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Politik

Halbwahrheiten und unnötige Show-Einlagen

Carla Bleiker
Carla Bleiker
5. Februar 2020

Bei der Rede zur Lage der Nation war der frühere Reality-TV-Star Donald Trump voll in seinem Element. Emotionale Show-Elemente konnten aber über politisch fragwürdige Behauptungen nicht hinwegtäuschen, so Carla Bleiker.

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USA Donald Trump Rede an die Nation
Bild: Getty Images/AFP/M. Ngan

Es ist einer der wichtigsten Fernsehauftritte des Jahres für den US-Präsidenten: die Rede zur Lage der Nation. Selten kann sich der Staatschef so direkt an sein Volk wenden. Er spricht mehr als eine Stunde lang - und jedes Wort wird live im Fernsehen übertragen. Für Donald Trump, der nichts so sehr liebt wie ein begeistertes Publikum, ein wahr gewordener Traum.

Gleich zu Beginn redete er lange über die Wirtschaft der USA, die in dem besten Zustand aller Zeiten sei. Die Arbeitslosenrate sei niedriger als je zuvor und seit seinem Amtsantritt habe sich die Anzahl der Menschen, die Lebensmittelmarken beziehen, um sieben Millionen reduziert. Diese großspurigen Bemerkungen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Die Arbeitslosenrate fällt schon seit der Obama-Regierung konstant. Und Aktivisten wiesen darauf hin, dass viele der sieben Millionen Menschen keine Lebensmittelmarken mehr beziehen, weil Trump die dazugehörigen Hilfsprogramme gekürzt hat. Das ist kein beeindruckender Erfolg, sondern kalte Sozialpolitik.      

Konflikt mit dem Iran

Insgesamt sprach Trump eine Stunde und 18 Minuten - also kürzer als letztes Jahr. Seine "State of the Union" Rede 2019 war mit einer Stunde und 22 Minuten die drittlängste in mehr als 50 Jahren. Nur Präsident Bill Clinton sprach in den Jahren 1995 und 2000 länger.

Autorenbild l Kommentatorenbild DW Carla Bleiker PROVISORISCH
Carla Bleiker, DW-Korrespondentin in WashingtonBild: privat

Wie lange der Mann aus dem Weißen Haus redet, was er redet - und vor wem: das alles hat seine Bedeutung. Jeder Präsident lädt jedes Jahr "normale Bürger" ein, dem politischen Ereignis im Repräsentantenhaus beizuwohnen. Diese Menschen werden sorgfältig ausgewählt, mit Blick darauf, wofür sie stehen. Für seinen diesjährigen Auftritt lud Trump unter anderem Kelli und Gage Hake aus Oklahoma ein. Kelli Hake ist die Witwe eines Soldaten, der 2008 im Irak durch eine Bombe ums Leben kam, für die der iranische General Ghassem Soleimani verantwortlich gewesen sein soll. Das US-Militär tötete Soleimani im Januar auf Befehl des US-Präsidenten.

Die Anwesenheit der Hakes soll zeigen, dass die Tötung Soleimanis ein mutiger Akt war, der ermordete US-Amerikaner gerächt und viele weitere Leben geschützt hat. Sie kann aber nicht davon ablenken, dass Trumps Verhalten die USA an den Rande eines Kriegs mit dem Iran getrieben hat. Und dafür, dass Soleimani angeblich unmittelbar davor stand, einen Anschlag auf US-Amerikaner zu verüben, hat die US-Regierung keine zufriedenstellenden Beweise geliefert.

Als Nancy Pelosi das Mansukript zerriss

Die Gäste sorgten den ganzen Abend über immer wieder für Momente wie in einer Reality Show. So hing Melania Trump während der Rede dem konservativen Radiomoderator Rush Limbaugh die vom Präsidenten verliehene "Medal of Freedom" um - und die Familie eines Soldaten wurde von der Rückkehr ihres Ehemanns und Vaters überrascht. Es waren nur zwei von vielen Augenblicken, die auf die Tränendrüse drückten. Entertainment-Profi Trump muss bei der Planung sein Vergnügen gehabt haben.

Vielleicht wollte er eine besonders tolle Show abliefern, für den Fall, dass es seine letzte Rede zur Lage der Nation gewesen sein sollte. Wenn Trump nicht wiedergewählt wird, steht bei der nächsten "State of the Union" Ansprache ein anderer Präsident oder eine Präsidentin am Podium. Allerdings ist das zur Zeit eher unwahrscheinlich, aber die Demokraten hoffen darauf. Nancy Pelosi, die als Sprecherin der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhauses während der Rede hinter dem Präsidenten Platz genommen hatte, zerriss am Ende das von Trump zuvor überreichte Redemanuskript in der Mitte. Angesichts der vielen Halbwahrheiten und der Lobeshymnen auf Einwanderungspolizei und lockere Waffengesetze hätte man es ihr am liebsten gleichgetan.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker