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Terrorprozess mit Hindernissen

Hans Pfeifer20. Juli 2015

Im Verfahren um die rassistische Mordserie des "Nationalsozialistischen Untergrunds" ist das Vertrauen zwischen Verteidigung und Angeklagter gestört. Eine Neuauflage rechtfertigt das aber noch nicht, meint Hans Pfeifer.

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NSU Prozess Zschäpe
Bild: Reuters/M. Rehle

Beate Zschäpe ist ein sehr disziplinierter und kontrollierter Mensch. Seit 219 Verhandlungstagen sitzt sie in München auf der Anklagebank. Die Vorwürfe gegen sie sind ungeheuerlich: Mittäterschaft in zehn Mordfällen, mehrfacher versuchter Mord, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, mehrere Bombenanschläge. Ihr vermeintliches Motiv: der Hass gegen Einwanderer. Vor Gericht kommt es immer wieder zu erschütternden Szenen: der Vater eines Mordopfers brüllt auf dem Boden liegend seinen Schmerz heraus; ein Mann erzählt, wie sich bei einem Nagelbombenanschlag das glühend heiße Eisen in seinen Körper gebohrt hatte. Beate Zschäpe reagiert fast immer kühl bis gar nicht.

Lange wurde in diesem spektakulären Strafverfahren darüber gerätselt, ob es Zschäpes Anwälte waren, die ihr zu diesem kühlen Auftreten geraten haben. Damit im Gerichtssaal die Botschaft rüberkommt: "Seht her, ich habe mit all den Verbrechen nichts zu tun!" Das darf inzwischen bezweifelt werden. Denn in den zwei Jahren seit Prozessbeginn hat Beate Zschäpe deutlich gemacht, wer die Fäden ihrer Verteidigung zusammenhält: sie selbst.

Verteidiger fürchten um ihren Ruf

Dass ihre Verteidiger jetzt aufgeben wollen, ist ein Beweis dafür, wie machtbewusst Zschäpe ist. Sie scheint ihre Anwälte kühl kalkulierend zu benutzen, ihnen aber nicht zu vertrauen. Zschäpe stellt sich bei Bedarf auch gegen ihren juristischen Beistand - und das so vehement, dass die Pflichtverteidiger jetzt offenbar versuchen, ihren Ruf zu retten.

Das angespannte Vertrauensverhältnis ist sicherlich nicht hilfreich für eine gute Verteidigung. Aber es ist noch lange kein Grund dafür, die Anwälte auszutauschen und damit faktisch einen Neustart des Verfahrens zu beschließen. Denn sonst könnte jeder mutmaßliche Schwerverbrecher seine Verurteilung hinauszögern, indem er zu gegebener Zeit einen Streit mit seinen Anwälten anzettelt.

Prozess darf nicht zum Spielball der Angeklagten werden

In diesem Verfahren geht es um mehr als Beate Zschäpe. Es geht auch um vier Mitangeklagte. Es geht um die Aufklärung einer beispiellosen rassistischen Mordserie. Und es geht natürlich auch um die Opferfamilien, die als Nebenkläger vertreten sind. Das Verfahren ist bislang besonnen und fair geführt worden. Deswegen ist es gut, dass der Vorsitzende Richter die Pflichtverteidiger nicht von ihrem Mandat entbindet. Denn dieser wichtige Terrorprozess muss jetzt ohne Verzögerung weitergehen. Schließlich hält nicht Beate Zschäpe die Zügel dieses Mammutverfahrens in der Hand. Sondern ihr Richter.