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Politik

Macht Schulz Merkel noch Angst?

12. Mai 2017

Vier Prozent weniger! Die SPD ist wieder da, wo sie vor Martin Schulz' Nominierung war: in der Depression. Ob er Merkel noch gefährlich werden könnte, ist aber längst nicht entschieden, meint Volker Wagener.

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Deutschland Martin Schulz und Angela Merkel
Bild: picture alliance/dpa/U. Baumgarten

Was haben wir gelacht über den Cartoon in der Frankfurter Rundschau, kurz nachdem die SPD die Wundertüte Martin Schulz aus dem Hut gezaubert hatte. "Komm schon Schulzi, mach mir Angst!", hatte der Karikaturist der Kanzlerin in die Sprechblase gedichtet, während sie amüsiert und hämisch das Bohei um den Herausforderer betrachtet.

"Komm Schulzi, mach mir Angst!"

Wir konnten uns sogar gleich zweimal auf die Schenkel klopfen: Die SPD als Angstmacher der politischen Konkurrenz, wann gab es das denn zuletzt? Und dann der flapsig-teeniehafte Merkel-Spruch. So ganz das Gegenteil zur realen Angela Merkel.

Und bevor wir es unter dem Eindruck der aktuellen Umfragewerte vergessen: Es trat ja genau das ein, was niemand erwartet hatte. Schulzi machte Mutti Angst - und wie! Aber eben nur kurz.

Und was lehrt uns das? Gar nichts! Dass die Bundestagswahlen noch mehr als vier Monate hin sind und sich grundsätzlich alles noch ändern kann, ist eine politische Binsenweisheit, die immer gilt. Was aber dieses Mal so alles einwirkt auf Stimmungen, auf die Großwetterlagen der kollektiven Psychologie, letztlich auf die Wähler - das ist einzigartig und unberechenbar.

Es gibt ihn wieder, den Merkel-Faktor

Angela Merkel war Ende 2015 und 2016 politisch-klinisch tot. Der Kassenschlager von einst, der Markenartikel Merkel, war unter der Gut-gemeint-Flüchtlingspolitik zum No-Name-Produkt degeneriert. Wäre die CDU noch die Vor-Merkel-CDU gewesen - ein Laden voller männlicher Alphatiere - sie wäre ihren Job in Partei und Kanzleramt los gewesen. Weil aber erstens die clevere Ost-Frau die ganzen alten West-Männchen schon längst weggebissen hatte und die Reste ihrer Autorität immer noch respektabel genug waren, die schlappe Gabriel-SPD in Schach zu halten, ist sie heute immer noch das, was sie seit fast zwölf Jahren ist: Eine wieder unumstrittene Kanzlerin.

Wagener Volker Kommentarbild App
DW-Redakteur Volker Wagener

Und das hat viel mit den großen Linien der Weltläufte zu tun. Ihre Flüchtlingspolitik - gut gemeint, im Kern richtig, aber zum Teil schlecht gemacht - ist längst nicht mehr die alleinige Elle, an der die Wähler ihren Erfolg, ihre Qualität messen.

Die Währung, in der gute und schlechte Politik dieser Tage vergolten wird, heißt Vernunft und Vertrauen. Was die Deutschen inzwischen mehrheitlich eher fürchten als das Flüchtlingsthema, das zur Ruhe gekommen ist, sind die Trumps dieser Welt. Ist die Erosion zwischenstaatlicher Kooperation, die Verächtlichmachung der EU, nationaler Egoismus und Chauvinismus. Ob Orbàn, Putin, Erdogan oder Trump, ob Brexit oder der neue Isolationismus der USA - das alles regt auf, verstört, macht Angst. Da hilft … richtig: die ruhige Hand mit der Raute Angela Merkels. Ein Sinnbild für "Ruhe bewahren" und "Haltung zeigen".

Genosse Trend - ein unsicherer Kantonist

Das alles und manches mehr spiegelt sich in den jüngsten Umfrageergebnissen. 69 Prozent finden, es liege an Merkel, dass es Deutschland in einer unruhigen Welt so gut geht. Martin Schulz hat noch nichts vorzuweisen, und einen Amtsbonus hat er schon gar nicht. Er hatte allein die Euphorie des Anfangs, verloren ist aber noch gar nichts. Denn er und Merkel tun sich politisch-programmatisch nicht wirklich weh. Überzeugte Europäer beide, sind sie darüber hinaus Vertreter der breiten Mitte, in der in Deutschland immer noch Wahlen gewonnen werden.

Was auch erklärt, warum die Grünen und die AfD gerade auf Rückzug sind und die Linken auf unterem Niveau stagnieren. Der Run auf die schützende und wärmende politische Mitte lässt die beiden Großparteien gerade profitieren, die noch vor kurzem dabei waren ihren Ehrentitel Volks-Partei zu verlieren. Weil aber in der hektisch-digitalen Echtzeit-Kommunikation unserer Zeit jedes Gerücht, jeder Tweet und jeder Fake Stimmungen manipulieren kann, ist mit den aktuellen Umfragen wirklich noch gar nichts entschieden. Gut so. Lassen wir Schulzi Mutti noch ein bisschen Angst machen - oder auch nicht. Gewählt wird am 24. September. Vielleicht sagt das Ergebnis dann mehr über Trump & Co, denn über Mutti & Martin aus.

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Porträt eines Mannes mit Mittelscheitel und Bart
Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe