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Lateinamerika: Mehr Marktwirtschaft wagen

Tobias Käufer aus Rio de Janeiro
Veröffentlicht 16. Mai 2024Zuletzt aktualisiert 16. Mai 2024

Nun auch Panama: Der Wahlsieg von José Raúl Mulino bestätigt einen Trend, der sich in Lateinamerika offenbart. Nach Argentinien und Ecuador setzt das Wahlvolk auch in Panama auf einen überzeugten Marktwirtschaftler.

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Panamas Präsident Jose Raul Mulino nach der Stimmabgabe im Wahllokal in Panama City
Wahlsieger in Panama: Jose Raul MulinoBild: DAVID TORO/EPA

Javier Milei will aus Argentinien ein "Mekka des Westens" machen, José Raúl Mulino gewann die Wahlen in Panama mit "La Promesa de Chen Chen" - dem Versprechen von mehr Geld in der Tasche. Und in Ecuador will Daniel Noboa, der aus einer Unternehmerfamilie stammt, das krisengeschüttelte Land wieder in die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückführen. Trotz aller länderspezifischen Unterschiede eint sie die Überzeugung, dass die Marktwirtschaft der Schlüssel zum ökonomischen Aufschwung ist.

Die Wahlerfolge des Trios in den vergangenen sechs Monaten fallen in eine Zeit, in der vor allem die klassisch sozialistisch-autokratisch regierten Länder Venezuela und Kuba in einer tiefen Wirtschaftskrise stecken. Dies führt zu einem Massenexodus in das kapitalistische Ziel schlechthin: die USA. Und auch Bolivien gerät in zunehmend unruhige wirtschaftliche Zeiten.

Mulino setzt auf ein altbewährtes Konzept

In Panama hat Wahlsieger Mulino das Konzept übernommen, das während der Präsidentschaft von Ricardo Martinelli von 2009 bis 2014 als ökonomisch erfolgreich galt. "Mulino setzt wie seinerzeit Martinelli auf Anreize für unternehmerische Initiative und die Akquise von großen Investitionen aus dem Ausland. Damit sollen vor allem infrastrukturelle Großprojekte finanziert und realisiert werden", sagt Winfried Weck von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Panama-Stadt im Gespräch mit der DW. Martinelli war eigentlich der Kandidat der Partei Realizando Metas RM, wurde aber wegen Geldwäsche und Korruption verurteilt, weshalb Mulino für ihn einsprang.

Ricardo Martinelli (M), frühere Präsident von Panama, schüttelt den Sicherheitsbeauftragten vor seinem Haus in Panama-Stadt die Hand.
Ricardo Martinelli, der frühere Präsident von Panama, steht unter HausarrestBild: Arnulfo Franco/AP/dpa/picture alliance

Infrastrukturprojekte sollen Aufschwung bringen

Zu den Großprojekten zählen der Bau einer Eisenbahnverbindung von Panama-Stadt nach David, der zweitgrößten Stadt des Landes in der Nähe der Grenze zu Costa Rica. Auch soll es eine vierte Brücke über den Panama-Kanal geben. Zudem sind Universitäten, mehrere Hospitäler und möglicherweise neue Metrolinien für die Hauptstadt geplant. "Mit einem unternehmerfreundlichen Umfeld auch für ausländische Investoren kann dies durchaus gelingen", prognostiziert Weck. "Die Wahlkampagne war ganz deutlich darauf ausgerichtet, den Menschen Panamas Geld zu versprechen. 'La Promesa de Chen Chen' stellte die zentrale Wahlkampfaussage dar, an der Mulino von der Bevölkerung nun gemessen werden wird."

Erste Anzeichen der Erholung in Argentinien

Was in Panama gelingen könnte, dürfte in Argentinien deutlich schwieriger werden. Zwar gelang es der neuen Regierung um den radikal-marktliberalen Präsidenten Javier Milei in den ersten sechs Monaten, die Inflation von 25,5 Prozent im Dezember auf 8,8 Prozent im April zu drücken. Aufs Jahr gerechnet liegt die Rate dennoch bei horrenden knapp 290 Prozent und gehört damit zu den höchsten der Welt. Aber immerhin bieten Banken erstmals seit längerer Zeit wieder Immobilienkredite an, die auf sehr großes Interesse in der Bevölkerung stoßen. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) zeigt sich mit der Entwicklung zufrieden und hat eine weitere Kredittranche freigegeben.

Argentiniens Präsident Javier Milei
Vorerst scheinen seine knallharten Maßnahmen zu wirken: Argentiniens Präsident Javier MileiBild: Matías Baglietto/picture alliance

Doch trotz der ersten zarten positiven Indizien warnt Lateinamerika-Experte Christian Hauser von der Fachhochschule Graubünden in der Schweiz vor übertrieben Erwartungen. "In Lateinamerika und besonders in Argentinien hat es immer wieder wellenförmige Entwicklungen gegeben. Es gab Boomzeiten und tiefe Wirtschaftskrisen, deshalb gilt es die weitere Entwicklung abzuwarten." Für Hauser ist es wichtig, dass Länder wie Argentinien ihre Wirtschaftspolitik langfristig ausrichten: "Es muss ein ordnungspolitischer Rahmen geschaffen werden, in dem sich ein gesunder Wettbewerb entwickeln kann. Dabei gilt es, den Aufbau von mittelständischen Unternehmen zu fördern und nicht vor allem nach den großen internationalen Konzernen zu schauen", fordert Hauser. Denn der Mittelstand sei entscheidend für die ökonomische Basis eines Landes.

EU-Mercosur-Abkommen könnte regelbasierten Handel ermöglichen

In diesem Zusammenhang wäre auch der Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens, über das seit zwei Jahrzehnten verhandelt wird, ein deutliches Zeichen für beide Weltregionen. "Denn dann würden sich demokratische Länder und Regionen auf eine regelbasierte Zusammenarbeit verständigen, was auch geopolitisch ein starkes Signal wäre." Allerdings müssten dann sowohl die Lateinamerikaner als auch die Europäer in den Verhandlungen Kompromisse eingehen. "Im Moment gibt es ein Zeitfenster, das genutzt werden sollte. Aber das hat es in der Vergangenheit auch schon gegeben", ist Hauser zurückhaltend. Der nächste Anlauf dürfte nach den Europawahlen unternommen werden. Ausgang ungewiss.