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Krisenprofiteur Putin

Miodrag Soric21. Februar 2003

Zur Rolle Russlands im Vorfeld eines möglichen Irak-Krieges. Ein Kommentar von Miodrag Soric.

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Seit der Gründung der Bundesrepublik galt die enge Partnerschaft mit den USA als unverrückbare Konstante der deutschen Außenpolitik. Jetzt - im Konflikt um einen möglichen Irak-Krieg - ist von einer Achse Paris-Berlin-Moskau die Rede. Hat sich Deutschland damit auf einen Irrweg begeben? Wer profitiert wirklich von der neuen
diplomatischen Allianz? Und wie lange wird sie halten?

Soweit ist es also gekommen: Der russische Präsident Waldimir Putin ermahnt die Deutschen und andere West-Europäer, keinen Anti-Amerikanismus zuzulassen. Verkehrte Welt! Ein gutes Jahrzehnt nach dem Ende des Kalten Krieges ist es ausgerechnet Moskau, der frühere politische Gegenpol Washingtons, der zu vermitteln versucht zwischen einzelnen europäischen Staaten und den USA.

Doch niemand soll sich täuschen: Wenn die USA ihre Kriegsmaschinerie gegen den Irak ins Rollen bringen, wird Putin nicht zögern, sich an die Seite der letzten verbliebenen Supermacht zu stellen.

Noch ist es nicht soweit. Jetzt zeigt der Meisterdiplomat Putin Verständnis für die Bedenken der Deutschen und Franzosen gegen einen Irak-Krieg. Gleichzeitig verkündet er, dass die Positionen Russlands und Chinas in der Irak-Frage identisch seien.

Wenn amerikanische Politiker über jene europäischen Staaten schimpfen, die ihnen in der der Irak-Frage nicht folgen wollen, dann meinen sie in erster Line Deutschland und Frankreich, ein wenig noch Belgien, letztlich aber nicht Russland. Putin hat sich alle Optionen offen gehalten. Das soll ihm in diesen Zeiten diplomatischer Wirren jemand nachmachen!

Schon seit Wochen bewegen sich Staatsoberhäupter,
Ministerpräsidenten und Kanzler auf schwankendem diplomatischem Boden. Was Jahrzehntelang galt, wird infrage gestellt: vor allem die Handlungsfähigkeit, ja die Existenzberechtigung der NATO. Amerika will dieses Bündnis als verlängerten Arm seiner Außenpolitik missbrauchen. Deutschland, Frankreich und Belgien wehren sich dagegen. Das Ergebnis ist eine Blockade, die eigentlich kein
Mitgliedsstaat will, jedoch vor aller Welt deutlich macht, dass die NATO der Gegenwart offenbar nicht gewachsen ist.

Da hilft es nicht, dass NATO-Diplomaten gebetsmühlenartig die gemeinsamen Werte beschwören. Werte alleine taugen nicht als Fundament für ein Bündnis. Es sind gemeinsame Interessen, die Staaten zusammenrücken lassen. Früher war es der so genannte Ostblock, der den Westen - und nicht nur ihn - bedrohte. Nach dem Untergang des roten Imperiums fehlt dem Verteidigungsbündnis der "Kitt", der es zusammenhält.

Der sogenannte internationale Terrorismus taugt nicht als Feind für die NATO. Die neue NATO ist, was die Strukturen betrifft, weitgehend die alte geblieben. Dem Verteidigungsbündnis merkt man immer noch an, dass es einst konzipiert wurde als Abwehr der sowjetischen Bedrohung. Doch Russland bedroht schon lange niemanden mehr. Moskau mutierte vielmehr zum Bündnispartner der Amerikaner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

Letztlich ist Moskau nicht an einer schnellen Lösung des
Irak-Konfliktes interessiert, aus mehreren Gründen. Zum einen hält die ungewisse politische Lage den Erdöl- und damit auch den Erdgaspreis hoch. Russland lebt vom Export von Rohstoffen. Im Klartext: Der Kreml verdient an der gegenwärtigen Krise. Je länger sie anhält, desto länger rollt der Rubel. Ist Saddam Hussein erst einmal bezwungen, wird der Erdölpreis wieder deutlich sinken. Das hat negative Auswirkungen auf die russische Volkswirtschaft.

Russland kann auch nicht wollen, dass ein übermächtiges Amerika alleine die internationale Politik dominiert. Wenn Deutschland oder andere Staaten Sand ins Getriebe der amerikanischen Interessen streuen, dann kann das Putin nur Recht sein. Schließlich haben es viele Russen noch nicht verwunden, dass sie bis vor 13 Jahren als gleichwertige Supermacht auf der diplomatischen Weltbühne auftreten
konnten, jetzt aber bestenfalls als Juniorpartner der Amerikaner von Bedeutung sind.

Und schließlich: Je zerstrittener die europäischen
Staaten in der Irak-Frage untereinander sind, desto mehr werben sie um die Unterstützung Russlands.

Bundeskanzler Gerhard Schröder sollte nicht soweit gehen und eine Sonderbeziehung mit Russland anstreben - quasi als Ersatz für die transatlantische Partnerschaft der letzten Jahrzehnte. Hinweise gibt es dafür, leider. Amerika hat sich in der Vergangenheit als zuverlässiger Verbündeter auch und besonders in Zeiten der Not erwiesen. Deutschlands außenpoltische Verankerung im Westen darf nicht leichtfertig aufgegeben werden. Bundeskanzler Schröder mag es
sich vielleicht leisten können, den Zorn der Amerikaner auf sich zu ziehen. Deutschland jedoch nicht.