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Mehr Frauen wollen ans Steuer

Waslat Hasrat-Nazimi31. August 2012

In der konservativen afghanischen Provinz Ghor haben Frauen das Autofahren für sich entdeckt - zum Entsetzen der Männer. Die Zahl der "mobilen" Frauen in Afghanistan steigt.

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An Afghan woman drives a car in Ghor province in west of Kabul, Afghnistan 23.08.2012. Copyright: DW/Abu Jamal
Afghanistan Frauen AutofahrenBild: DW/Abu Jamal

Es ist jetzt ein Jahr her, seit Angela Sharifi gelernt hat, Auto zu fahren. "Endlich kann ich selbstständig meine Besorgungen erledigen", sagt sie zufrieden. In ihrem grauen Toyota Corolla würde Angela in anderen Ländern nicht auffallen, aber in Afghanistan ist der Anblick einer Frau am Steuer immer noch ungewöhnlich. Viele Männer reagieren fassungslos, wenn sie vorbei fahre, so die 40-Jährige: "Oft sieht man wie sie mit offenem Mund an der Straße stehen, sie können sich vor Erstaunen nicht mehr rühren, als hätten sie einen Geist gesehen. Einige meinen sogar, das sei ein Zeichen für einen bevorstehenden Weltuntergang." Zum Glück würden die Männer sie aber nur anstarren und wenigstens nicht belästigen oder beleidigen, sagt sie und fügt mit dankbarem Ton hinzu, dass ihr Ehemann sie bei den Fahrstunden unterstützt hat.

Männerdominierte Gesellschaft

Angela ist Provinzratsabgeordnete in der zentralafghanischen Provinz Ghor. Sie vertritt die Frauen in ihrer Provinz und weiß, wie man sich in der männerdominierten Gesellschaft durchsetzt. Heute kann sie auch ohne männliche Begleitung zur Arbeit oder zu Provinzversammlungen fahren und ist nicht mehr, wie früher, auf einen Fahrer angewiesen.

Angela Shafiri, mit Tuch um den Kopf, schaut aus dem offenen Autofenster (Foto:DW/Abu Jamal)
Selbstbewusst: Angela Sharifi ist Vorbild für viele FrauenBild: DW/Abu Jamal

Die Gesellschaft der Provinzstadt ist noch besonders stark von der traditionellen Verteilung der Geschlechterrollen geprägt. Männer beherrschen die Öffentlichkeit, Frauen sieht man selten auf den Straßen. Taliban schotten die Provinz weitgehend vom Rest des Landes ab. Die Sicherheitslage ist schlecht, es fehlt an Rechtsstaatlichkeit. Selbst afghanische Männer wagen sich nur selten in die unruhige Gegend.

Zwei Kilometer Asphaltstraße

Für die Frauen der Region ist Angela Sharifi daher ein Vorbild für Mut und Durchsetzungskraft. Viele wollen nun auch das Fahren erlernen, weiß die Provinzratsabgeordnete.

Eine afghanische Frau schaut unter die offene Motorhaube eines Autos (Foto: DW/Abu Jamal)
Das weibliche Interesse am Auto wächstBild: DW/Abu Jamal

Allerdings gibt es bisher nur weniger als zwei Kilometer asphaltierte Straßen in Chaghcharan. In ganz Afghanistan sind es rund 12.000 Kilometer. Sayed Mohammad Hasin Khan, Vorsitzender der Verkehrsamts in Ghor hofft, dass in der Kleinstadt bis zum Herbst zwei weitere Kilometer asphaltiert werden. Dann sollen auch endlich Schilder und Wegweiser angebracht werden. Hasin Khan steht dem neuen Interesse der Frauen an mehr Mobilität positiv gegenüber. Er will Führerscheinprüfungen für Frauen wie für Männer einführen: "Sie sollen für beide Geschlechter gleich sein und keine Unterschiede machen", betont er.

Soziale Revolution

Doch der Verkehrsbeamte ist eine Ausnahme. Der Widerstand gegen Auto fahrende Frauen in der Provinz Ghor ist groß. Viele halten dieses neue Phänomen für absolut unangemessen. Aql Sharif, verantwortlich für den Schutz und die Entwicklung von Frauenrechte bei der Menschenrechtskommission der Provinz Ghor erkennt dennoch einen Fortschritt: "Nach langer Zeit haben einige afghanische Frauen wieder Selbstbewusstsein geschöpft. Das letzte Jahrzehnt hat eine positive Entwicklung gebracht, die für unsere Gesellschaft und die Frauen in unserem Land von Vorteil ist – sogar in Provinzen wie Ghor, wo Frauen traditionell weniger Rechte haben."

Eine Frau fährt auf einer Straße in Afghanistans Provinz Ghor (Foto:DW/Abu Jamal)
"Absolut unangemessen"- viele Männer mauernBild: DW/Abu Jamal

In einem Punkt sind sich Gegner und Befürworter einig: Bis sich die Gesellschaft Ghors an Frauen am Steuer gewöhnt hat, werden diese eine Kuriosität bleiben – als Vorboten der Apokalypse oder als Revolutionärinnen.