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Kosovo-Reise im Zeichen wachsender Kritik

Nina Werkhäuser4. Oktober 2004

Verteidigungsminister Struck reist am Montag (4.10.) für einen Tag ins Kosovo, um das deutsche KFOR-Kontingent in Prizren zu besuchen. Nach den Unruhen vom März war der Kosovo-Bundeswehreinsatz in die Kritik geraten.

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März 2004: Unruhen im KosovoBild: AP

Bei der Bundeswehr in Prizren besichtigt Verteidigungsminister Peter Struck am Montag unter anderem eine Übung in "Crowd and Riot Control", also im Umgang mit einer randalierenden Menschenmenge - aus aktuellem Anlass: Als im März aufgebrachte Kosovo-Albaner mehrere Angehörige der serbischen Minderheit umbrachten und viele Häuser zerstörten, wurden die Soldaten der KFOR der Lage nicht Herr. Auch die Bundeswehr war völlig überfordert, als wenige Soldaten in Prizren einer tobenden Menge gegenüberstanden. Struck gestand Fehler ein und versprach Abhilfe.

Falsche Einsatzregeln

Die Mängelliste des Verteidigungsministeriums, die nach den blutigen Unruhen erstellt wurde, war lang: Die Soldaten seien auf solche Gewaltausbrüche mental nicht vorbereitet gewesen und hätten die falsche Ausrüstung gehabt. Die strikten Einsatzregeln seien hinderlich gewesen. Die militärischen Führer hätten Unsicherheiten gezeigt und teilweise nicht gut genug Englisch gesprochen, um sich mit den anderen Kräften abzustimmen. Ein hartes Urteil für die Bundeswehr, die seit Beginn des Kosovo-Einsatzes 1999 noch nie in eine vergleichbare Situation geraten war. Die Opposition, die zuerst nur spärlich über die Vorfälle informiert wurde, reagierte empört.

Schlechte Informationspolitik

Für die Unionsfraktion verlangte der CSU-Abgeordnete Christian Schmidt die Einsetzung eines Untersuchungs-Ausschusses. Neue Nahrung bekam der Streit über das Einsatzkonzept Anfang September: Da erfuhr der Verteidigungsminister mit großer Verspätung und angeblich aus der Zeitung, dass im März auch im Verantwortungsbereich der Bundeswehr ein Serbe ums Leben gekommen war. Das brachte die Informationspolitik der deutschen KFOR-Kommandeure und des Verteidigungsministeriums noch stärker in Misskredit. CDU und CSU nahmen letztlich aber doch Abstand von ihrer Forderung nach einem Untersuchungsausschuss und wollen nun eine "Sonderberichterstatter-Gruppe Kosovo" einrichten.

Kein Routinebesuch

Transall Transportmaschine Bundeswehr Kosovo
Transall-Maschine auf dem Weg in den KosovoBild: AP

Die deutschen Soldaten im Kosovo sind inzwischen mit Tränengas, Pfefferspray, Schlagstöcken und Schutzschilden ausgerüstet worden, um auch ohne Schusswaffen gegen eine gewalttätige Mnschenmenge vorgehen zu können. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die Unruhen vom März haben die Debatte über die politische Zukunft des Kosovo wieder angefacht. Struck selbst hinterfragte den Sinn des KFOR-Einsatzes: "Es kann nicht sein, dass die NATO weitere fünf Jahre 20.000 Soldaten im Kosovo unterhält", sagte er und forderte eine politische Lösung. Sofort schaltete sich Außenminister Joschka Fischer ein und beharrte darauf, dass die Frage der demokratischen Standards vor der Statusfrage gelöst werde. Die Zeiten sind also vorbei, in denen Struck einen Truppenbesuch im Kosovo routiniert abhaken konnte - diesmal werden die Fragen drängender sein.