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Richtungswechsel in Korea

Manfred Götzke19. Dezember 2007

Richtungswechsel in Südkorea: Der Konservative Lee Myung Bak hat die Präsidentenwahl klar gewonnen. Fast 50 Prozent der Wähler stimmten für ihn - trotz diverser Korruptionsvorwürfe.

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Der konservative Präsidentschaftskandidat Lee Myung Bak (Mitte)(16.12.2007, Quelle: AP)
Lee Myung Bak wird neuer Präsident SüdkoreasBild: AP

Das höchste Amt in Südkorea wird ein "asiatischer Berlusconi" übernehmen. Wie der illustre italienische Ex-Premier war der konservative Lee Myung Bak lange Jahre Bauunternehmer. Die wichtigsten Medien stehen - auch wenn sie ihm nicht gehören - voll hinter ihm. Und ähnlich wie Berlusconi ist auch Lee in mehrere Skandale verwickelt - ohne je verurteilt worden zu sein.

Chung Dong Young spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung (17.12.2007, Quelle: AP)
Hatte keine Chance: der Liberale Chung Dong YoungBild: AP

Lee Myung Bak, früher auch Vorstandsvorsitzender des Hyundai-Konzerns, erhielt 48,7 Prozent der abgegebenen Stimmen, wie die Wahlkommission am Mittwoch (19.12.2007) mitteilte. Nach zehn Jahren linksliberaler Politik werden damit die Konservativen wieder die Macht in Seoul übernehmen. Denn Lee und seiner Großen Nationalen Partei (GNP) trauen die Koreaner zu, das derzeit größte Problem anzugehen: das "geringe" Wirtschaftswachstum. Nach jahrelangem Boom liegt die Wachstumsrate bei fünf Prozent. Im Tigerstaat Südkorea bedeutet das gefühlte Depression. Lee will dauerhaft für sieben Prozent Wachstum sorgen.

Die Wahlbeteiligung lag bei 62, 9 Prozent - so wenig wie wie zuvor. Als Grund für das mangelnde Interesse nannten Beobachter allgemeine Wählerapathie. Außerdem hätte die Wähler die Schlammschlacht um die Korruptions- und Betrugs-Affären Lees gestört.

Medien unterstützten Lee

Wähler stehen vor einem Wahllokal (19.12.2007, Quelle: AP)
Geduldiges Warten vor dem WahllokalBild: AP

Lees Beliebtheit bei den Wählern hat dies dennoch nicht geschadet. Was auch an den Medien liegt, die mehrheitlich auf der Seite des konservativen Kandidaten waren, sagt Werner Kamppeter, der Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Südkorea. "Es gibt hier drei große Tageszeitungen, die die Meinungsbildung dominieren. Deren Eigentümer verfolgen eine ihm nahe stehende Linie: eine industrienahe Politik".

In der Bevölkerung hat Lee, der am Tag der Wahl seinen 66. Geburtstag feiert, vor allem als Bürgermeister von Seoul Popularitätspunkte gesammelt. Denn er hat die Stadt verschönert. Sinnbild für die Verwandlung Seouls ist ein kleiner Fluss namens Cheonggye, der heute munter durchs Geschäftsviertel plätschert. "Früher war dieser Bach eine stinkende Kloake, über die in den 60ern eine Stadtautobahn gelegt wurde, die umliegenden Stadtteile kamen so ziemlich herunter", sagt Kamppeter. Lee ließ die Autobahn abreißen, und der Fluss wurde renaturiert.

Regierungskandidat erhält nur 26 Prozent

Ein Mönch gibt seine Stimme ab (19.12.2007, Quelle: AP)
Ein Mönch gibt seine Stimme abBild: AP

Lees populärster Gegenspieler, Chung Dong Young hatte kaum eine Chance: Er erhielt nur 26,2 Prozent der Stimmen. Chung ging bei der Wahl für die regierende "Vereinigte Neue Demokratische Partei" ins Rennen, da Präsident Roh Moo Hyun laut Verfassung nach einer Amtszeit abtreten muss. Sein Hauptproblem: Er musste sich die vergleichsweise schlechten Wirtschaftszahlen ankreiden lassen. "Man ist so fixiert auf die Wirtschaft, dabei sind fünf Prozent Wachstum gar nicht schlecht", sagt Kamppeter. Doch im Land herrsche Wechselstimmung, von der Regierungspartei habe man sich abgewandt.

Und das, obwohl Chung als ehemaliger Vereinigungsminister für den erfolgreichen Annäherungskurs mit Nordkorea stehe. Anfang Oktober erst gab es das zweite innerkoreanische Treffen, bei dem engere wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart wurde. Vor einer Woche bejubelten Koreaner aus Nord und Süd die Einweihung der ersten innerkoreanischen Güterzugverbindung.

Auch Lees Konservative, die vor Monaten noch gegen die Annäherung wetterten, haben umgeschwenkt. Die Popularität dieser Politik ist in der Bevölkerung schlicht zu groß. Zudem würde Südkoreas Wirtschaft von einem Aufschwung im Norden stark profitieren. Schon heute rentiert sich die gemeinsame Wirtschaftszone "Kaesong" an der innerkoreanischen Grenze vor allem für die südkoreanischen Unternehmen.

Stolperstein Affären

Eine südkoreanische Demonstrantin hält eine Kerze in der Hand, im Hintergrund Plakate mit dem Gesicht des Konservativen Kandidaten Lee Myung Bak (17.12.2007, Quelle: AP)
Demonstrationen gegen den Favoriten - in einer Affäre wird neu ermitteltBild: AP

Die größte Schwäche des Wahlsiegers ist seine eigene Vergangenheit. Lee Myung Bak war in einige Korruptions- und Betrugsäffären verwickelt, wurde jedoch nie belangt. Erst vor knapp zwei Wochen stellte ihm die Staatsanwaltschaft einen Persilschein in einer Betrugsaffäre aus. Es wurde ihm vorgeworfen, an Aktienmanipulationen beteiligt zu sein, doch die Staatsanwaltschaft sprach Lee jede Verantwortung ab. Am Wochenende wurde den Medien von der VNDP ein Video zugespielt, welches das Gegenteil belegt. In dem Video, das im Oktober 2000 entstanden sein soll, beschreibt sich Lee als Gründer einer Investmentfirma, die im Mittelpunkt des Finanzskandals steht.

Nur zwei Tage vor der Wahl hatte an diesem Montag das Parlament neue Ermittlungen wegen der Affäre beschlossen. Seinem Wahlergebnis hat all dies nicht geschadet - Berlusconi ist schließlich auch immer durchgekommen.