1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel: "Pandemie ist eine Jahrhundertkatastrophe!"

21. Januar 2021

Die Bundeskanzlerin spricht in der Bundespressekonferenz in Berlin über die Corona-Pandemie. Und wirbt noch einmal für ein gemeinsames Vorgehen auch in Europa.

https://p.dw.com/p/3oET9
Deutschland Coronapandemie Pressekonferenz Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bild: Michael Kappeler/dpa/picture-alliance

Punkt 11 Uhr an diesem Donnerstag ist sie da, die Bundeskanzlerin, äußerlich entspannt und ruhig wie immer. Kurzfristig hat sie sich angekündigt vor der Bundespressekonferenz in Berlin, das Thema lautet: "Die aktuelle Lage." Und das heißt in diesen Wochen und Monaten: Corona. Es sind weniger Journalisten als sonst gekommen, wegen der Pandemie dürfen nicht alle Stühle im Saal belegt sein.

"Das sind nicht einfach Zahlen"

Merkel möchte Einiges klarstellen, soviel ist sicher. Die Menschen nicht nur in Deutschland sind die Pandemie und die Beschränkungen leid. Fast täglich gibt es neue Forderungen nach neuen Beschränkungen oder Öffnungen, je nachdem. Viele Menschen haben längst den Überblick verloren.

Es ist offensichtlich: Merkel spricht weniger zu den Pressevertretern, sie spricht zu den Menschen. Etwa wenn sie an die täglichen Todeszahlen erinnert, an die sie sich nicht gewöhnen möchte: "Das ist furchtbar. Allein heute wieder über 1000 Menschen. Das sind nicht einfach Zahlen. Das sind Menschen, die in Einsamkeit gestorben sind, das sind Schicksale, das sind Familien, die um sie trauern."

Merkel als Corona-Zuchtmeisterin

Merkel warnt und fordert härtere Maßnahmen, die Partner im Inland und auch in der EU wollen ihr da nicht immer folgen. Merkel, die Zuchtmeisterin also. Ein Beispiel sind eventuelle Kontrollen an den Grenzen, womöglich sogar Schließungen. Die meisten Politiker im In-und Ausland wollen das möglichst vermeiden, 30 Prozent der Europäer wohnen in Grenzregionen, Schließungen wären eine weitere Zumutung in der Pandemie. Ganz ausschließen will Merkel das dennoch nicht: "Wenn ein Land mit einer vielleicht doppelt so hohen Inzidenz wie Deutschland alle Geschäfte aufmacht und wir haben sie noch zu, dann hat man natürlich ein Problem."

Österreich | Grenzübergang Klingenbach
Gibt es bald wieder Grenzkontrollen in der EU, wie hier im Herbst 2020 zwischen Ungarn und Österreich? Oder gar Schließungen? Bild: Robert Jäger/APA/picture alliance

Kurzes Nachdenken, und dann weiter: "Ich verlange von den Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland eine Menge. Geschlossene Schulen, geschlossene Geschäfte. Geschlossene Restaurants. Keine Kunstveranstaltungen. Dann ist es doch natürlich, dass ich nicht offenen Auges zusehen kann, dass - wenn woanders ganz anders gehandelt wird - wir dann sagen: Na gut, dann können die Deutschen mal in ein Nachbarland fahren."

Eine Jahrhundert-Katastrophe

Merkel appelliert noch einmal, den Kampf gegen das Coronavirus möglichst gemeinsam und nachvollziehbar zu gestalten, in Deutschland und zusammen mit den Nachbarländern: "Diese Pandemie ist eine Jahrhundert-Katastrophe im Sinne einer Naturkatastrophe. Diese Pandemie wird mit Recht von allen als eine Zumutung empfunden: Es wäre doch ganz verwunderlich, wenn da nicht wirklich auch die Geduld auf eine extrem harte Probe gestellt wird und das ist uns doch auch bewusst."

Probleme mit Impfstart und Mutationen

Zuletzt gab es einige beunruhigende Informationen aus dem Kanzleramt, auch das war sicherlich ein Grund, warum Merkel nun die Öffentlichkeit sucht. Merkel sei es leid, so war zu hören, dass immer sie die schlechten Nachrichten zu überbringen hat, was das Coronavirus angeht. Die Zahl der neuen Infektionen ist immer noch hoch, auch wenn sie in Deutschland leicht sinkt.

Schulen und Kitas sind zu, Restaurants und Bars schon lange, es gibt harte Kontaktbegrenzungen für die Menschen. Alles Ideen der Kanzlerin, so schreiben manche Journalisten in Deutschland. Der Impfstart läuft schleppend, die Angst, dass sich die gefährliche Mutation des Virus auch in Deutschland breitmacht, beschäftigt Merkel jeden Tag. Und einige Ministerpräsidenten machen sich dann für Lockerungen der Beschränkungen stark.

Deutschland Angela Merkel verkündet neue Corona-Beschlüsse
Berliner Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD, links), Merkel und Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) diese Woche in Berlin - So mancher Ministerpräsident folgt ihr längst nicht immerBild: Hannibal Hanschke/REUTERS

Kanadas Premier plaudert über Merkel

Noch einmal ist der Lockdown in Deutschland verlängert worden diese Woche, bis Mitte Februar, und um Schul- und Kita-Schließungen haben sie hart gerungen, Angela Merkel und die Länderchefs. "Ich lasse mir nicht anhängen, dass ich Kinder quäle", soll Merkel während der mehrstündigen Diskussion am Dienstag gesagt haben. Ungewöhnliche Töne der sonst stets besonnenen Frau, die Deutschland seit bald 16 Jahren regiert.

Und dann ist da auch noch Kanadas Regierungschef Justin Trudeau, der auch wegen Corona in seiner Heimat eine Ansprache an sein Volk hielt und ganz locker über ein Telefonat mit Merkel in dieser Woche sprach. Das ist etwas, was Merkel gar nicht mag, die stets auf äußerste Diskretion pocht, wenn sie mit internationalen Partnern telefoniert.

Kanada Ottawa Premierminister Justin Trudeau während Fragestunde im Parlament
"Sie hat sich über Kritik an ihr in den deutschen Medien beschwert!" - Kanadas Premier Trudeau plaudert sehr locker über ein Telefonat mit MerkelBild: Blair Gable/Reuters

Trudeau wörtlich: "Ich hatte gestern ein wunderbares Telefonat mit Angela Merkel, in dem sie sich gewissermaßen beschwerte, dass sie jeden Tag in deutschen Medien kritisiert wird, weil es nicht so gut läuft wie in Kanada." Es gibt also genug Gründe, richtig genervt zu sein.

Viele Übereinstimmungen mit Biden

Ganz gut also, dass Merkel jetzt auch nochmal zum neuen US-Präsidenten Joe Biden gefragt wird. Nein, sie habe nach seinem Amtsantritt noch nicht mit ihm telefoniert, so die Kanzlerin. Aber der schon vollzogene Wieder-Beitritt der USA zum Pariser Klima-Vertrag und zur Weltgesundheitsorganisation WHO stimme sie optimistisch. "Es gibt einfach mit Präsident Biden einen viel breiteren Raum von politischer Übereinstimmung" sagt sie dann. Immerhin.

Das Problem Donald Trump ist erst einmal Geschichte, die Pandemie beschäftigt die Kanzlerin schon genug. Nach gut einer Stunde fährt Angela Merkel zurück ins Kanzleramt, wo an diesem Abend der nächste Termin ruft: Videokonferenz mit den EU-Partnern. Das Thema, was sonst: Corona.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen