1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Der Bock wird zum Gärtner

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
7. Mai 2018

Bei der Parlamentswahl im Libanon legt die Hisbollah zu. Ein alarmierendes Ergebnis, meint Kersten Knipp. Die Partei dürfte die Krisen in Nahost weiter verschärfen. So macht sie ein ganzes Land zur Geisel ihrer Politik.

https://p.dw.com/p/2xJKV
Wahl im Libanon (AFP/Getty Images/M. Zayyat)
Bild: Getty Images/AFP/M. Zayyat

So kann es gehen: Der Syrienkrieg, in dem die libanesische Hisbollah auf ungute Weise mitmischt, schlägt auf den Libanon zurück - und die dortigen Wähler erhoffen sich ausgerechnet von dieser Hisbollah, die Folgen dieses Krieges meistern zu können. Die "Partei Gottes", wie "Hisbollah" auf Deutsch heißt, hat zusammen mit ihren Verbündeten mehr als die Hälfte der Sitze im libanesischen Parlament erhalten.

Knipp Kersten Kommentarbild App
DW-Autor Kersten Knipp

Sie soll nun offenbar das Chaos richten, das sie zuvor ganz erheblich mit angerichtet hat. Die Hisbollah soll eine Lösung für die Probleme finden, vor die das Land vor allem durch die bis zu anderthalb Millionen syrischen Flüchtlinge gestellt ist. Unterkunft, Verpflegung und Arbeitsmarkt: Der Libanon mit seinen rund sechs Millionen Einwohnern ist für eine solche Anzahl an Flüchtlingen nicht ansatzweise ausgelegt. Zwar haben inzwischen mehrere zehntausend Syrer das Land wieder verlassen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen hatte zuletzt aber angezweifelt, dass dies auf ganz und gar freiwilliger Basis geschehen wäre.

Gewiss, wohl nicht wenige Wähler stimmten auch darum für die Hisbollah, weil sie hofften, sie würde die grassierende Korruption im Lande eindämmen. Das Hauptproblem jedoch sind die Flüchtlinge. Mit Blick auf sie haben aber die Libanesen den Bock zum Gärtner gemacht. Denn die meisten Syrer haben ihr Land weniger wegen der dschihadistischen Terrorbanden à la "Islamischer Staat" verlassen, sondern aus Furcht vor dem Assad-Regime - eben jenes, für dessen Sieg die Hisbollah tausende von Kämpfern in das Nachbarland entsandt hat.

Vorhut des Iran

Die Hisbollah steht aber noch für eine weitere düstere Entwicklung im Nahen Osten. Die Partei ist ein Geschöpf des Iran und wird von diesem mit bis zu 800 Millionen US-Dollar jährlich gesponsert. Es liegt auf der Hand, dass der Iran das nicht aus reiner Freundlichkeit tut. Darum muss die Hisbollah liefern - indem ihre Milizen dem Mullah-Regime den Weg in Richtung Israel freikämpfen.

Durch die Atomvereinbarung ist der Iran wieder zu Kräften gekommen. Die investiert er nun in imperiale Projekte in Nahost, allen voran in den Kampf gegen Israel, auch mit Hilfe der Hisbollah.

Libanon Beirut Proteste gegen Jerusalem-Entscheidung von Trump
Berufswunsch Kämpfer: Hisbollah-Nachwuchs in Beirut, November 2017Bild: DW/Anchal Vohra

So haben die libanesischen Wähler sich zu großen Teilen für eine Partei ausgesprochen, die außenpolitisch bislang nicht durch besondere Konstruktivität aufgefallen ist, um es zurückhaltend zu formulieren. Im Gegenteil: Die Aufmärsche der Partei in ihren Hochburgen, inklusive der zahllosen in Uniform mitmarschierenden Kinder, weckt den Eindruck, sie treibe ein gewaltiges ideologisches Projekt voran. An dessen gutem Ausgang lässt sich mit guten Gründen zweifeln.

Einige israelische Politiker haben in ersten Reaktionen bereits erklärt, dass sie den Libanon und die Hisbollah fortan gleichsetzen wollen. Man kann es so sehen: Die Libanesen haben sich zur Geisel ihrer größten Miliz gemacht. Für die Region ist deren Triumph eine denkbar schlechte Nachricht.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika