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Kölns Gedächtnis zertrümmert

Sabine Oelze4. März 2009

Das Historische Archiv der Stadt Köln war nicht nur das größte sondern auch das älteste kommunale Archiv Deutschlands. Seine Architektur aus den frühen 1970er Jahren war lange Zeit Vorbild für Archivbauten.

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Das eingestürzte Stadtarchiv wird mit Planen vor Regen geschützt (Foto: AP)
Das eingestürzte Stadtarchiv wird mit Planen vor Regen geschütztBild: AP

Wie ein Vorzeigebau sah das Historische Archiv nicht gerade aus. Mit seiner grauen Granitfassade und den schießschartenartigen Fenstern erinnerte es an eine Mischung aus Festung und auf Funktionalität getrimmten Plattenbau. Es war zwar nicht schön, aber dafür bot es sehr gute Bedingungen für die Aufbewahrung von Archivalien. Die dicken Ziegelsteinmauern garantierten eine ideale Isolation, die hermetische Fassade verhinderte das Eindringen von Licht und sorgte für eine natürliche Klimatisierung. Sechs Stockwerke überirdisch und gigantische Kellerräume, darunter sogar ein atombombensicheres Kabuff, boten beste konservatorische Bedingungen für die Lagerung von Akten, Urkunden, Briefen und Büchern.

Das eingestürzte historische Stadtarchiv Köln
Bild: AP

Es fing an mit einer Kiste

1322 - als das Kölner Stadtarchiv erstmals urkundlich erwähnt wurde - passte es noch in eine einzige Kiste. 100 Jahre später zog es in ein Gewölbe unter dem Rathausturm um. Doch auch da reichte schnell der Platz nicht mehr aus. Im 19. Jahrhundert bekam es ein erstes, eigenes Gebäude in der Nähe der romanischen Kirche St. Gereon. 1971 eröffnete der funktionale Zweckbau in der Severinstraße. 26 Regal-Kilometer waren seit der ersten Erwähnung zusammengekommen. Darunter befanden sich neben amtlichem Schrifttum auch drei Kilometer private Nachlässe. Gerade dieser Fundus, den 700 Kölner Persönlichkeiten zumeist herschenkten, machte die besondere Qualität aus. Die Einmaligkeit lag in der Bandbreite, die Bildende Kunst, Musik, Architektur und Politik umfasste. Darin unterschied sich das Kölner Stadtarchiv von anderen Spezialarchiven wie das in Marbach für Literatur.

Von Böll bis Böhm: 26 Regalkilometer

Bis unter die Decke stapelten sich in den Regalen Urkunden von Königen, Erzbischöfen und Päpsten, der Schriftverkehr der Stadtverwaltung seit 800 Jahren, 221 Briefbücher, 10.000 Testamente, 65 000 empfindliche Pergamenturkunden. Unter den privaten Nachlässen befanden sich Partituren von Jacques Offenbach. Korrespondenzen, Fotos und Bücher des Nestors der deutschen Literaturwissenschaft Hans Mayer. Sie lagerten neben Einladungen zu Fluxus-Events der Künstlerin Mary Bauermeister, Plänen und Entwürfen der Architekten Wilhelm Riphahn, Dominikus Böhm oder Karl Band. Zu den Inkunabeln gehörten die 380 Kartons aus dem Nachlass von Heinrich Böll.

Forscher aus aller Welt studierten Akten im Lesesaal

Für Literaturwissenschaftler waren die handschriftlichen Manuskriptbearbeitungen wichtige Forschungsgrundlage. Wissenschaftler von überallher nutzten das Stadtarchiv in Köln für ihre Arbeit. Die Nachlässe bestanden zum Teil aus Manuskripten in verschiedenen Entstehungsstufen und Korrespondenzen. Auch private Reisekoffer, alte Filmplakate, Herzschrittmacher und sogar Gallensteine sammelten die Mitarbeiter des Archivs. Noch im Aufbau befand sich das Archiv historischer Film-, Video- und Tonaufnahmen. Mehr als 1000 Kassetten, Bänder und Schallplatten waren schon zusammengekommen.

Kriege konnten dem Archiv nichts anhaben

Darunter auch Günter Wands Konzerte aus den 50er Jahren mit dem Gürzenich Orchester für die französische Schallplattenfirma "Le Club Francais du disque". Besonders stolz waren die Archivmitarbeiter auf die 200 Tonbandaufnahmen der Mittwochgespräche, die Gerhard Ludwig zwischen 1950 und 1956 jeden Mittwoch im Alten Wartesaal im Kölner Hauptbahnhof mitgeschnitten hat. Kölns Stadtarchiv hat widrige Zeiten durchgemacht und Kriege überdauert, doch den Bau der Kölner U-Bahn hat es nicht überstanden.