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Kampf um das Recht auf Abtreibung in den USA

Kommentarbild Christina Bergmann PROVISORISCH
Christina Bergmann
3. Mai 2022

Nach einem Medienbericht will der US-Supreme Court das Recht auf Abtreibung in den USA zu Fall bringen. Doch so einfach werden sich Frauen das Recht auf Selbstbestimmung nicht nehmen lassen, meint Christina Bergmann.

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Menschen versammeln sich vor dem US-Supreme Court in Washington um gegen die mögliche Abschaffung des Rechtes auf Abtreibung zu demonstrieren. Auf dem zentralen Transparent der Mitte steht "The people are supreme"
Unmittelbar, nachdem der Urteilsentwurf öffentlich wurde, versammelten sich Demonstrierende vor dem Supreme CourtBild: Alex Brandon/AP/picture alliance

Es reicht. Stück für Stück haben die Konservativen in den USA in den vergangenen Jahren das Rad der Zeit zurückgedreht. Sie verabschiedeten Anti-Abtreibungsgesetze in einzelnen Bundesstaaten, die das Recht von Frauen auf Abtreibung, das seit der Grundsatzentscheidung Roe gegen Wade von 1973 gilt, immer weiter einschränkten, es ohne Rücksicht auf die Umstände nahezu unmöglich machten. Und unsere Wut wuchs über die unglaubliche Heuchelei derer, die einerseits angeblich die Freiheit der Einzelnen verteidigen, aber andererseits über ihre intimste Entscheidung bestimmen wollen.

Jetzt nun also der "ganz große Wurf", das Ziel, für das die republikanische Partei sich nicht zu schade war, selbst einem Demagogen wie Donald Trump zu folgen: Wenn der durchgesickerte Urteilstext des obersten US-Gerichts für eine Entscheidung über das strenge Abtreibungsrecht in Mississippi in wenigen Wochen tatsächlich so veröffentlicht und zum Gesetz wird, dann entscheiden eben jene Bundesstaaten wieder allein, ob Abtreibung illegal und strafbar ist. Und nach der Einschätzung des Centers for Reproductive Rights, einer Menschenrechtsorganisation, die sich für die Selbstbestimmung der Frauen einsetzt, bedeutet dies, dass es in mehr als der Hälfte der US-Staaten kein Recht auf Abtreibung mehr geben wird. Teilweise sofort mit dem Urteilsspruch des Supreme Courts.

Die Mehrheit will Roe v. Wade erhalten

Doch die Konservativen sollten sich nicht zu früh freuen. Denn wenn die Rechtslage im Land jetzt wieder in den Zustand von vor 1973 zurückfällt, dann gibt es einen großen Unterschied: Wir Frauen werden uns das nicht gefallen lassen. Und wir haben Verbündete. Die meisten US-Amerikanerinnen und -Amerikaner sind FÜR die Erhaltung des Rechts auf Abtreibung und dagegen, die Entscheidung des Supreme Courts von 1973 aufzuheben. Und diese Meinung ist seit Jahren konstant.

Kommentarbild Christina Bergmann
DW-Redakteurin Christina Bergmann war mehrere Jahre Korrespondentin in Washington

Alle, die für das Recht auf Selbstbestimmung in den 1970er-Jahren gekämpft haben und bisher davon profitierten, werden sich mit jenen zusammentun, denen dieses Recht heute genommen werden soll. Und sich solidarisch zeigen - mit Worten, Taten und Spenden. Es gibt bereits jetzt Mittel und Wege auch für jene Frauen, die in den Staaten mit einem extrem restriktiven Abtreibungsrecht leben, eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Es ist teilweise mühsam und teuer, denn natürlich treffen die Verbotsgesetze der "christlichen" Fundamentalisten vor allem Frauen, die wenig Geld und eine geringe Bildung haben. Aber es ist nicht unmöglich. In vielen US-Bundesstaaten wird Abtreibung weiterhin möglich sein.

Und wir haben noch etwas anderes: die Sozialen Medien. Der Aufschrei, der bereits in der vergangenen Nacht Twitter erschütterte, war nicht zu überhören. Vor dem Supreme Court in Washington gab es Proteste, unmittelbar nachdem die ersten Meldungen über den Urteilsentwurf veröffentlicht wurden. Millionen Frauen - und Männer - in vielen US-Städten, von New York und Washington über Denver bis nach San Francisco werden dagegen Sturm laufen, dass ihr schlimmster Albtraum wohl wahr werden wird. Und sie werden sich organisieren.

Motivation für den Wahlkampf

Außerdem stehen im November Kongresswahlen an. Das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats werden neu gewählt. Bisher waren die Aussichten für die Demokraten nicht besonders gut. Sie haben im Senat nur eine hauchdünne Mehrheit, der Verlust des ebenfalls kleinen Vorsprungs im Repräsentantenhaus wurde schon allgemein vorhergesagt. Wenn jetzt das Recht auf Abtreibung durch das oberste US-Gericht abgeschafft wird, gibt das dem Wahlkampf eine ganz neue Wendung.

Denn wie heißt es schon in der von den Konservativen so gerne zitierten Bibel: Wer Wind sät, wird Sturm ernten.