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Literatur

Frankfurter Buchmesse: Von Kochbüchern und Biertasting

Jochen Kürten
20. Oktober 2016

Absatzkrise ist hier ein Fremdwort. Das Kochbuch-Segment bei der Frankfurter Buchmesse blüht und gedeiht seit Jahren. Doch es geht nicht nur um Bücher. Ein Rundgang zwischen Verlagskojen und Küchenutensilien.

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Kochbücher auf der Messe: Stand von toskanischem Öl- und Weinanbieter
Bild: DW/J. Kürten

Flämisches Biertasting und Show-Grillen mit dem BBQ-Weltmeister, Knödel-Party und frischer Fisch aus der Dose - auf all das trifft man in Frankfurt. Wohlgemerkt: auf der Buchmesse und nicht auf einer Verkostungs-Messe der Lebensmittelindustrie. Die größte Buchmesse der Welt ist schon lange auch ein beliebter Non-Book-Marktplatz - das Thema Essen & Trinken spielt dabei eine herausragende Rolle.

Essen & Kochen auch ganz ohne Bücher

Das heißt keinesfalls, dass beides nicht zusammengehen kann. Natürlich sind viele deutsche und internationale Kochbuchverlage in Frankfurt dabei - und auch an deren Ständen und Kojen wird zubereitet und ausgeschenkt. Doch in Halle 3 auf der ersten Etage hat sich die "Gourmet Gallery" ausgedehnt. Auf ein paar hundert Quadratmetern wird dort gezeigt, was alles möglich ist in Sachen Genießen und Schlemmen.

Kochbücher auf der Messe: Wurststand mit Artikeln aus Frankreich (Foto: Jochen Kürten / DW)
Ganz ohne Buch: Manche Stände nutzen die Messe um die Besucher kulinarisch zu verwöhnenBild: DW/J. Kürten

"Die 'Gourmet Gallery' hat sich zum jährlichen Treffpunkt der internationalen Koch- und Food-Community entwickelt," sagt Martina Stemann im Gespräch mit der Deutschen Welle. Stemann ist verantwortlich für diesen bunten Messebereich. Nicht nur kleinere und größere Verlage aus dem In- und Ausland sind hier präsent: "Auch Unternehmen, die im weitesten Sinne zur Food-Industrie gehören." Stemann zählt auf: "Küchenausrüster, unterschiedliche Firmen aus der Bio-Szene, private und staatliche Initiativen, die sich für gesunde Ernährung einsetzten, auch Anbieter, die über ihre Produkte ein Buch veröffentlichen und sich dann hier in der Gemeinschaft mit dem Verlag präsentieren."

Bei Kochbüchern ist die emotionale Schiene sehr wichtig

Seit vielen Jahren beobachten Marktexperten, dass sich Kochbücher trotz des digitalen Wandels gut verkaufen. Laut Stemann liegt das daran, dass viele Menschen, die zum Kochbuch greifen, auch entspannen wollen. "Die emotionale Ebene ist dabei sehr wichtig, das Grafische und das Visuelle spielen eine große Rolle."

Kochbücher auf der Messe, DW-Reporter Jochen Kürten im Interview
Im Gespräch: Stephanie Wenzel vom Marktführer Gräfe und UnzerBild: DW/J. KürtenDW/J. Kürten

Geht man in Messehalle 3 ein Stockwerk tiefer und besucht dort die großen Kochbuchverlage, trifft man auf eben jenes "Visuelle". Beim deutschen Marktführer "Gräfe und Unzer" (GU) heißt der Spitzentitel in diesem Herbst "Das Prinzip Kochen", ein schöner und luftig gedruckter, nicht überladen wirkender Band mit vielen Bildern und Zeichnungen zu den Rezepten.

Kochbücher für die Digital Natives

"Das erste und das letzte Kochbuch für Einsteiger: Endlich verstehen, wie's geht - und dann einfach loslegen! Und alles ohne die Hilfe der Eltern", bewirbt der Verlag den aktuellen Spitzentitel. Was damit gemeint ist, erklärt Programmleiterin Stephanie Wenzel gegenüber der Deutschen Welle: "Wir wollen wieder eine junge Klientel ansprechen, die wirklich kochen möchte."

Viele könnten das gar nicht mehr, so Wenzel: "Es ist ein absolutes Grundlagenbuch, das sich vornehmlich an junge Leute richtet." Dort würden 50 Prinzipien vorgestellt, wie man etwas zubereitet. "Ein Kochkurs, der nicht verschult ist!"

Mit Kochbüchern in die Badewanne...

Dass klassische Bücher und die digitalen Medien zwei sehr unterschiedliche Segmente sind, hat man erst lernen müssen. "Unsere Kochbücher werden mit ins Bett genommen, aufs Sofa, in die Badewanne. Das macht man nicht mit einem E-Book", gibt sich Wenzel heute überzeugt. Versuche mit Bloggern, gemeinsam Kochbücher zu entwickeln, hätten nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht.

Bücher werden nicht nur über den Buchhandel beworben

Doch den digitalen Wandel nutzt man natürlich trotzdem. Vor allem bei der Vermarktung. Bei GU ist Florian Landgraf dafür verantwortlich: "Wir gehen natürlich über Facebook, Twitter und Instagram. Die jungen Leute gehen ja nicht mehr in die Buchläden, die bestellen sich die Bücher über Amazon."

Kochbücher auf der Messe: 3 neue Titel von Dorley King
Dorling Kindersley und drei seiner Spitzentitel 2016Bild: DW/J. Kürten

Klassische Kochbücher werden auch beim großen britischen Verlag "Dorling Kindersley" (DK) angeboten. Dessen deutscher Ableger präsentiert den Messestand in Frankfurt. Natalie Knauer, Leiterin PR- und Öffentlichkeitsarbeit, über die Kochbücher von DK: "Die Rezepte in unseren Büchern sollen von jeder Frau und Jedermann nachgekocht werden können, wir haben nicht die abgehobenen Bücher." Der englische Starkoch Jamie Oliver ist bei DK so etwas wie ein Hausautor. Sein neues Buch ist einer der Spitzentitel und man muss kein Prophet sein, um einen Erfolg des schön gemachten Bandes für die nächsten Wochen zu prognostizieren: "'Das 'Weihnachtskochbuch' von Jamie Oliver ist ein sehr persönliches Kochbuch geworden, in dem er seine ganze Kochgeschichte aufbereitet, garniert mit sehr vielen Familienfotos."

Rezepte aus der Hauptstadt und vom Starkoch

Weniger bekannt sind die drei Autoren des Bandes "Berlin - die Hauptstadtküche", ein "Überraschungserfolg", wie Knauer erzählt: "Das Trio zeigt, was kulinarisch derzeit passiert in Berlin." Und auch der Band von Spitzenkoch Alexander Herrmann ("Geschmacksgeheimnisse") passt laut Knauer ins Programmkonzept: "Er ist zwar in der Spitzengastronomie zu Hause, erzählt aber etwas über seine Geschmacksgeheimnisse und hat versucht, herauszuarbeiten, was man alles machen muss, um zum Beispiel die perfekte Frikadelle zu bekommen." Hermann habe es geschafft, "seinen sehr hohen Kochanspruch umzusetzen in ein ganz normales Kochbuch."

Kochbücher zum Verständnis aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen

Neben den vielen auf Kochbücher spezialisierten Verlagen aus dem In- und Ausland trifft man bei der Buchmesse aber auch bei klassischen Belletristikanbietern auf Kochbücher. Die haben freilich einen anderen Anspruch. Ein schönes Beispiel hierfür ist Peter Heines neues Buch "Köstlicher Orient - Eine Geschichte der Esskultur", das gerade bei Wagenbach erschienen ist.

Kochbücher auf der Messe: Titel Köstlicher Orient am Stand von Wagenbach
Der Wagenbach-Verlag bietet Peter Heines Neuerscheinung "Köstlicher Orient" anBild: DW/J. Kürten

Zwar trifft man auch hier auf Rezepte, doch geht es in dem Buch, das ganz ohne Bilder auskommt, eher um eine Kulturgeschichte des Orients. Da werden dann in Kapiteln wie "Rituelles Schlachten", "Warum kein Schweinefleisch?" oder "Fastenregeln" Fragen beantwortet, die gerade heute von bestechender Aktualität sind. Der Islamwissenschaftler Peter Heine, der lange in Münster, Bonn und Berlin lehrte, legt ein profundes Buch vor, das souverän Genuss und Geist miteinander verbindet.

So schlägt das kulinarische Genuss- und Buchangebot in Frankfurt in diesem Jahr tatsächlich eine schier unüberwindliche Brücke: Vom Biertasting zum Alkoholverbot, vom Showgrillen zu ernsten Themen wie "Nahrungsmittel bei streng konservativen Muslimen".

Matthias F. Mangold: Das Prinzip Kochen, Gräfe und Unzer, ISBN 9783833857201

Jamie Oliver: Weihnachtskochbuch, Dorling Kindersley, ISBN 9783831031603

Peter Heine: Köstlicher Orient - Eine Geschichte der Esskultur, Wagenbach, ISBN 9783803136619.