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Die Bauern, das Wetter und das liebe Geld

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Henrik Böhme
1. August 2018

Landwirte bekommen schon immer Beihilfen. Auch zur Absicherung wetterbedingter Risiken. Trotzdem rufen sie wegen der Hitzewelle nach mehr Geld. Das ist unfair gegenüber anderen Unternehmen, meint Henrik Böhme.

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Trockenheit und Dürre in Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

Zuallererst: Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Landwirte hierzulande. Sie kennen keinen Urlaub, ihren Tagesablauf bestimmt das Wetter, der Reifegrad des Getreides oder die Kuh, wenn sie am Sonntagmorgen um fünf Uhr kalbt. Aber mein Respekt gilt genauso denen, die am Fließband zwischen Wolfsburg und Zuffenhausen Autos zusammenbauen, und erst recht den unzähligen kleinen, oft unbekannten Unternehmen, wo tagein, tagaus gewerkelt wird für alle möglichen Produkte, die man braucht oder eben nicht.

Denn nur so funktioniert eine Volkswirtschaft wirklich: Mit findigen Unternehmern, die auch das Risiko nicht scheuen, die kreative Lösungen finden in schlechten Zeiten, die sich von überbordender Bürokratie nicht aus der Ruhe bringen lassen. Die sagen: Wir packen das an!

Die vier Feinde des Landwirts

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Nun sind die Landwirte dieser Republik in den allermeisten Fällen genau solche Typen: Die packen es an! Aber sie haben eben auch vier natürliche Feinde: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und für ihren alltäglichen Kampf gegen diese Feinde, die mit echt fiesen Tricks kämpfen - mit Hitze, mit Unwettern, mit Schnee und Frost, mit Regen ohne Ende - bekommen sie von uns Steuerzahlern eine Menge Geld: Aus den Geldtöpfen der Europäischen Union fließen jedes Jahr über 50 Milliarden Euro an Europas Bauern. Das sind 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts. Für die 331.000 im EU-Sprech "Begünstigte der deutschen Landwirtschaft" genannten deutschen Landwirte summierten sich die Zahlungen 2016 auf 6,4 Milliarden Euro.

Ein solcher Begünstigter ist beispielsweise der Milliardär Günter Fielmann. Deutschlands Optiker-König verkauft nämlich nicht nur Brillen, sondern ist nebenbei noch Öko-Landwirt. Und bekam dafür im Jahr 2016 zum Beispiel 236.000 Euro zur Einkommens- und Risikoabsicherung (sic) und rund 283.000 Euro für den ökologischen Landbau. Nun verkauft nicht jeder Landwirt nebenbei Brillen und ist Milliardär, aber was das Beispiel deutlich macht: Landwirte bekommen schon Geld, um gegen das natürliche Risiko, dem sie ausgesetzt sind, einigermaßen gewappnet zu sein.

Irgendetwas stimmt da nicht

Müsste man sich, statt reflexhaft nach Milliardenbeihilfen zu rufen, nicht erst einmal fragen, was alles in der deutschen Landwirtschaft besser gemacht werden müsste, um auch mal eine solche Hitzeperiode einigermaßen zu überstehen? Wenn ich durch das Land fahre, sehe ich oft gigantische Felder mit Monokulturen: mit Raps oder Mais. Maisanbau ist extrem wasserintensiv - und was wird mit dem ganzen Mais gemacht? Er wird zum großen Teil gehäckselt und direkt zur Energiegewinnung in Biogas-Anlagen gebracht. Irgendetwas stimmt da nicht.

Noch im Frühjahr hatten die Landwirte vor allem in Deutschlands Nordwesten ein ganz anderes Problem: Die Felder standen durch wochenlange Regenfälle komplett unter Wasser und waren nicht mehr befahrbar. So konnte die Gülle aus den Milchvieh-Ställen nicht mehr auf die Felder gebracht werden. Es wurden sogar extra Gruben ausgehoben und mit Folie ausgelegt, um die Gülle zwischenzulagern. Die Felder standen übrigens auch deshalb unter Wasser, weil der Boden durch die extreme Verdichtung und die Spezialisierung auf Monokulturen ausgelaugt war und das Regenwasser nicht mehr aufnehmen konnte. Nochmal: Irgendetwas stimmt da nicht.

Zurück zur glücklichen Kuh?

Die Landwirtschaft in Deutschland (wie in anderen Ländern auch) ist mittlerweile hochproduktiv, sie hat sich in den allermeisten Fällen in eine gigantische Industriemaschinerie verwandelt. Wenn jemand wie der Fleischgigant Tönnies an einem einzigen Tag 20.000 Schweine schlachtet, hat das noch was mit Landwirtschaft zu tun? Ich kaufe auch nicht immer Bio-Fleisch und Bio-Gemüse: Aber müssten sich die Landwirte nicht wieder einer naturschonenderen Bewirtschaftung zuwenden? Ich habe in der Schule und im Kleingarten meines Großvaters mal etwas von Fruchtfolgen gelernt, ich bewunderte meine Großmutter, die noch selbst Kühe und Schweine hielt. Das Schlachtfest war ein Höhepunkt des Dorflebens. Aber womöglich sehe ich das alles auch zu romantisch verklärt.

Von daher: Gezielte Hilfen für die Landwirte, die es wirklich dringend nötig haben - ok. Aber muss es gleich eine ganze Milliarde sein, die der Bauernpräsident da medienwirksam einfordert? Vor einigen Jahren, als Deutschland schon einmal von einer ähnlichen Hitzewelle geplagt wurde, genügten noch 72 Millionen Euro für 12.000 betroffene Betriebe. Immerhin. Und was, wenn morgen der pfiffige Kleinunternehmer (siehe oben) auf der Matte steht und finanzielle Hilfen einfordert, weil er, sagen wir, auf irgendeine Weise vom Handelsstreit mit den Amerikanern betroffen ist, und sein Laden vor der Pleite steht? Was, liebe Landwirte, würdet ihr dem sagen?  

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58