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Politik

Brexit à la Boris beerdigt

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
22. Oktober 2019

Nach einer erneuten Niederlage im Unterhaus für Premier Boris Johnson wird die Brexit-Lage immer komplizierter. Sicher ist aber, dass es nächste Woche keinen Brexit geben wird, meint Bernd Riegert.

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Symbolbild Grabstein mit der Aufschrift «RIP British Democracy»
Bild: picture-alliance/dpa/PA Wire/S. Rousseau

Wie viele Niederlagen kann der britische Premierminister Boris Johnson eigentlich noch einstecken? Das Unterhaus hat den Plan der Regierung verworfen, die Gesetze zur Umsetzung des Brexit-Abkommens in nur drei Tagen durch das Parlament zu boxen. Daraufhin hat Boris Johnson seinen Antrag, den Brexit-Deal weiter zu beraten, komplett zurückgezogen. Durch diese neuesten Volten im Machtkampf zwischen Premier und Abgeordneten wird es praktisch unmöglich, den mühsam zusammengezimmerten Austrittsvertag mit der EU noch vor dem geplanten Termin am 31. Oktober rechtskräftig zu machen.

Verlängerung bitte

Es gilt jetzt wieder der "Benn-Act": Dieses Gesetz schreibt Johnson vor, das Vereinigte Königreich nicht ohne Deal aus der EU krachen lassen zu dürfen. Das Brexit-Datum ist damit vom Tisch. Die EU muss nun zügig über den Verlängerungsantrag entscheiden, den der störrische Premier letzten Samstag per unsigniertem Brief bei der EU in Brüssel gestellt hat.

Riegert Bernd Kommentarbild App
DW-Korrespondent Bernd Riegert, Brüssel

Der "Benn-Act" schreibt vor, dass die Briten um drei weitere Monate Zeit bitten müssen. Es besteht wenig Zweifel daran, dass die EU eine Verlängerung genehmigen wird. Sie könnte allerdings kürzer oder auch länger ausfallen. Die Beratungen von Ratspräsident Donald Tusk mit den 27 Mitgliedsstaaten außer Großbritannien laufen.

Eine Entscheidung könnte in den nächsten Tagen, vielleicht bei einem Sondergipfel in Brüssel, fallen. Der beleidigte und geschlagene Premier Boris Johnson hat bereits angekündigt, dass er an Beratungen nicht teilnehmen wird. Das ist formal auch nicht nötig. Der immer mehr zur tragischen Figur werdende Premier fabuliert zwar immer noch davon, am 31. Oktober die EU zu verlassen. Er sollte aber besser die Downing Street verlassen und Platz für einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin machen.

Wählerinnen und Wähler sollen entscheiden

Stattdessen strebt Johnson jetzt eine Neuwahl des aus seiner Sicht inkompetenten Parlaments an. Er will sich als Volkstribun bestätigen lassen. Um diese Neuwahl zu erzwingen, die zu einer Volksabstimmung über einen weichen, harten oder abgesagten Brexit werden dürfte, hat der konservative Hasardeur zwei Möglichkeiten. Die erste: Er bittet das Parlament um einen Wahltermin. Dazu wäre aber eine unwahrscheinliche Zweidrittelmehrheit nötig. Die zweite: Er tritt zurück oder lässt sich durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt kegeln. Danach wären Wahlen erforderlich, sofern das tief zerstrittene Unterhaus sich nicht auf einen anderen Regierungschef einigt.

Wie auch immer die Karten jetzt neu gemischt werden, klar ist, dass der Brexit verschoben wird. Das Drama geht weiter. Die Unsicherheit bleibt für die Briten und die EU. Und wahrscheinlich steht im Vereinigten Königreich eine Schicksalswahl bevor, die diesen Namen wirklich verdient.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union