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Politik

Juristisches Ping-Pong

20. Februar 2019

Wird ein katholisches Krankenhaus allein dadurch katholisch, dass der Chefarzt nur in erster Ehe verheiratet sein darf? Die Kirche muss andere Antworten finden, meint Christoph Strack.

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Bundesarbeitsgericht
Bild: picture-alliance/dpa

Die Entscheidung war zu erwarten. Und sie ist folgerichtig. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt erklärte die Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf wegen dessen Scheidung und Wiederheirat für unwirksam.

Es ist ein Muster-Beispiel dafür, dass das in Deutschland geltende besondere Arbeitsrecht der Kirchen in Bewegung gekommen ist und die Rechtsprechung durch strikte Auslegung die katholische Kirche zum Handeln auffordert. 

Der aktuell verhandelte Rechtsstreit läuft seit zehn (!) Jahren. Schon 2009 war dem Mediziner nach seiner erneuten Heirat gekündigt worden. Er wehrte sich juristisch. Seitdem beschäftigte der Fall zum nun dritten Mal das Bundesarbeitsgericht und je einmal das Bundesverfassungsgericht sowie den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Und während der gesamten Zeit, bis heute, ist der Chefarzt in dem Krankenhaus tätig. Juristisches Ping-Pong auf hohem Niveau. 

Kirchliches Arbeitsrecht längst geändert

Pikant ist, dass die deutschen Bischöfe zwischenzeitlich, im Jahr 2015, von sich aus das kirchliche Arbeitsrecht, das auch für Einrichtungen der Caritas gilt, geändert haben. Die bis dahin durchaus häufiger bekannt gewordenen Fälle von entlassenen Mitarbeitern - seien es Leitungskräfte in kirchlichen Kindergärten oder eben Chefärzte - kommen seither kaum mehr vor. So erklärte auch das Erzbistum Köln nach dem Urteil von Erfurt: "Der Kündigungssachverhalt wäre nach heute geltendem Kirchenrecht anders zu beurteilen."

Deutsche Welle Strack Christoph Portrait
Christoph Strack ist Kirchenexperte der DWBild: DW/B. Geilert

Aber, so das Erzbistum Köln weiter, das Verfahren berühre Grundsatzfragen des Verhältnisses des nationalen Verfassungsrechts zum EU-Recht. Schließlich hatte ja Luxemburg (der Europäische Gerichtshof) Karlsruhe (das Bundesverfassungsgericht als höchstes deutsches Gericht) korrigiert. Es sei eben keine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung", dass ein katholischer Chefarzt den "heiligen und unauflöslichen Charakter" der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten habe.

Letztlich passt das Urteil in das so in Bewegung geratene Bild der katholischen Kirche. Diese soll sich, so die Vorgabe der Richter, zurückhalten mit Maßregelung. Platt gesagt: Dem Chefarzt darf nicht mehr gekündigt werden (auch weil - das ist Teil der Begründung - einem evangelischen Kollegen oder einer Kollegin in der gleichen Einrichtung bei Scheidung und Wiederheirat nie gekündigt worden wäre). Andererseits bekäme ein Priester, der trotz Zölibatsversprechen heiratet und auf weitere Anstellung bei Kirche klagt, aus Erfurt und Luxemburg auch weiterhin eine Abfuhr.

Was macht eine kirchliche Einrichtung glaubwürdig?

In Rom geht es in diesen Tagen um Missbrauch und Klerikalismus. Aber einer der Kernpunkte dabei ist die Frage der kirchlichen Glaubwürdigkeit. Ja, ein kirchliches Krankenhaus bemüht sich darum, eine besondere Ausstrahlung zu haben und ein spezifisches Profil - beispielsweise in erster Linie für Menschlichkeit und nicht primär für Gewinnstreben zu stehen. Über Jahrzehnte setzten Bischöfe als oberste Dienstherren das kurzerhand arbeitsrechtlich durch. Sie müssen nun anderes Engagement zeigen, um mit einem katholischen Profil zu beeindrucken.

Nur scheinbar ein leichtes wäre es, wenn die kirchliche Seite nun den Rückzug aus vielen Einrichtungen propagieren würde und nur einzelne betont katholisch geprägte "Leuchttürme" aufpolierte. Dadurch würde der Krankenhaus-Markt in Deutschland, ein Milliarden-Business mit wachsendem Kostendruck, nicht besser. Hier handelt es sich um ein hartes Geschäft samt Verdrängungswettbewerb. Nein, wenn die Kirche beeindrucken will in der Gesellschaft, sollte dies durch besonders anspruchsvolle Begleitung im Markt bestehender medizinischer Qualität geschehen. Das ist die größere Herausforderung, die viele Häuser beeindruckend bewältigen. Aber es geht nicht um ein kirchliches Persilweiß in den Personalakten medizinischer Leitungskräfte.