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Merkel fordert von EU faire Lastenteilung

Bernd Riegert15. Oktober 2015

Die EU-Regierungschefs streiten bei ihrem erneuten Flüchtlingsgipfel ums Geld. Alte Beschlüsse wurden nicht umgesetzt. EU-Kommission und die deutsche Kanzlerin fordern mehr Engagement. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Berlin Bundestag Angela Merkel Rede Flüchtlinge OVERLAY
Bild: Reuters/H.Hanschke

Nur drei Wochen nach ihrem Flüchtlings-Sondergipfel treffen sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU erneut in Brüssel, um Bilanz zu ziehen und weitere Schritte zu beraten. Die Bilanz fällt aus der Sicht der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments bescheiden aus. Die Beschlüsse des Sondergipfels seien von den Mitgliedsstaaten nicht wie versprochen ausgeführt worden, bemängelte der Chef der EU-Kommission, Jean Claude Juncker, kurz vor dem Treffen.

"Es fehlt uns bis heute an den notwendigen verbindlichen Einlassungen der Mitgliedsstaaten in Sachen Personalaufstockung in Griechenland und anderswo", sagte Juncker. Von 1100 benötigten Experten aus den Mitgliedsstaaten für die Grenzschutzagentur Frontex und die Asyl-Behörde EASO sind nur rund zehn Prozent gemeldet worden. Auch beim Geld für verschiedene Hilfsfonds hapere es noch. "Insgesamt fehlt uns doch eine beeindruckende Geldmenge. Die Mitgliedsstaaten sind im Verzug." Sie müssten im Laufe des Tages, so sehe er das, über die 2,25 Milliarden Euro, die fehlen, entscheiden.

Jean-Claude Juncker und auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, machen sich Sorgen, um die Glaubwürdigkeit der europäischen Regierungschefs und der Europäischen Union insgesamt. Nach Gipfeln könnten Regierungschefs die Beschlüsse nicht erst verkünden und dann nicht umsetzen. "Und dann heißt es, Europa habe nicht geliefert", mahnte Schulz. "Das geht nicht. Das geht so nicht!"

Merkel fordert mehr Engagement der anderen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die übrigen Mitgliedsstaaten auf nachzulegen. Sie hoffe auf deutliche Signale, dass alle Länder bereit seien, ihre Verpflichtungen zu erfüllen und Personal zu stellen, sagte Merkel beim Eintreffen in Brüssel. "Es ist ja offensichtlich, dass einige wenige Länder im Moment sehr viele Flüchtlinge haben. Wenn die dann auch noch alles Personal stellen müssen an den Außengrenzen, dann wäre das, glaube ich, nicht das, was wir unter einer fairen Lastenteilung verstehen." Zur Lage der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sagte die Kanzlerin, sie sei ungeordnet. "Wir brauchen deshalb mehr Ordnung und mehr Steuerung."

Täglich kommen Tausende über die Balkan-Route aus Griechenland (Foto: AFP)
Von Österreich nach Deutschland: Täglich kommen Tausende über die Balkan-Route aus GriechenlandBild: Getty Images/AFP/C. Stache

Hotspots und Verteilung laufen an

Die EU braucht das zusätzliche Personal um bis Ende des Jahres zusätzliche Registrierungsstellen für Flüchtlinge, so genannte Hotspots in Griechenland und Italien, einzurichten. Zusätzlich müssen Griechenland und Italien mehr dauerhafte Unterkünfte für Flüchtlinge schaffen. Zurzeit werden die Flüchtlinge und Asylbewerber über die Balkan-Route nach Deutschland weitergelassen. Die Staats- und Regierungschefs hatten mehrfach beschlossen, die Sicherung der Außengrenzen der EU zu verstärken oder überhaupt zu ermöglichen. Kanzlerin Merkel sieht in einer Kontrolle der Außengrenzen in Griechenland und Italien den Schlüssel zur Lösung.

Was aber dann mit den Flüchtlingen in Griechenland und Italien passieren soll, ist unklar. Die Umverteilung von Flüchtlingen nach einem festen Schlüssel hat in Italien mit einem ersten "Probeflug" nach Schweden begonnen. 19 Menschen aus Eritrea wurden umgesiedelt. "Damit haben wir die Abläufe geübt. Jetzt funktioniert es und wir können die Zahlen steigern", sagte ein Mitarbeiter der EU-Kommission in Brüssel.

In den kommenden zwei Jahren will die EU 160.000 Personen verteilen. Bislang ist das keine dauerhafte Lösung, sondern eine Notfallmaßnahme, die nur ein erster Anfang sein könne, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung vor dem Gipfeltreffen der EU im Parlament in Berlin. Die Umverteilung, an der bislang nur sechs Staaten als Empfängerländer teilnehmen, war gegen den Willen osteuropäischer EU-Mitglieder durchgesetzt worden.

Reform der europäischen Asylgesetze soll vorgezogen werden

Angela Merkel im Bundestag (Foto: Reuters)
Juncker: Mitgliedsstaaten sind im VerzugBild: Reuters/Y. Herman

Der ungarische Ministerpräsident Victor Orban hatte an der EU-Außengrenze Ungarns zu Serbien einen Zaun bauen lassen und eine Transitzone für Flüchtlinge eingerichtet, in der binnen Tagen über Abschiebung oder Asyl entschieden werden kann. Orban besteht darauf, dass er sich nur an geltendes EU-Recht halte. Nach der sogenannten Dublin-Verordnung ist der EU-Staat für Asylbewerber zuständig, in dem diese zuerst ankommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande hatten die Dublin-Regeln letzte Woche in einer Rede im Europäischen Parlament allerdings für "überholt" erklärt.

Nach den Dublin-Regeln könnte Deutschland die Tausenden Flüchtlinge, die täglich ankommen, nach Österreich oder Griechenland zurückschicken. Bundeskanzlerin Merkel hält das für völlig impraktikabel. Das Bundesland Bayern fordert jedoch genau das. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten bereits beschlossen, bis zum März 2016 Reformvorschläge für die Dublin-Regeln zu erarbeiten. "Das wird jetzt schneller gehen", kündigte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf die Frage eines Journalisten in Brüssel an.

Verhandlungen mit dem Schlüsselland Türkei

Der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, verhandelt unterdessen in Ankara mit der türkischen Regierung über eine bessere Zusammenarbeit: Die EU möchte erreichen, dass möglichst viele syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in den riesigen Lagern in der Türkei bleiben. Die Türkei soll außerdem die Tätigkeit von Schleusern, die syrische Flüchtlinge nach Griechenland schaffen, unterbinden. Im Gegenzug könnte die Türkei Visa-freies Reisen für ihre Bürger und mehr finanzielle Hilfen erhalten. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras schlug die Einrichtung von "Hotspots", also Registrierzentren für Flüchtlinge auf türkischem Boden vor, was rechtlich eigentlich ausgeschlossen ist. Griechenland weigert sich nach wie vor gemeinsame Küstenschutz-Patrouillen mit der Türkei in der Ägäis einzurichten.