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Politik

Niederlage für Erdogan

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Erkan Arikan
18. Juli 2019

Die USA haben beschlossen, die Türkei aus dem F-35-Kampfjet-Programm auszuschließen. Grund ist der Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400. In Ankara ist man empört - so etwas ist man dort nicht gewohnt.

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Jet: USAF Lockheed Martin F-35 Lightning II
Bild: picture-alliance/Captital Pictures

Washington hat eine Entscheidung getroffen, die logisch und konsequent ist. In Zukunft wird die Türkei aus dem F-35-Kampfjet-Programm ausgeschlossen. Logisch? Ja, denn es kann nicht sein, dass ein NATO-Partner mit dem ehemaligen Feind aus dem kalten Krieg Geschäfte macht - egal, wie gut sich das Vertrauen zwischen den beiden Ländern auch entwickelt haben mag. Konsequent? Auch hier ein klares Ja, denn die USA haben Erdogan schon seit Langem davor gewarnt, auf dem Kauf des russischen Raketenabwehrsystems zu bestehen. Da Ankara auf die Warnung nie eingegangen ist, folgte der Entschluss der Amerikaner. Die Türkei, die seit Jahrzehnten in ihrer Luftwaffe Kampfjets des NATO-Partners USA einsetzt, muss sich neue Flugzeuge suchen. Türkische Soldaten, die an dem Projekt mitarbeiten, müssen in absehbarer Zeit die USA verlassen. Dass Russland nun seine eigenen Su-35-Kampfjets anbietet, wirkt in der Folge eher wie ein Treppenwitz aus Moskau.

Kauf oder Ausleihe?

Die Türkei liegt geopolitisch in einer höchst gefährlichen Region. Hier sind besonders die Nachbarn im Osten zu erwähnen: Iran, Irak, Syrien. Dass die Türkei nicht erst wegen des Bürgerkriegs in Syrien ein funktionstüchtiges Raketenabwehrsystem braucht, liegt auf der Hand. Als NATO-Partner stünde ihr das US-amerikanische Patriot-System zur Verfügung, allerdings nur als Leihgabe. Mehrere Versuche Ankaras, dieses System käuflich zu erwerben, scheiterten in der Vergangenheit. Daraufhin versuchte Erdogan ein Raketenabwehrsystem aus China zu kaufen. Die Verhandlungen zwischen Peking und Ankara begannen 2013, wurden aber 2015 für gescheitert erklärt. Vertreter der Regierung behaupten, der Druck der USA sei damals so groß gewesen, dass Erdogan klein beigab und verkündete, die Türkei wolle ein eigenes Raketenabwehrsystem entwickeln.

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Erkan Arikan ist Leiter der türkischen DW-RedaktionBild: DW/B. Scheid

Harsche Kritik kommt jetzt aus Ankara: Die Entscheidung sei ein "schwerer Fehler", heißt es von dort. Dass die türkische Regierung über den Rauswurf aus dem F-35-Programm nicht erfreut ist, liegt auf der Hand. Erdogan hat hoch gepokert und verloren. Sein Ziel war es, erst das S-400 Raketenabwehrsystem aus Russland zu kaufen und dann trotzdem den Deal mit den USA über die Kampfjets des Typs F-35 zu Stande zu bringen.

Ankara sah sich allerdings gezwungen, mit Russland Geschäfte zu machen. Als während der Präsidentschaft Barack Obamas die ersten Gespräche zwischen dem türkischen Verteidigungsministerium und dem Pentagon über den Kauf der Patriots geführt wurden, schien es, als ginge alles glatt. Doch die USA und die Türkei konnten sich nicht einigen. Daher die Abkehr von den Amerikanern: Wenn es mit Washington nicht klappt, gehen wir eben nach Moskau, war die Devise. Türkische Oppositionspolitiker werfen der Regierung Erdogan vor, die Verhandlungen stümperhaft geführt zu haben.

Wirtschaftliche Einbußen

Dass die Türkei nun bei den F-35-Kampfjets außen vor ist, hat auch wirtschaftliche Konsequenzen. Die türkischen Unternehmen, die für den Jet Teile zulieferten, werden sich eine andere Einnahmequelle suchen müssen. In Oppositionskreisen wird gemutmaßt, dass die Türkei fast 900 Bauteile zu dem System beisteuert. Dies würde einem Exportvolumen von über 12 Milliarden US-Dollar entsprechen. Gleichzeitig wird angemerkt, dass in der türkischen Rüstungsindustrie über 30.000 Menschen in Lohn und Brot stehen. Wie diese Menschen in anderen Bereichen beschäftigt werden können, ist fraglich.

Eine NATO ohne die Türkei?

Auch steht die Frage im Raum, ob die Türkei sich aus dem nordatlantischen Bündnis verabschieden könnte. Dies ist zweifellos mit einem Nein zu beantworten. Die NATO braucht die Türkei, doch umgekehrt gilt dasselbe: Die Türkei ist auf das Bündnis und ihre Partner angewiesen. Dies hat auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg bei seinem Türkei-Besuch im Mai deutlich zur Sprache gebracht.

Eins ist klar: Sollte Ankara nicht einlenken und auf das russische Raketenabwehrsystem verzichten, wird es keine F-35-Kampfjets für die Türkei geben. Doch auch ein Zurückrudern Erdogans ist schwer vorstellbar, da bereits vergangene Woche die ersten Teile des S-400-Systems in der Türkei angekommen sind. Im März 2020 soll der Ausschluss der Türkei aus dem F-35-Programm spätestens abgeschlossen sein. Der Rauswurf aus dem F-35-Programm soll sich allerdings nicht auf das allgemeine Verhältnis der beiden Bündnispartner auswirken. Eine Sprecherin der US-Regierung betonte, die USA schätzten die strategischen Beziehungen zur Türkei nach wie vor sehr. Ein Trost für Erdogan, der aber kein Trost sein kann.