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Lesben lesen "Lubunya"

Das Gespräch führte Mahmoud Tawfik23. Januar 2003

Die weltweit erste internationale Zeitschrift für türkische Lesben und Schwule kommt aus Berlin. DW-WORLD sprach mit Herausgeber Koray Ali Günay über schwule Migranten, bestimmte Koran-Passagen und das Wetter in Berlin.

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Warum eine Zeitschrift speziell für türkische Homosexuelle?

"Lubunya" ist die erste Zeitschrift, die sich mit den Themen Migration und Homosexualität beschäftigt. Das besondere an "Lubunya" ist, dass wir zum Thema "coming out" aus der Migrantenperspektive berichten können, was in anderen schwul-lesbischen Zeitschriften wenig passiert. Meistens kommen Migranten dort einfach gar nicht vor.

Wie besonders ist denn das Leben als homosexueller "Migrant"?

Wenn es um türkische Migranten geht, gibt es eine ganz andere Familienstruktur. Oder es gibt Konflikte, die religiöse Menschen mit dem Islam haben. Es gibt auch das Problem - ganz anders als in christlichen oder post-christlichen Gesellschaften - dass es ganz starke Männer- und Frauenbilder gibt, von denen Homosexuelle natürlich abweichen, was dann auch innere Konflikte bei den Personen verursacht.

Wie wirkt sich das konkret auf einzelne Schicksale aus?

Ich persönlich hatte zwar keine Probleme mit meiner Homosexualität, denn ich habe eine relativ untypische Erziehung genossen, habe sehr liberale Eltern und auch einen sehr liberalen Freundeskreis... aber ich merke über den Kontakt mit Leserinnen und Lesern, wie immens die Schwierigkeiten eigentlich sind. Wenn sie sich dazu überwunden haben, sich selbst ihre Homosexualität einzugestehen und dann versuchen, sich ihrer Familie zu öffnen, dann ist das in der Regel so – nicht immer – dass die Familien ein massives Problem damit haben. Es sind sehr reale Ängste, die Homosexuelle haben. Dass sie dann eben die Wohnung der Eltern verlassen müssen oder finanziell nicht mehr unterstützt werden, dass sie von ihren Freunden isoliert oder in irgendwelche Heimatländer zurückgeschickt werden, in denen sie eigentlich gar keine Kontakte haben. Zwangsverheiratungen sind vor allem bei Lesben ein Problem.

Wie erfolgreich ist "Lubunya"?

Es ist ganz schön zu sehen, dass, wenn jemand aus diesem Kulturkreis in der Öffentlichkeit steht, der sagt: ich bin schwul, dass dann ganz viele Leute kommen und sagen: ja, ich bin auch schwul und ich weiß nicht was ich machen soll, mit meinen Eltern ist es schrecklich oder mit der Religion oder ich bin krank... Eigentlich wäre bei solchen Problemen eine professionelle Beratung notwendig, an die sich auch Eltern wenden könnten. Aber da gibt es in Deutschland kaum ein Angebot für Migranten.

Wie sprechen Sie das Thema Islam und Homosexualität an?

Es gibt Leute, die Probleme haben mit ihrer Religion und die diese auf unseren Seiten schildern. Wir haben auch Experten, die für uns schreiben, z.B. über eine andere Interpretation bestimmter Koran-Passagen. Das alles ein bisschen auf einem semi-professionellen Niveau, aber im Prinzip reicht uns das auch schon. Denn, wir könnten eigentlich auch darüber schreiben, wie das Wetter in Berlin ist, das wichtigste ist, dass es diese Zeitschrift gibt und das wir jeden Monat immer zum Ersten herauskommen. Es ist einfach wichtig, dass die Leute sehen, da sind andere wie ich, die haben die gleichen Probleme wie ich. Es geht nicht darum, ihnen fertige Lebensentwürfe zu präsentieren und zu sagen, ihr könnt Religion so oder so verstehen.

"Lubunya" erscheint monatlich in deutscher und türkischer Sprache. Die aktuelle Ausgabe steht kostenlos im Internet zum Download bereit.