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Lufthansa: Kaum noch Flüge, aber selbstbewusst

19. März 2020

Wegen der Corona-Krise muss die Lufthansa ihre Passagierflüge fast vollkommen einstellen. Mit Blick auf die aktuelle Bilanz glaubt der Konzern aber, besser für diese Krise gerüstet zu sein als die Konkurrenz.

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Flughafen Frankfurt: Lufthansa-Flugzeuge am Boden
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Für 700 ihrer 763 Flugzeuge sucht die Lufthansa derzeit nach Parkplätzen. Sie werden vorerst nicht mehr gebraucht, weil der Konzern ab der nächsten Woche 95 Prozent seiner Flüge streicht. Zuvor hatte das Unternehmen seinen Flugplan schon um mehr als 80 Prozent reduziert. Es bleiben bald fast nur noch Frachttransporte und Rückholflüge, um im Ausland gestrandete Reisende zurück nach Deutschland zu bringen.

Also suchen Lufthansa-Mitarbeiter gerade nach Parkmöglichkeiten für die 700 Maschinen. Auf dem Heimatflughafen Frankfurt am Main, wo ja nicht mehr viel los ist, wird eigens eine Start- und Landebahn gesperrt und als Parkplatz genutzt. Auch der noch nicht eröffnete Flughafen Berlin-Schönefeld (BER) bietet sich als Abstellplatz an, sagte Konzernchef Carsten Spohr.

Eigentlich wollte Spohr am Donnerstag nur über das Geschäft im Jahr 2019 berichten. Das war das drittbeste der Konzerngeschichte, auch wenn der operative Gewinn wegen höherer Spritpreise und schwächerer Weltkonjunktur auf rund zwei Milliarden Euro gesunken ist. Die Corona-Krise zwang Spohr jedoch, fast ausschließlich über die aktuellen Herausforderungen zu sprechen.

"Wir haben derzeit so gut wie keine Buchungseingänge mehr", sagte Spohr. Einzig bei Frachtflügen ist die Nachfrage groß, doch das Geschäft vergleichsweise klein. Rund 2,5 Milliarden Euro Umsatz machte die Logistik-Sparte im vergangenen Jahr, während der Konzern insgesamt 36,4 Milliarden Euro umsetzte. "Der Flugplan von 1955 sah genauso aus wie der, den wir in der kommenden Woche fliegen", fügte Spohr an. 

Auch Rückholflüge für im Ausland gestrandete Touristen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Bundesregierung, die diese Flüge koordiniert, veranschlagt dafür gerade einmal 50 Millionen Euro.

Jede Menge schlechte Nachrichten: Lufthansa-Chef Carsten Spohr
Jede Menge schlechte Nachrichten: Lufthansa-Chef Carsten SpohrBild: picture-alliance/SVEN SIMON/M. Ossowski

Wie lange kann Lufthansa durchhalten?

Und so sieht die Lage für die Lufthansa Group, zu der neben der Hauptmarke Lufthansa auch die Airlines Eurowings, Swiss, Austrian, Brussels und Air Dolomiti gehören, erst einmal ziemlich düster aus: ein gewaltiger Kostenapparat, aber keine Einnahmen.

Wie lange kann das gut gehen? Lufthansa-Chef Spohr wollte sich nicht auf einen Zeitraum festlegen. "Wir wissen nur, dass wir es länger durchhalten als andere", sagte er selbstbewusst. "Unsere Bilanz ist stärker, unser Verschuldungsgrad deutlich geringer als bei den meisten Wettbewerbern."

Aktuell verfügt der Konzern über liquide Mittel von rund 4,3 Milliarden Euro. Hinzu kommen ungenutzte Kreditlinien von rund 800 Millionen Euro.

Jetzt gehe es vor allem darum, die laufenden Kosten zu senken und den Cashflow zu sichern, sagte Lufthansa-Finanzchef Ulrik Svensson. "Durch die Reduzierung der Flugtätigkeit fallen sofort 60 Prozent der Kosten weg", so der Schwede.

Abbezahlte Flugzeuge

Er sieht den Konzern gut gerüstet, auch eine außergewöhnliche Krise wie die jetzige zu überstehen. Ein Vorteil gegenüber vielen anderen Airlines sei, dass der Lufthansa die meisten ihrer Flugzeuge gehören, hohe Belastungen durch Kredit- und Leasingraten also entfallen.

"86 Prozent der Konzernflotte befinden sich in unserem Eigentum und sind weitestgehend unbelastet, was einem Buchwert von rund 10 Milliarden Euro entspricht", so Svensson. Die Maschinen könnten damit als Sicherheit dienen, sollte die Lufthansa zusätzliche Kredite aufnehmen müssen.

Insgesamt will die Lufthansa ihre Fixkosten um rund ein Drittel reduzieren. Allein 750 Millionen Euro betragen monatlich die Personalkosten für die rund 138.000 Mitarbeiter. Für 31.000 von ihnen hat der Konzern bereits Kurzarbeitergeld beantragt, weitere werden sicher folgen.

Kurzarbeit senkt Fixkosten

Dabei bezahlt der Staat rund zwei Drittel der ausgefallenen Nettobezüge. Derzeit verhandelt die Lufthansa mit den Gewerkschaften darüber, ob und wie viel sie noch dazu gibt, damit Mitarbeiter keine oder möglichst geringe Einbußen haben.

"Lufthanseaten sind einzigartig, wenn es um Solidarität geht", sagte Konzernchef Spohr. Er fügte aber in Richtung der Gewerkschaften hinzu: "Je weniger wir (zum staatlichen Kurzarbeitergeld - d. Red.) zuschießen müssen, desto mehr Mitarbeiter können bleiben."

Auch an anderen Stellen wird gespart: Die Dividende für das eigentlich erfolgreiche Jahr 2019 soll gestrichen werden. Der Vorstand verzichtet zudem auf 20 Prozent seiner Grundvergütung sowie vorerst auch auf die Auszahlung der Boni für das vergangene Jahr.

Mit den Flugzeugbauern Airbus und Boeing ist Lufthansa im Gespräch, um Bestellungen zu stornieren oder Zahlungen zu verschieben. "Allerdings sind mit denen derzeit alle Airlines im Gespräch", so Spohr.

US-Airlines haben bereits Staatshilfen in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar gefordert. Spohr sagte dagegen, die Lufthansa werde über das Kurzarbeitergeld und die Stundung von Steuerzahlungen hinaus derzeit nicht um weitere Hilfen bitten.

Allerdings könne sich das jederzeit ändern, wenn sich die Situation verschlimmere, so Spohr. Schließlich wisse derzeit niemand, wann die Krise beendet ist.

Wenn es aber soweit ist, werden die Weltwirtschaft, die Luftfahrtindustrie und auch sein Konzern deutlich geschrumpft sein, ist Spohr überzeugt. "Wir gelangen zu der Erkenntnis, dass die Welt in unserer Branche nach der Krise eine andere sein wird. Wir haben eine kleinere Lufthansa-Gruppe vor uns."

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.