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Politik

Ohne Verhandlungen droht Myanmar der Abgrund

10. März 2021

Das Militär in Myanmar versucht die Proteste mit Gewalt zu ersticken. Die Demonstranten halten dagegen. Keine Seite will verhandeln. Doch ohne Gespräche gibt es keine Lösung, meint Rodion Ebbighausen.

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Ein Demonstrant in Myanmar mit einem Schutzhelm für Arbeiter hinter einen Schutzschild, auf dem zwei durchkreuzte Porträts des Militärführers Min Aung Hlaing aufgeklebt sind
Demonstranten gegen gegen den Militärputsch nutzen inzwischen Schutzschilde, wie sie auch die Polizei hatBild: AP/picture-alliance

Myanmar steht vor dem Kollaps. Seit das Militär am 1. Februar geputscht hat, gehen hunderttausende Menschen im ganzen Land auf die Straße. Die Bewegung zivilen Ungehorsams (CDM) legt das tägliche Leben lahm. Ein Untergrundparlament, das CRPH, hat sich gebildet und bezeichnet das Militär als Terrororganisation.

Das Militär wiederum will den Willen der Demonstranten mit allen Mitteln brechen. Es tötete bisher mindestens 55 Demonstranten, schaltet in der Nacht das Internet ab und verschleppt Menschen aus ihren Wohnungen.

Politik als Zweikampf

Die Fronten sind versteinert. Keine Seite will nachgeben. Als Ende Februar die indonesische Außenministerin Retno Marsudi eine Reise nach Myanmar ankündigte, um sich mit der Militärführung zu treffen, wurde dies von den Demonstranten als Verrat gesehen. Die Außenministerin Indonesiens würde den Militärs damit Legitimität verleihen. In Yangon versammelten sich Tausende vor der Botschaft Indonesiens. Retno Marsudi sagte die Reise schließlich ab.

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DW-Redakteur Rodion EbbighausenBild: DW

Mit der Verweigerung jeder Form von Gesprächen wiederholt sich in Myanmar ein altbekanntes Muster. Der Mangel an Kommunikation und die Weigerung, einen Kompromiss wenigstens zu suchen, prägen die Politik des Landes seit Jahrzehnten. Politik in Myanmar ist Kampf und kennt nur einen Sieger.

Auch die aktuelle Lage ist in wesentlichen Teilen diesem Mangel an Verhandlungsbereitschaft zuzuschreiben. Militärführer Min Aung Hlaing und die zivile Führerin Aung San Suu Kyi konnten sich nach den Wahlen vom November 2020 nicht darauf einigen, wie mit dem vom Militär sehr wahrscheinlich zu Unrecht erhobenen Vorwurf der Wahlmanipulation umzugehen sei. Aung San Suu Kyi verweigerte eine Untersuchung, das Militär putschte.

Das Militär ist kein böser Geist

Das Militär ist kein böser Geist, den man mit dem Schlagen von Töpfen und Pfannen vertreiben kann. Es bleibt auf absehbare Zeit die mächtigste Institution im Land und sie wird sich nicht einfach in Luft auflösen. Wer, wie der Großteil der Demonstranten, grundsätzlich das Gespräch mit den Generälen ausschließt, lässt nur einen Weg offen: die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen - bis zum bitteren Ende. 

Demonstration in Mandalay gegen den Militärputsch. Die Demonstranten tragen mehrheitlich Schutzhelme und medizinische Gesichtsmasken. Die Demonstranten in der hinteren Bildhälfte tragen Schilder "Stand with CRPH / We support CRPH"
Die Demonstranten in der Stadt Mandalay unterstützen vorbehaltlos das Untergrundparlament CRPHBild: AP/dpa/picture alliance

Die Demonstranten sagen: Erst müssen wir Demokratie haben, dann gibt es Raum für Kompromisse. Aber nur andersherum wird ein Schuh draus: Der Weg zur Demokratie führt über Kompromisse. Das bedeutet nicht, den Protest zu untergraben. Es bedeutet, den Druck aufrechterhalten und gleichzeitig Gesprächsbereitschaft signalisieren, damit vielleicht noch mehr Sicherheitskräfte - bisher sind es rund 600 Polizisten - auf die eigene Seite überlaufen.

Logik des Militärs

Verhandlungen mögen angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte eine nur schwer erträgliche Perspektive sein. Vielleicht ist es noch zu früh dafür, aber schlussendlich machen wir Frieden mit unseren Feinden und nicht mit unseren Freunden.

Ein Einwand gegen Gespräche lautet außerdem: Das Militär ist betrügerisch und verlogen. Sein Wort zählt nichts. Ohne Zweifel ist das Militär brutal, korrupt und - was die Regierungsführung angeht - inkompetent. Aber es hat sich in der Geschichte des Landes oft mit zynischer Härte an seine Pläne und Ankündigungen gehalten. So wurde etwa 2008 am Wahltermin festgehalten, obwohl der Zyklon Nargis das Land verwüstet und mindestens 140.000 Menschen das Leben gekostet hatte.

Die Generäle folgen einer brutalen Logik, die der Protest nutzen sollte, denn mit Härte allein lässt sich das Militär nicht entwaffnen. Kyaw Zwar Minn, ein Botschafter Myanmars in Großbritannien, der am Montag seine Loyalität gegenüber der zivilen Regierung bekundet hat, hat also recht, wenn er sagt: "Die Antwort auf diese Krise können nur Verhandlungen sein." Leider hat dieser Teil seiner Stellungnahme weniger Aufmerksamkeit erfahren als seine Forderung nach der Freilassung von Aung San Suu Kyi.

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia