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Das Corona-Wirtschafts-Monopoly

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Henrik Böhme
30. Oktober 2020

Der neue und nur teilweise Lockdown für Deutschland trifft die Wirtschaft zunächst nicht so hart wie jener im Frühjahr. Trotzdem wird er den Aufschwung deutlich abbremsen, ist Henrik Böhme sicher.

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Ein Arbeiter schweißt beim Maschinenbauer Voith an den Schaufeln einer Wasserturbine
Ein Arbeiter schweißt beim Maschinenbauer Voith an den Schaufeln einer WasserturbineBild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Viele Gastronomen quer durchs ganze Land verstehen die Welt nicht mehr. Die allermeisten haben sich an die strengen Hygieneauflagen gehalten, haben investiert in Outdoor-Heizungen und Lüftungsanlagen, haben Zelte aufgebaut, um einigermaßen durch Herbst und Winter zu kommen - und nun das. Wieder vier Wochen zusperren, keine Gäste. Kein Umsatz. Was danach kommt: ungewiss. Der Unmut ist verständlich. Schwierig wird es allerdings bei dem Argument: Bei uns hat sich keiner angesteckt! (Das sagen auch die Kinobetreiber, die Theater, die Bahn und die Airlines - alles angeblich sichere Plätze.) Genau da liegt aber die Krux. Denn dieses vermaledeite Virus ist zu raffiniert und die Wucht der Welle führt längst dazu, dass man eben kaum noch nachvollziehen kann, wer sich wo angesteckt hat.

Allein schon diese Tatsache ist ein Trauerspiel für eine der größten Volkswirtschaften der Welt, wo Gesundheitsämter zum Teil noch immer per Fax (für die Jüngeren: damit sendet man Dokumente über das analoge Telefonnetz, erfunden schon 1843) ihre Daten an das Robert-Koch-Institut übermitteln. Und Kontaktverfolgung wäre sicher deutlich einfacher, wenn die Corona-Warn-App mehr Daten sammeln dürfte. Wo aber Datenschutz über Gesundheitsschutz steht, ist sowas nicht möglich. Willkommen im digitalen Zeitalter!

Fairer Ausgleich

Doch zurück zur Wirtschaft: Immerhin hat die Bundesregierung gleichzeitig mit der Verkündigung der neuen Maßnahmen auch die Schatulle geöffnet - und schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen. Umsatzverluste sollen (auf Basis des Novembers 2019) bis zu 75 Prozent ausglichen werden. Mal Hand aufs Herz: Das dürfte für viele der Betroffenen ein ziemlich guter Schnitt sein. Denn es ist anzunehmen, dass angesichts der dramatisch zunehmenden Infektionszahlen auch ohne Lockdown nicht mehr allzu viele Leute in die Restaurants gekommen wären  

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Die Zahlen, mit denen der zuständige Branchenverband Dehoga operiert (wonach durch die erneute Zwangsschließung ein Drittel aller Betriebe akut vor dem Aus steht), sind zudem mit Vorsicht zu genießen. Die Wirtschaftsauskunftei Crif Bürgel - die sich Zahlen von über 57.000 Gastro-Unternehmen genauer angesehen hat - sieht derzeit rund 14 Prozent als insolvenzgefährdet an. Für das erste Quartal des nächsten Jahres sei rund ein Fünftel der Betriebe gefährdet. Auch das sind noch Tausende von Jobs, die damit auf der Kippe stehen - deswegen ist die staatliche Hilfe so wichtig, um auch in diesem Sektor so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Ähnliches gilt für den Kulturbereich und die Veranstaltungsbranche insgesamt.

Keine Erholung bei fortschreitender Pandemie

Was aber bedeutet der teilweise Lockdown für die gesamte deutsche Volkswirtschaft? Da sind auch die Auguren vorsichtig mit ihrer Einschätzung. Weil auch sie nicht wissen, was das Virus noch alles anrichtet und ob die drastische Kontaktreduzierung die erhofften Erfolge bringt. Klar ist nur: So eine wunderbare Zahl wie plus 8,2 Prozent (neuer deutscher Rekord) - um so viel ist die deutsche Wirtschaft im 3. Quartal gegenüber dem vorangegangenen Vierteljahr gewachsen - wird es so schnell nicht wieder geben.

Alles in allem wird es entscheidend sein, ob die Leute trotz der Beschränkungen weiter einkaufen gehen (das Konsumklima!), ob die Industrie weiter produzieren kann (wenn nicht zu viele Mitarbeiter krank werden) und ob die ihre Produkte auf den Exportmärkten weiterhin verkaufen kann (denn gerade in unseren Nachbarländern sorgt die Pandemie gerade wieder für große Sorgen). Im Moment jedenfalls sehen die Experten für das laufende Quartal die Gefahr, dass das Wirtschaftswachstum wieder zum Stillstand kommen wird. Für gesamte Jahr dürfte dann wohl ein minus von fünf Prozent oder etwas mehr in den Statistiken stehen. Nicht schön, aber auch kein Drama.  

So bleibt die Pandemie weiter ein gigantischer Lernprozess für alle. Für Forschung und Medizin sowieso, für Politik erst recht, für die Wirtschaft, die hier ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen kann - und für Menschen, die lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Aber klar ist vor allem eines: Bekommen wir die Pandemie nicht unter Kontrolle, kann es keine wirtschaftliche Erholung geben.

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58