Kreuzfahrten: Mit halber Kraft zur Klimaneutralität
29. Februar 2024Als die "MSC Euribia" im vergangenen Sommer in vier Tagen von Saint-Nazaire in Frankreich über Amsterdam nach Kopenhagen schipperte, da feierte die Reederei MSC Cruises das als "die weltweit erste klimaneutrale Kreuzfahrt". Für viel Geld hatte das Schweizer Unternehmen eigens für diese werbewirksam angekündigte Fahrt 400 Tonnen Bio-Flüssigerdgas eingekauft. "Diese branchenweit erste klimaneutrale Reise markiert einen weiteren wichtigen Schritt auf unserem Weg zur Emissionsfreiheit", sagte Pierfrancesco Vago, Executive Chairman der Kreuzfahrtsparte der MSC Group.
Bis 2050 soll die Kreuzfahrtbranche klimaneutral sein
Das erklärte Ziel des Unternehmens nämlich ist es, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutral zu sein. Damit liegt die Reederei auf einer Linie mit der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) sowie dem Verband der Kreuzfahrtbranche Clia, die dieses Ziel ebenfalls ausgegeben haben. Wie der Weg dorthin im Einzelnen aussehen soll, ist allerdings noch völlig unklar. In seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht etwa beschreibt MSC Cruises zwar ausführlich, welche Anstrengungen man zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen unternehme, genaue Zielvorgaben für die nächsten Jahre aber sucht man vergeblich.
Etwas konkreter wird es bei TUI-Cruises. Die Reederei will im Jahr 2030 erste klimaneutrale Kreuzfahrten anbieten und bis dahin den Gesamtausstoß von CO2 im Vergleich zum Jahr 2019 um 27,5 Prozent senken. Voraussichtlich im Juni wird die "Mein Schiff 7" in Betrieb gehen, die perspektivisch mit Methanol fahren soll – im Idealfall mit grünem, aus erneuerbarer Energie hergestellten Methanol. Der Antrieb des Schiffes wird dann zwar nicht emissionsfrei sein, die Klimabilanz aber fällt neutral aus.
Ein Datum für den Schweröl-Ausstieg gibt es nicht
Mit der Formulierung klarer Etappenziele aber tut man sich dennoch schwer. Einen Stichtag für den Abschied vom besonders umweltschädlichen Schweröl beispielsweise gibt es bei TUI-Cruises nicht und auch kein Datum, bis wann die bestehende Flotte auf umweltschonendere Antriebsarten umgerüstet werden soll. "Das hat mit technischer Machbarkeit und mit der Verfügbarkeit alternativer Treibstoffe zu tun", sagt Unternehmenssprecher Lars Nielsen. Es mache schlicht keinen Sinn, einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, ohne dass klar ist, ob dann überhaupt ausreichend alternative Treibstoffe zur Verfügung stehen werden.
Tatsächlich ist bisher noch nicht abzusehen, wie der in Zukunft wachsende Bedarf der Branche nach synthetischen Kraftstoffen gedeckt werden kann. "Aktuell werden E-Fuels nicht kommerziell produziert und auch die bis 2035 angekündigten Anlagen sind zum größten Teil nicht sicher finanziert", heißt es bei der Deutschen Umwelthilfe. "Selbst wenn, könnten mit der weltweit produzierten Menge nicht einmal zwei Prozent des heutigen fossilen Kraftstoffverbrauchs in der weltweiten Schifffahrt ersetzt werden." Dass Reedereien wie TUI-Cruises klimaneutrale Kreuzfahrten ankündigen, ohne Details zu nennen, wie das gelingen kann, sei schlicht "Greenwashing" und "Verbrauchertäuschung". Deshalb hat der Naturschutzverein nun sogar Klage gegen den Konzern eingereicht.
Eine klare Ansage hätte Signalwirkung
Auch Sönke Diesener vom Nabu findet, dass die Kreuzfahrt-Reedereien mehr tun könnten. Das Festhalten am Schweröl etwa sei eine reine Geldfrage. Hier sei der Umstieg auf weniger schädliche Antriebsarten schon jetzt möglich. "Da gibt die Branche wirklich ein sehr schlechtes Bild ab", sagt er. Auch heute noch würden Kreuzfahrtschiffe in Auftrag gegeben, die mit Schweröl betrieben werden. Die Branche müsse auch offener kommunizieren, wie sie es denn anstellen will, bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Eine klare Ansage, dass man in absehbarer Zukunft nur noch klimaneutrale Treibstoffe nutzen möchte, hätte auch für die Hersteller solcher Alternativen Signalwirkung, so Diesener.
Immerhin haben viele Reedereien zuletzt Kooperationen mit Energieunternehmen abgeschlossen, um die Entwicklung alternativer Treibstoffe voranzutreiben. TUI-Cruises etwa unterzeichnete kürzlich eine entsprechende Absichtserklärung mit dem Hamburger Unternehmen Mabanaft. Dort ist Oleksandr Siromakha Head of Sustainable Fuels. Er beschreibt das derzeitige Dilemma wie folgt: "Wenn man heute ein neues Kreuzfahrtschiff bestellt, dass auf den Betrieb mit Methanol ausgelegt ist, dann will man auch sicher sein, dass dieses in ausreichender Menge vorhanden sein wird. Die Methanol-Produzenten dagegen sagen: Wie sollen wir die Investitionsentscheidung treffen, wenn es solche Schiffe noch gar nicht gibt?" Deshalb sei vor allem die Politik gefragt, hier für klare Rahmenbedingungen zu sorgen.
Landstromnutzung ist ab 2030 Pflicht
Tatsächlich macht nun vor allem die EU Druck. Seit Jahresbeginn ist die Schifffahrt in das europäische Emissionshandelssystem eingebunden. Außerdem gibt es verbindliche Quoten, um die die Treibhausgasintensität der von der Branche genutzten Kraftstoffe in den kommenden Jahren sinken muss. Schließlich wird im Jahr 2030 in europäischen Häfen die Nutzung von Landstrom Pflicht. Wann es bei MSC Cruises die nächste klimaneutrale Kreuzfahrt gibt, steht derweil noch nicht fest. "Wir brauchen eine bessere Verfügbarkeit von erneuerbaren Kraftstoffen für die gesamte Schifffahrtsindustrie, um diese Leistung zu wiederholen", sagt Michele Francioni, Senior Vice President of Optimisation der Kreuzfahrtsparte der MSC Group. Vorerst fährt die "MSC Euribia" daher wieder mit ganz normalem Flüssigerdgas.