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Merkel und Hollande stehen im Regen

Kay-Alexander Scholz9. Mai 2014

Als besondere Geste zeigt die Kanzlerin Frankreichs Präsident ihren Wahlkreis. Beim maritimen Sightseeing wollen sie ihre Freundschaft festigen und schöne Bilder produzieren. Doch nicht nur das Wetter schlägt quer.

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Merkel und Hollande in Sassnitz (Foto: Jens Büttner/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Kronprinzenpaar aus Norwegen, das aus Dänemark und die Bushs - sie alle waren schon zu Gast in Angela Merkels Wahlkreis an der Ostsee. Solche informellen Besuche sollen schöne und starke Bilder inszenieren. Und sie bieten die Gelegenheit, sich untereinander frei vom strengen Besuchsprotokoll auszutauschen. Nun also bekommt auch Franҫois Hollande die Ehre. Der französische Präsident kann so eine Gelegenheit gut gebrauchen.

Hollande und Frankreich im Stimmungstief

Die Umfragewerte des Sozialisten in der französischen Bevölkerung sind historisch niedrig. Und Hollandes aktuelle Politik sorgt auch in der eigenen Partei für heftigen Gegenwind: Das jüngst beschlossene 50-Milliarden-Sparprogramm - der "Pakt der Verantwortung" - wird von vielen nicht mitgetragen. Die Christdemokratin Merkel dagegen findet den Weg Hollandes richtig und verweist auf die Erfolge des deutschen Reformkurses. Nur durch harte Reformen kann der "kranke Mann Europas" nach deutscher Ansicht wieder Fuß fassen und die hohe Arbeitslosigkeit und das Staatsdefizit bekämpft werden.

Für die deutsch-französische Achse ist es wichtig, dass beide Länder - ökonomisch und politisch - nicht weiter auseinanderdriften. Sie bilden den Kern Europas, auf den die anderen Staaten blicken, in der Eurokrise und jetzt auch in der Ukraine-Frage. Zuletzt gab es wieder einige gemeinsame Erfolge: bei der Bankenunion, der Krim-Politik und der geplanten Finanztransaktionssteuer. Gemeinsame Bilder an der schönen Ostseeküste könnten also ein Signal sein, dass Hollande und Merkel es mit einer deutsch-französischen Annäherung ernst meinen.

Gemeinsamer Wahlkampftermin

Leider ist das Wetter an der Ostsee eher durchwachsen, strahlende Bilder im Sonnenschein wird es wohl nicht geben. Beim Besuchsauftakt am Hafen von Sassnitz auf der Insel Rügen regnete es. Merkel hatte einen Schirm zur Hand, Hollande zunächst nicht. Im Gedränge zwischen Journalisten, Sicherheitsleuten, Mitarbeitern und klatschenden Passanten übersah die Kanzlerin, ihren Gast unter den "Rettungsschirm" zu nehmen. Doch Hollande ließ sich nichts anmerken. Er freue sich, den 9. Mai, also den Tag Europas, mit der Kanzlerin gemeinsam verbringen zu dürfen und bedankte sich für die "schöne Geste". In entspannter Atmosphäre wolle er mit Merkel darüber reden, wie ein "gemeinsames Europa gebaut" werden könne. Und natürlich werde man über die Ukraine reden. Merkels beließ es bei begrüßenden Worten und sagte, sie freue sich darauf, ihre Heimat zu zeigen.

Merkel und Hollande in Sassnitz (Foto: Reuters)
Folklore und Fakten: Beim gemeinsamen Wochenende soll auch das weitere Vorgehen in der Ukraine-Krise Thema seinBild: Reuters

Der Besuchstermin liegt nur zwei Wochen vor der Europawahl. Sozialisten und Konservative in ganz Europa hoffen, dass die Rechtspopulisten nicht allzu stark abschneiden. Gerade in Frankreich ist die Angst groß, dass der Front National viele Stimmen bekommt. Aus Deutschland werden höchstwahrscheinlich rechtspopulistische Politiker der "Alternative für Deutschland" (AfD) ins Europaparlament einziehen. Merkel will die Partei, deren Namen sie öffentlich noch nie in den Mund genommen hat, mit positiven Nachrichten aus Europa bekämpfen. An der Ostsee wäre eine Gelegenheit dazu.

Der ungebetene "dritte Gast"

Doch an den im fernen Osten gelegenen Küsten der Ostsee, in Russland, wird Europa gerade mächtig herausgefordert. Präsident Putins aggressive Politik in der Ukraine wird die Gespräche zwischen Merkel und Hollande überlagern. Beide Länder müssen sich über Sanktionen abstimmen, sollte die Situation weiter eskalieren und die Präsidentschaftswahl am 25. Mai wackeln. Und sie müssen sich einig sein, um die anderen EU-Staaten überzeugen zu können.

Merkel und Hollande in Sassnitz (Foto: Reuters)
Fans mit Fahnen: Am Hafen von Sassnitz auf Rügen grüßten Passanten Kanzlerin und Präsident von FerneBild: Reuters

Zeit für längere Gespräche darüber haben die beiden mächtigsten Politiker Europas zunächst bei einer gemeinsamen Schiffsfahrt zu den Kreidefelsen von Rügen, der berühmtesten Sehenswürdigkeit der deutschen Ostseeküste. Danach findet ein gemeinsames Abendessen im schmucken Seebad Binz statt, auf jeden Fall steht Fisch auf der Speisekarte. Leichte Küche schmeckt der Kanzlerin gerade gut. Denn sie macht Diät, sichtbar hat sie bereits einige Pfunde verloren.

Süß-saures Gastgeschenk

Am zweiten Besuchstag zeigt Merkel Hollande die Altstadt von Stralsund, eine alte Hansestadt. Die schmucken Häuser gehören seit 2002 zum Unesco-Weltkulturerbe. In einem davon hat die Bundestagsabgeordnete Angela Merkel ihr Wahlkreisbüro, in dem sie als Kanzlerin mit Hauptwohnsitz Berlin allerdings für regelmäßige Bürgersprechstunden nicht zur Verfügung steht. Aber sie telefoniere viel, heißt es.

Im Rathaus soll Hollande sich ins Gästebuch eintragen und ein Fass der berühmten Bismarck-Heringe überreicht bekommen. Die süß-saure Spezialität wurde um 1871 in Stralsund erfunden und nach Reichskanzler Otto von Bismarck benannt, eine wahrhaft staatsmännische Speise also. Im Anschluss bekommt Hollande eine kunsthistorisch wertvolle Bibel präsentiert, die im 13. Jahrhundert in Frankreich verfasst und im 17. Jahrhundert in Stralsund gebunden wurde, ein deutsch-französisches Kunstwerk, das schon viele Jahrhunderte überdauert hat.

Erst danach werden Merkel und Hollande vor die Presse treten und sich zu politischen Geschehnissen äußern. Möglicherweise wird es auch eine gemeinsame Erklärung geben.