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Making of eines Beitrags

Miriam Klaussner6. April 2009

Es ist nicht so leicht, einen Menschen zu treffen, der elektrosensibel ist. Fokus-Europa-Reporterin Miriam Klaussner hat diese Erfahrung machen müssen.

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Miriam KlaussnerBild: Miriam Klaussner

Ulrich Weiner hat keine feste Adresse, keinen Internet-Anschluss, kein Telefon und erst recht kein Handy. Alles was ich weiß: Er lebt in einem Wohnwagen in einem Funkloch in Süddeutschland. Ich möchte den elektrosensiblen Mann treffen - aber wie verabredet mit jemand der weder Telefon noch Email oder eine Postadresse hat?

Die Mission: Interview mit einem Elektrosensiblen

Immerhin: Elektrosensible haben sich in einem Verband organisiert - und die Vorsitzende in Bayern besitzt sogar eine Email-Adresse. Ihr schreibe ich und die Antwort kommt prompt. Allerdings nicht von der Vorsitzenden selbst, sondern von ihrer Bekannten, die ihre Emails verwaltet. Denn die Vorsitzende ist selbst eine Elektrosensible und lebt in einem Funkloch. Ein erster Erfolg: Sie vermittelt mir die Email-Adresse eines Freundes von Ulli Weiner, der seine Mails verwaltet.

Was nun folgt, gleicht einer Irrfahrt durch den Schwarzwald. Dabei hätte es so einfach sein können: Auf meine Frage per Email, ob ich ihn in seinem Wohnwagen im Wald besuchen könnte, schickt mir Ulrich Weiner im Laufe der folgenden Woche sein ärztliches Gutachten, sieben Studien, zwei "Youtube"-Filme, einen Buchauszug, drei Zeitungsartikel und zwei Pressemitteilungen. Was er mir nicht schickt: eine Antwort auf meine Frage, ob ich mit ihm ein Interview führen kann. Nach weiteren Anfragen teilt mir Weiner dann immerhin mit, wann er NICHT kann.

Kommunikationsloch mit dem Funkloch

Ich wusste ja, dass Weiner Freunde hat, die nicht nur seine Emails verschicken, sondern auch für ihn telefonieren. Also schrieb ich ihm eine höfliche Email mit der Bitte, ob er a) mich anrufen könnte oder b) einen Freund bitten könnte, mich anzurufen oder c) mir die Telefonnummer eines Freundes geben könnte. Doch es passierte nichts.

Doch dann die Wendung: Zu meiner Verblüffung bekomme ich eine Email Ulli Weiner. Er schrieb mir allerdings nicht den Ort und Termin für ein Treffen. Er schickte mir eine Mail mit dem Inhalt: Hätte ich mich mit seiner Situation befasst, wüsste ich, dass er nur eingeschränkt kommunizieren könne. Tja, das hatte ich bis jetzt noch gar nicht bemerkt….

Aber immerhin, in einem Nebensatz, schickt er endlich die seit Wochen erhoffte Information, dass er generell zu einem Treffen bereit wäre. Nur die entscheidenden Details - "wann und wo" - fehlen noch immer.

Ein mühsamer Weg zum Treffen

Also noch ein Versuch und dann ist Schluss! Ich schlage Ulrich Weiner ein Datum vor. Klare Frage, klare Antwort. Was kam, war - gar keine Antwort. Das war's dann, dachte ich. Er hatte seine Chance!

Doch ein gesäuseltes "Sie haben Post" aus meinem Computer reißt mich aus meinen Gedanken. Ulli Weiner hat Zeit, mich zu treffen. Den genauen Ort wolle er mir noch mitteilen, aber es soll im Großraum Freiburg sein. Ich organisiere alles, kaufe ein Zugticket und eine Landkarte und warte.

24 Stunden vor der Abfahrt habe ich immer noch keine genaue Adresse. Zwölf Stunden vor Abfahrt: immer noch nichts.

Ich habe nun zwei Möglichkeiten: Entweder ich fahre 400 Kilometer nach Freiburg, in der Hoffnung, dass er mir in den nächsten zwölf Stunden noch mitteilt, wo er gerade wohnt. Oder ich gebe auf.

Die Überraschungen nehmen kein Ende

Doch Ulli Weiner ist immer für eine Überraschung gut: Bei meinem Kollegen in der Redaktion klingelt das Telefon. In der Leitung ist Ulli Weiner und hinterlässt die Nummer eines "Mittelsmanns".

Drei Anrufe später verrät der mir auch Ullis Standort - und ich wäre fast vom Stuhl gefallen: Ulli Weiner ist 200 Kilometer weiter gezogen. Ich buche mein Ticket um und organisiere mir ein Auto. Zur Sicherheit packe ich einen Kompass und meine Thermoskanne ein.

28 Tage, 19 Emails, fünf Anrufe und sechs Stunden Irrfahrt durch den Schwarzwald später stehe ich endlich vor Ulrich Weiners Wohnwagen auf dem Waldparkplatz. Ich klopfe, die Türe geht auf und vor mir steht ein junger Mann mit einem spitzbübischen Grinsen: Ulli Weiner: "Na, hat doch super geklappt!"

Autorin: Miriam Klaussner

Redaktion: Julia Kuckelkorn