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Fataler Vergleich

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Alexander Kudascheff
22. Oktober 2015

Adolf Hitler wollte die Juden nur vertreiben, nicht aber töten. Das sei die Idee des Großmuftis von Jerusalem gewesen, sagt Benjamin Netanjahu. So eskaliert er den Nahost-Konflikt, meint Alexander Kudascheff.

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Holocaust-Mahnmal
Das Holocaust-Mahnmal im Zentrum von BerlinBild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Die Lage im Nahen Osten ist mehr als angespannt. Auch zwischen Israel und den Palästinensern. Dort eskaliert die Situation. Junge Palästinenser greifen wahllos Israelis an, die Armee reagiert mit der ganzen Härte, zu der sie fähig ist. Die Sicherheit ihrer Bürger ist für Politik und Militär in Israel immer das höchste Gut.

Auf dem Weg in die dritte Intifada?

Aber die Nervosität wächst unübersehbar. Denn zum einen ist gegen völlig zufällige Messerattacken selbst eine hochgerüstete Armee oder der außergewöhnlich effiziente Geheimdienst machtlos. Zum anderen müssen Israelis und Palästinenser fürchten, in eine dritte Intifada hinein zu stürzen, auch weil Palästinenserpräsident Abbas kaum noch Autorität bei den jungen Palästinensern hat und wohl auch die Dinge vor sich hin treiben läßt. Eine unheilvolle Konstellation.

In Berlin haben sich die deutsche Regierung und der amerikanische Außenminister John Kerry bemüht, zur Deeskalation im Nahen Osten beizutragen. Mit Erfolg? Das traut sich zu Recht, niemand zu behaupten. Denn schon bevor Benjamin Netanjahu nach Berlin reiste, zeigte sich, wie politisch nervös der israelische Ministerpräsident ist. Er behauptete, der palästinensische Großmufti von Jerusalem habe in den frühen 40-er Jahren bei einem Treffen mit Adolf Hitler diesen zur Judenvernichtung angestiftet. Hitler selbst habe eher an die Vertreibung der Juden gedacht als an deren Ermordung.

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DW-Chefredakteur Alexander KudascheffBild: DW/M. Müller

Nun ist Geschichte nie einseitig weiß oder schwarz, sondern meistens ein sehr schraffiertes Grau. Und unbestreitbar war Amin al Husseini, der Großmufti von Jerusalem, ein Judenhasser. Er wollte keine Juden im Heiligen Land, er lehnte Palästina als Heimstätte der Juden ab, was den Juden in den Friedensverträgen von Sevres nach dem Ersten Weltkrieg versprochen worden war, wenn auch reichlich vage. Die Folge: Gewalt und Gewaltexzesse im palästinensischen Mandatsgebiet.

Zwei Judenhasser

Judenhass - ja, ohne Wenn und Aber beim Großmufti. Andererseits: Adolf Hitler hatte bereits in "Mein Kampf" seinen Judenhass beschrieben. Er wollte den systematischen Massenmord an den Juden Deutschlands und Europas. Er war verantwortlich, dass er umgesetzt wurde - in Auschwitz, Treblinka und Majdanek genauso wie in Bergen-Belsen, Buchenwald oder im Ghetto von Warschau. Dafür brauchte er den Großmufti nicht und auch nicht dessen Ermunterung.

Das weiß der israelische Premier natürlich. Also wählte er den historisch fatalen Vergleich aus einem anderen Grund: Er setzte damit eine große palästinensische Traditionslinie vom Großmufti bis zu Abbas - eine Traditionslinie des Judenhasses, der sich Israel gegenüber sieht. Das entspricht durchaus dem Empfinden vieler Israelis und rechtfertigt aus ihrer Sicht die Verweigerung von Kompromissen und Verhandlungsangeboten. Damit treibt Netanjahu aber selbst die Eskalation voran - und macht so die kleinste Hoffnung auf Frieden oder wenigstens einen Waffenstillstand im Nahen Osten zunichte.

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