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Kommentar: Wo die Angst regiert

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Henrik Böhme
11. August 2017

Das Auto, speziell der Diesel, ist der aktuelle Lieblingsfeind der deutschen Moralisten. Verbote und Quoten sind das Mittel der Wahl. Henrik Böhme fragt: Wieviel Planwirtschaft darf es bitte sein?

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Bild: Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung

Wer regiert eigentlich Deutschland? Angela Merkel, klar! Oder doch ein Mann namens Jürgen Resch, Verwaltungswissenschaftler ohne Abschluss und heute Geschäftsführer eines Abmahnvereins mit 270 Mitgliedern? Resch ist Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) - und die treibt im Moment die deutsche Autoindustrie vor sich her. Eine Branche, die für immerhin ein Viertel des gesamten Umsatzes der Industrie dieses Landes steht. Eine Branche, die zu einem Gutteil selbst schuld daran ist, das einer wie Jürgen Resch das tun kann, was er tut.         

Nun also hat sich der gute Herr Resch, der mit seinen Klagen deutsche Verwaltungsgerichte zwischen Stuttgart und Hamburg beschäftigt, die ach so bösen Dreckschleudern auf vier Rädern ausgeguckt, und ist damit der größte aktuelle Feind der Autobauer zwischen Wolfsburg und Stuttgart. Neuester DUH-Coup: Der Antrag einer Geldbuße gegen Porsche in Höhe von 110 Millionen Euro. Aber weil dieser Herr Resch eigentlich viel zu unwichtig ist, und weil das Problem ja ganz woanders liegt, wollen wir ihn jetzt erstmal in Ruhe lassen.

So ticken wir inzwischen 

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Denn das Problem, das ist diese seltsame "German Angst". Dieses Land, das herausragende Erfinder und Ingenieure hervorgebracht hat; ein Land, das immer an den Fortschritt geglaubt hat, es hat eine Skepsis gegen alles Fortschrittliche entwickelt, das einem Angst und Bange werden kann. Alles, was nach Fortschritt auch nur riecht, wird kritisch beäugt. Technikfolgenabschätzung wird das verklärend genannt. Überall wird zuerst auf die Risiken verwiesen und die Gefahren, und irgendwann vielleicht doch noch auf den Nutzen einer Sache. Das fängt an mit der Überbehütung der Kinder und endet im Zweifel beim Fahrverbot für Diesel-Autos.

Denn so ticken wir Deutschen inzwischen: Die Schlagzeile "Hunderttausend Diesel-Tote" wird ohne nachzufragen hingenommen, weiterverbreitet und ausgeschlachtet von Interessengruppen wie eben unseren DUH-Freunden.

Zu Zeiten, als in Europa der Rinderwahnsinn grassierte, drohten auch angeblich hunderttausend Todesfälle. Gestorben an BSE sind 150 Menschen, innerhalb von zehn Jahren. Bricht irgendwo die Vogelgrippe aus, malt die Medienmaschine (ja, auch diese hier) den massenhaften Tod an die Wand.

Und doch ist es so, um wieder zum Stickoxid, dem Feinstaub und damit zum Diesel zurückzukommen, dass der Ausstoß von verkehrsbedingten Stickoxiden in Deutschland in den letzten 25 Jahren um 70 Prozent zurückgegangen ist. Aber weil es eben diese Ängste gibt, werden auch die Grenzwerte immer utopischer. In dem Maße, in dem die Grenzwerte sinken, steigen wiederum die Ängste. Ein Teufelskreis. 

Weil nun aber das Auto des Deutschen liebstes Kind ist, nehmen sich die Retter der Luft eben das Auto vor. Verbot!!! Unter dem geht es nicht.

Was kommt als nächstes?

34.000 Menschen sterben pro Jahr in Deutschland durch verschmutzte Luft. Das schätzen Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie (und Schätzung ist wichtig, denn einen kausalen Beweis gibt es nicht). Hauptursache ist zu 45 Prozent die Landwirtschaft. Liebe Bauern, zieht euch warm an!

Verbieten muss man auch das Rauchen, denn drei Zigaretten verursachen zehnmal so viel Feinstaub wie ein alter Diesel in einer halben Stunde. Verbieten muss man sämtliche Kamine, sofern sie keinen Feinstaub-Filter haben. Verbieten muss man die Binnenschifffahrt. Die 30.000 Schiffe, die jährlich auf dem Rhein am Düsseldorf vorbei schippern, hinterlassen 49 Tonnen Feinstaub, das sind 14 Prozent der Gesamtbelastung der Stadt. Verbieten muss man das Radfahren. Denn auch der Abrieb am Fahrradreifen ist Feinstaub. Und Silvesterfeuerwerke! Und Grillen, zumindest mit Holzkohle! Und, und, und …

Und jetzt die Politik!

Also worauf warten Sie, verehrter Herr Resch? Legen Sie los! Führen Sie die Planwirtschaft ein, verbieten Sie dies und fordern das. Machen Sie aus diesem Land ein deutsche China. Dort mag sowas funktionieren. Schreiben Sie BMW, Daimler und VW vor, welche Autos die künftig zu bauen haben. (Aber sorgen Sie bitte vor und kümmern sich auch gleich um die Endlager-Frage für E-Auto-Batterien!)   

Die Politik sollte sich in der Zeit vielleicht mal das fragwürdige Geschäftsmodell der Deutschen Umwelthilfe anschauen. Denn die Kreuzzügler gegen den Diesel haben eben dieser Politik de facto das Heft des Handelns entrissen. Aber die DUH ist eine NICHT-Regierungsorganisation, irgendwann in den 1970er Jahren gegründet, um Spenden einzutreiben. Man könnte ihr Gemeinnützigkeit und Klagebefugnis entziehen. Die Politik könnte sich dann wirklich um die Autoindustrie kümmern. Und zwar so, wie es ihre Aufgabe ist: Eben nicht als Kungelbruder der Autobosse samt Autokanzlern und -rinnen. 


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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58