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Kritischer Beobachter: Leon de Winter

Jochen Kürten1. Januar 1970

Der niederländische Schriftsteller Leon de Winter erhielt die diesjährige Buber-Rosenzweig-Medaille. Er gilt nicht nur als großer Erzähler, sondern auch als scharfer Kritiker des islamischen Fundamentalismus.

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Ausgezeichnet: Leon de WinterBild: Picture-Alliance / dpa

Zum Auftakt der "Woche der Brüderlichkeit" wurde dem 51jährigen Leon de Winter am 5. März in Berlin die Buber-Rosenzweig-Medaille der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit verliehen. Die Auszeichnung gilt dem besonderen Engagement für die Verständigung zwischen den Religionen. Geehrt wurde "ein Schriftsteller, der mit Mut und Furchtlosigkeit und auf unkonventionelle Art die Schwachstellen der europäischen Gesellschaft aufzeige", hieß es bei der Preisverleihung.

Leon de Winter schreibt seit Ende der 70er Jahre Romane, Drehbücher und Theaterstücke. In letzter Zeit hat er sich in zahlreichen Zeitungsartikeln und Interviews zum Weltgeschehen geäußert, insbesondere zum Verhältnis der Religionen. In Deutschland schaffte Leon de Winter 1993 seinen literarischen Durchbruch mit dem Roman "Hoffmanns Hunger", der Geschichte eines dickleibigen holländischen Diplomaten im Osteuropa kurz vor dem politischen Umbruch des Jahres 1989. Nach dem Gastland-Auftritt der Niederlande bei der Frankfurter Buchmesse stieg Leon de Winter zu einem europäischen Star der Literaturszene auf. Romane wie "SuperTex", "Serenade" oder "Der Himmel von Hollywood" festigten seinen Ruf als versierter Autor und machten ihn zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller der Niederlande.

"Einwanderer haben Schwierigkeiten mit der Anpassung"

Der 1954 in ´s-Hertogenbosch geborene und heute in Amsterdam lebende De Winter hat früh mit dem Schreiben begonnen und 1976 einen ersten Band mit Erzählungen vorgelegt. Die Bücher De Winters - Sohn niederländisch-orthodoxer Juden - stellen oft Männer in mittleren Jahren in den Mittelpunkt des Geschehens, die auf der Suche nach einem sinnerfüllten Leben sind. Dabei spielen die Themen Judentum, Selbstfindung, Midlife-Crisis, die Auseinandersetzung mit Vater und Mutter, Tod und Trauer eine große Rolle. Die Romane sind konventionell aufgebaut, verzichten auf literarische Experimente und bieten in der Regel ein fesselndes Lektüreerlebnis.

Seit ein paar Jahren hat sich Leon de Winter - oft auch gegenüber deutschen Medien - zu Ereignissen des Weltgeschehens geäußert. Vor allem zu den Konflikten in seinem Heimatland wie den Morden an dem Politiker Pim Fortuyn und dem Filmemacher Theo van Gogh. Auch zum jüngsten Streit um die Mohammed-Karikaturen hat er pointierte Texte verfasst. Immer tritt de Winter vehement als Verteidiger freiheitlich-demokratischer Werte der westlichen Demokratien auf. In einem Interview der Deutschen Welle ging der Autor unter anderem auf die seiner Meinung nach mangelnde Bereitschaft vieler Emigranten ein, sich westlichen Lebensgewohnheiten anzupassen: "Diese Einwanderer - ein Großteil davon - haben sehr große Schwierigkeiten mit der Anpassung an die Kompromissgesellschaft und diese Kompromissfreudigkeit ist natürlich für Holland etwas sehr Wesentliches."

"Keine Sonderbehandlung für Religionen"

Leon de Winter legt großen Wert auf die Verteidigung von Errungenschaften wie Presse- und Meinungsfreiheit. Zum jüngsten Konflikt um die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung äußerte sich de Winter in einem NDR-Interview: "In diesem Fall ist es doch auch wichtig klarzumachen, dass wir in unseren offenen säkularisierten Gesellschaften keine Sonderbehandlungen für Religionen gestatten können! Das ist die Natur, die Seele unsere Art von offener Gesellschaft! (…) Das hätte auch die EU klar machen sollen."

Leon de Winter ist ein streitbarer Geist. Fernab jeder "Political Correctness" scheut der Niederländer auch die scharfe Auseinandersetzung nicht. Mit dem später ermordeten Filmemacher Theo van Gogh lieferte er sich eine beißende Fehde um gesellschaftliche Fragen. Nach dem Tod van Goghs äußerte sich De Winter wenig diplomatisch, der Filmemacher hatte ihn zuvor allerdings auch unter Anspielung auf dessen jüdische Herkunft verhöhnt.

"Wichtiger als die Cartoon-Sache ist der Iran"

Mit seinen offenen und nicht selten zugespitzten Äußerungen hat sich Leon de Winter nicht nur Freunde geschaffen. Doch seine Haltung ist stets konsequent. Für ihn steht die Verteidigung demokratischer Werte und dabei insbesondere die Möglichkeit jedes Individuums sich frei äußern zu können, an erster Stelle.

Leon de Winter ist ein Autor, der versucht, auch bei aktuellen Debatten stets neue Gedankenpfade zu betreten. Die Diskussion um die umstrittenen Mohammed-Karikaturen ist so zum Beispiel für ihn weniger wichtig als die Entwicklung im Iran: "Die Cartoon-Sache ist an sich nicht wichtig, wie viele andere Sachen auch nicht so unglaublich wichtig sind, sogar der Sieg von Hamas. Das am meisten wichtige, der absolute Punkt Nr. 1, ist die Entwicklung der Atomwaffen in Iran."

Die Debatten, an denen er sich in jüngster Zeit beteiligt hat, haben den Romancier Leon de Winter ein wenig in den Hintergrund rücken lassen. Dabei ist der mit der ebenso erfolgreichen Schriftstellerin Jessica Durlacher verheiratete Niederländer ein begnadeter Erzähler - und ein äußerst unterhaltsamer Autor! Wer einmal damit begonnen hat in seine Romanwelt einzutauchen, der kann süchtig werden - nach den literarischen Figuren, dem typischen Erzählton des Holländers und der nicht selten unterhaltsamen Aufbereitung schwieriger und ernster Probleme.

Leon de Winter - Jessica Durlacher
Ein erfolgreiches Schriftstellerpaar: Leon de Winter und Jessica DurlacherBild: Picture-Alliance / dpa