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Friedrich der Große

24. Januar 2012

Feldherr und Militarist? Oder großer Geist und aufgeklärter Herrscher? An Friedrich II. scheiden sich noch heute die Geister. Schon zu Lebzeiten war er Legende. Interessant ist er auch 300 Jahre nach seiner Geburt.

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Reiterstandbild Friedrichs des Großen in Berlin (Foto: picture alliance)
Bild: Fotolia/ArTo

Für Buchautor Tom Goeller ist klar: Friedrich war ein herausragender König – "herausragend im Vergleich zu allen anderen". Als Feldherr, vor allem aber als Mensch und volksnaher Regent sei er in vielen Punkten vorbildlich gewesen – von ihm könnten sogar heutige Politiker etwas lernen. Und der Historiker Jürgen Luh meint, Friedrich der Große sei tatsächlich ein Großer gewesen, nämlich auf allen Gebieten überdurchschnittlich: "Er hat gedichtet, philosophiert, musiziert, Kunstwerke und Schlösser hinterlassen – und er war der größte PR-Manager seiner Zeit". Was soviel heißt wie: Der Preußenkönig hat sich selbst noch zu Lebzeiten zur Marke gemacht. "Er war ein Unterhaltungsfaktor, charmant, gebildet, aber auch von sich selbst überzeugt. Friedrich würde heute gut in eine Talkshow passen", meint Luh, der bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in Potsdam arbeitet. "Der Monarch war eine Ausnahmegestalt, ein Multitalent. In der deutschen Erinnerungskultur, aber nicht nur hier, ist Friedrich II. eine feste Größe" – sagt Autor und Historiker Tillmann Bendikowski.

Rebellischer Kronprinz

Friedrich wird in einer düsteren Januarnacht 1712 geboren – ein Lichtstrahl in schwieriger Zeit. Die Dynastie der Hohenzollern hatte nun einen Thronfolger, auf dem alle Hoffnungen ruhten. Freilich erfüllte der Kronprinz diese Erwartungen zunächst nicht. Er war ein zartes, sensibles Kind, das lieber las, mit seiner Mutter und der älteren Schwester Wilhelmine zusammen war, als zu reiten und sich dem militärischen Drill gewohnten Vater anzuschließen.

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Foto: SPSG/ Leo Seidel)
Königliches Musikzimmer in PotsdamBild: SPSG/Leo Seidel

Es kam, wie es kommen musste: Zwischen Vater und Sohn krachte es, der Achtzehnjährige unternahm einen dilettantischen Fluchtversuch, wurde darauf schwer mit Kerkerhaft und väterlichen Schikanen bestraft. Tatsächlich aber zahlte ein enger Freund des Aufmüpfigen die Zeche: Mitwisser Hans Hermann von Katte wurde vor den Augen des Kronprinzen exekutiert.

Zähmung des Widerspenstigen

Was dann folgte, war die zur damaligen Zeit übliche Erziehungsprozedur: Der Wille des Jungen musste gebrochen werden. Zunächst einmal wurde Friedrich auf Befehl des Vaters verheiratet mit Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, eine arrangierte Ehe. Das Paar verbrachte nur wenige glückliche Monate auf dem nördlich von Berlin gelegenen Schlösschen Rheinsberg – dann ging jeder mehr oder weniger seiner Wege. Hier aber entwickelte Friedrich auch seine künstlerischen Vorlieben weiter, widmete sich der Musik, der Philosophie, scharte interessante Menschen um sich, die selbst schrieben, zeichneten, lasen. Und hier entstanden die legendären geselligen Tafelrunden, bei denen sich Intellektuelle der Zeit und der Preußenkönig begegneten, tafelten, tranken und diskutierten. "Später sind diese Tafelrunden nicht mehr so voller Esprit. Die langatmigen Ausführungen des betagten Regenten führen dann gelegentlich dazu, dass die Gäste bei Tisch einschlafen", erläutert Tillmann Bendikowski.

Das erste Porzellanservice, das Friedrich der Große während des Siebenjährigen Krieges für sich in Meißen bestellt hatte, wird auf einer historisch gedeckten Tafel im Marmorsaal, dem wichtigsten Festsaal im Neuen Palais, der Öffentlichkeit präsentiert. (Foto: Nestor Bachmann/ dpa)
Edles Tafelservice aus dem königlichen HaushaltBild: picture-alliance/dpa

Regent und Reformer

Am 31. Mai 1740 ist es dann vorbei mit dem schönen Kronprinzenleben: Der 28-jährige Friedrich wird nach dem Tod seines Vaters Regent, Herrscher von Preußen. Das war kein Staat im heutigen Sinne, sondern ein zerrissener Herrschaftsbereich dort, wo sich heute Berlin, Brandenburg und Polen befinden, mit kleinen westlichen Ausläufern am Niederrhein. Preußen erstreckte sich über mehr als 1000 Kilometer und die verschiedensten Kulturräume, in denen man Deutsch, Französisch, Niederländisch und Polnisch sprach.

Rasch macht sich der neue Regent als Reformer einen Namen, verfügt die Abschaffung der damals üblichen Folter – was in der Praxis nicht ganz gelang -, geht gegen die Leibeigenschaft vor, lässt Getreide an das Volk verteilen, propagiert den Kartoffelanbau und veröffentlicht das berühmte Edikt zur religiösen Toleranz: Jeder solle "nach seiner Fasson" selig werden, heißt es darin. Friedrich hat ein indifferentes Verhältnis zur Religion – aber ein pragmatisches zu den Einwanderern aus anderen Kulturen. Er lässt im protestantischen Preußen Moscheen für muslimische Migranten bauen, eine Kathedrale für Katholiken – nach Auffassung von Tom Goeller war das "absolut einmalig". Kein anderer europäischer Herrscher der damaligen Zeit wäre je auf die Idee gekommen, Andersgläubigen Gotteshäuser zu bauen, glaubt der Buchautor und Journalist.

Feldzüge und soldatischer Drill

Aber es gab auch eine dunkle Seite des Preußenherrschers: Friedrich der Große war ein rücksichtsloser Feldherr, der außenpolitische Interessen mit Hilfe seines hoch gerüsteten und gut ausgebildeten Militärs durchzusetzen suchte. So brutal die Rekrutierung der einfachen Soldaten war, so scheußlich der Drill, so gewaltsam man auch gegen Deserteure vorging – der Monarch, der von seinen Soldaten bedingungslose Unterwerfung forderte, wurde dennoch von seiner Armee bewundert:

Friedrich führte den Oberbefehl in den zahlreichen Schlachten persönlich. Er war auf den Schlachtfeldern anwesend – riskierte, wie manche sagen, gelegentlich sogar sein Leben.

Schlacht bei Zorndorf königlicher Einsatz nach Carl Röchling (Foto: public domain)
Der König in der Schlacht bei ZorndorfBild: www.jadu.de

Der König kannte sich aus in Fragen der Taktik und der Kriegführung – aber er verantwortete auch opferreiche Niederlagen, und seine Siege errang er oft, indem er alles auf eine Karte setzte, ein Hasardeur, auch gegen den Rat seiner Offiziere. Jahrelang führte er Krieg um Gebietsgewinne, verlor und gewann – und war zum Schluss doch ein allseits geachteter und gefürchteter König. Hunderttausende aber, Soldaten wie Zivilbevölkerung, hatten auf preußischer Seite ihr Leben verloren. Friedrich II. herrschte unumschränkt. Und er baute sein Land auf zu einer europäischen Großmacht.

Tod und Nachleben

Ansicht des Schlosses Sanssouci (picture allaince)
Weltkulturerbe SanssouciBild: picture-alliance/dpa

Nach den Kriegen kehrt er als kranker Mann nach Berlin zurück. 51 Jahre ist er – "alle Tage verliere ich einen Zahn und bin halb lahm vor Gicht", schreibt der erschöpfte Monarch. Doch erst 23 Jahre später, am 17. August 1786, ist er in Sanssouci gestorben. Sein Wunsch, neben seinen heißgeliebten Hunden auf der Schlossterrasse begraben zu werden, erfüllt sich zunächst nicht.

Sein Sarg steht in der Potsdamer Garnisonkirche. "Dort, wo er am allerwenigsten liegen wollte, nämlich neben seinem Vater", sagt Historiker Jürgen Luh. Später wird der tote König einige Male umgebettet. Erst 1991 kommt der Sarg nach Sanssouci zurück. Da hatte Friedrich der Große die ideologische Vereinnahmung durch Nachgeborene jeder Couleur schon hinter sich: Die Konservativen aller Zeiten hatten preußische Tugenden und Pflichterfüllung als Leitbild beschworen, deutsche Militärs seine Strategie des "Alles oder nichts" propagiert, nationalsozialistische Politiker hatten ihn für ihre Zwecke und Kriege missbraucht, und in der DDR galt er lange Zeit als feudaler Ausbeuter und Despot. "Heute dürfen wir uns freuen, dass die alles beherrschende Überfigur politisch beigesetzt wurde", sagt Tillmann Bendikowski und bilanziert: "Wir müssen unsere Probleme heute ohne den großen Friedrich lösen. Im Jubiläumsjahr können wir die historische Figur betrachten und niemand muss sich davor fürchten, dass sich beim 300. Geburtstag ein neuer, säbelrasselnder preußischer Geist erhebt."

Autorin: Cornelia Rabitz
Redaktion: Gudrun Stegen