Nicht okay.

Sie spricht, er unterbricht sie und zwinkert ihr zu. - Ein respektloses Verhalten. Überhaupt: Ihr im Büro zuzuzwinkern, ist nicht okay. Lächle sie doch einfach nur an und sei freundlich.

Er drängt sich im vollen Fahrstuhl an sie, seine Hand streift wie zufällig ihre Hüften und ihren Po. - Natürlich nicht okay. 

Am Kopierer streift er ihren Arm. - Frauen einfach so zu berühren, egal wo, ist nicht okay.

In der Kantine steht er sehr dicht hinter ihr, sie spürt seinen Atem im Nacken. - Nicht okay.

Sie kommt zu einer Besprechung ins Büro, er fragt sie, was für eine Art Unterwäsche sie trägt. - Nicht okay.  

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie gilt natürlich auch in die andere Richtung. Allerdings nehme ich weibliches Fehlverhalten häufig weniger als tätlich wahr, dafür psychisch subtiler. Dies ist kein starrer Verhaltens-Knigge für den Büroalltag: Denn der führt weder zu einem respektvolleren Umgang miteinander noch zu einem neuen Bewusstsein gegenüber Alltagssexismus, sondern ins Nichts. 

Kleiner Tipp zum Schluss: Behandle deine Kollegin wie deinen Kollegen. Und: Wenn du darüber nachdenken musst, ob du diesen Spruch jetzt bringen kannst, ob diese Art der Berührung okay ist, dann solltest du lieber schweigen und erst recht die Finger von ihr lassen.