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Tönnies' Rücktritt ist unausweichlich

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David Vorholt
3. August 2019

Schalke-Boss Clemens Tönnies offenbart ein klar rassistisches Weltbild. Der Verein und Tönnies selber rudern verbal zurück. Doch ein "Zurück" darf es in einem solchen Fall nicht geben, meint David Vorholt.

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Clemens TÖNNIES von FC Schalke 04
Bild: picture-alliance/augenklick/firo Sportphoto

Was Clemens Tönnies bei einer Veranstaltung am Donnerstag in Paderborn in Bezug auf den afrikanischen Kontinent und seine Bevölkerung gesagt hat, sollte mittlerweile allgemein bekannt sein. Aus diesem Grund würde ich an dieser Stelle gerne darauf verzichten, dies noch einmal niederzuschreiben. Für alle diejenigen, die nicht wissen, was Tönnies sagte, hier seine Worte, die er im Nachhinein als "töricht" bezeichnet hat: "Statt die Abgaben zu erhöhen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren."

Wie gesagt: Ich hätte auf dieses Zitat nur zu gerne verzichtet. Nicht verzichtet werden kann allerdings auf die Feststellung, dass der Aufsichtsratschef sich hier nicht im Eifer des Gefechts eine verbale Entgleisung gegen eine Person, einen Verein oder wen auch immer geleistet hat, sondern einen Offenbarungseid. Einen, der tief verwurzelte rassistische Ansichten offen und unmissverständlich zu Tage gefördert hat. Denn Tönnies' unglaubliche Worte fielen nicht am Stammtisch, was sie auch nicht relativieren würde, sondern bei einer Rede. Ergo waren sie vollkommen bewusst gewählt, daran besteht kein Zweifel. Bewusst war dem 63-Jährigen dabei offenbar nur eines nicht: die Tragweite.

Krisenkommunikation statt Entschuldigung

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DW-Sport-Redakteur David Vorholt

Das hat sich am Tag danach offensichtlich geändert: Hastig verfasste Statements wurden erst vom Klub, dann von Tönnies selbst veröffentlicht. Diese Statements erhielten selbstverständlich das Label "Entschuldigung". Doch davon kann überhaupt nicht die Rede sein, denn die vermeintliche "Entschuldigung" richtet an die Mitglieder und Anhänger von Schalke 04, eine Gruppe, die von Tönnies' Aussagen nahezu nicht betroffen sein dürfte, und ist im Prinzip einfach PR. Wenn es überhaupt eine Chance für Tönnies gegeben hätte, aus dieser Sache halbwegs unbeschadet herauszukommen, sie wäre spätestens nach diesen nur oberflächlich einsichtigen Statements dahin gewesen.

Sarpei fordert "Konsequenzen"

Tönnies und den Schalker Klubverantwortlichen ist also wohl nur der verheerende Imageverlust, nicht aber die tatsächliche, die gesellschaftliche Tragweite dieser Worte bewusst. Das stellt auch der ehemalige Schalker Profi Hans Sarpei klar und deutlich fest: "Es sind rassistische Bemerkungen, die in keinster Weise mit dem Leitbild des FC Schalke 04 oder unserer modernen offenen Gesellschaft vereinbar sind. Als Mitglied und Ex-Spieler wünsche ich mir, dass der Ehrenrat hier ganz klar Position bezieht und über Konsequenzen berät", schreibt Sarpei auf Facebook. 

Er trifft damit den Kern des Problems und identifiziert Tönnies' Aussagen als das, was sie sind: Bewusst gewählte Worte und eben kein spontaner Ausrutscher. Dass Sarpei aufgrund seiner ghanaischen Herkunft und als Mitglied von Schalke 04 gleich doppelt von den Aussagen des Vereinschefs betroffen ist, verleiht seiner ohnehin richtigen Aussage noch mehr Gewicht.

Tönnies muss zurücktreten

Sarpei fordert in seinem Facebook-Post ein "Nachdenken über Konsequenzen", vermeidet dabei aber das Wort Rücktritt. Ich sage: Der Rücktritt von Tönnies ist unumgänglich. Auch von den Mitgliedern des FC Schalke 04 und von der gesamten Öffentlichkeit ist er ohne weiteres und sofortig zu fordern. Für die Privatperson Clemens Tönnies mag das von Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider beschworene "Prinzip der zweiten Chance" gelten, aber an der Spitze eines Vereins, der laut eigener Satzung "rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen […] aktiv entgegentritt" ist er nicht länger haltbar.

Tönnies hat bewusst und vorsätzlich diese Werte des Vereins und die Menschenwürde mit Füßen getreten. Wenn ihm daran gelegen ist, seinen Ruf nicht unwiderruflich und vollends zu zerstören und seiner Verantwortung als Repräsentant eines Bundesliga-Klubs nachzukommen, sollte er mit einem Rücktritt inklusive neu verfasster und vor allem aufrichtiger Entschuldigung einer Entscheidung des Schalker Ehrenrates zuvorkommen. 

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David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion