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Politik

Bin ich ein Populist?

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Felix Steiner
25. Juli 2017

Ein Gespenst geht um in der Welt - der Populismus. Was das ist und wie gefährlich es ist, da gehen die Meinungen auseinander. Auch nach einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung ist Felix Steiner weiter unsicher.

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Berlin - Wahl des Bundespräsidenten, Vorbereitungen
Nach der Bundestagswahl muss der Plenarsaal im Reichstag wieder umgebaut werdenBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die jüngste Studie der Bertelsmann-Stiftung lässt mich ziemlich ratlos zurück. Bin ich ein Populist? frage ich mich die ganze Zeit. Und falls ja - wäre das eigentlich schlimm? Sind doch fast 30 Prozent der Deutschen eindeutige Populisten und weitere 34 Prozent "teilweise Populisten". Sonst ist ja auch ständig die Rede von der "Zwei-Drittel-Gesellschaft", die das dritte Drittel - gemeint sind die sozial Schwächeren - angeblich von allem ausschließt. Dann sind dieses Mal eben die Nicht-Populisten ausgeschlossen. Selber Schuld. Die könnten ja einfach so denken wie ich!

Populismus, vor allem Rechtspopulismus, ist ein Schimpfwort. Linkspopulismus weniger. In der Schule habe ich gelernt, Populismus sei, dem Volk nach dem Mund zu reden, ohne eine Idee davon zu haben, wie das Ganze in der Realität umzusetzen sei. Nach dieser Definition sind die größten Populisten die SPD und die Linkspartei mit ihren ständigen Rufen nach "mehr Gerechtigkeit" (Wer definiert eigentlich, was das ist?), die in erster Linie viel Geld kostet, von dem aber niemand weiß, wo es eigentlich herkommen soll. Das jüngste Beispiel ist das "Chancenkonto" für lebenslange Weiterbildung von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, auf dem für jeden Arbeitnehmer 20.000 Euro liegen sollen, bevor er oder sie auch nur einen Cent Steuern bezahlt hat.

Drei Grundhaltungen und die Antwort auf acht Fragen

Die Bertelsmann-Stiftung hat einen anderen Ansatz gewählt. An der Antwort auf acht Fragen entscheidet sich, wer ein ganzer oder halber Populist ist. Den Populisten kennzeichnen drei Grundhaltungen: Anti-Establishment, Anti-Pluralismus und Pro-Volkssouveränität. Machen wir also den Test.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Nein, ich bin nicht gegen das Establishment, auch nicht in der Politik. Ich bin sogar der Auffassung, dass das Volk das Recht hat, von den Besten des Landes regiert zu werden. Deswegen halte ich es auch nicht für skandalös, dass die Bundeskanzlerin rund 15.000 Euro im Monat verdient - jeder Kreissparkassen-Vorstand erhält schließlich mehr. Unsere Elite sollte uns etwas wert sein. Und das darf sich dann auch im Gehalt ausdrücken. Es hat ja auch jeder und jede die Chance, sich nach oben zu kämpfen.

Pro-Volkssouveränität? Dahinter verbirgt allein der Wunsch nach Volksabstimmungen und Referenden bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Warum soll ich das gut finden? Die Briten haben vor zwölf Monaten erst die bittere Erfahrung gemacht, dass komplexe Fragen nicht unbedingt zum Referendum taugen. Und auch die Deutschen hätten an historischen Wegmarken regelmäßig "falsch" entschieden, wären sie gefragt worden - Stichwort Wiederbewaffnung in den 1950er- und NATO-Doppelbeschluss in den 1980er-Jahren. Es empfiehlt sich darüber hinaus der Blick in die Bundesländer und Kommunen, in denen Volksabstimmungen vorgesehen sind: Zumeist werden die dadurch entschieden, dass der notwendige Prozentsatz von Wählern nicht an die Urnen geht, weil Demokratie im Detail die meisten gar nicht interessiert. Nein - wenn in meinem Parlament die Besten sitzen, dann haben die mein Vertrauen und auch das Mandat, die anstehenden Fragen einfach zu entscheiden.

Mehr Pluralismus bitte!

Bleibt die Frage: Bin ich ein Anti-Pluralist? Ganz gewiss nicht! Nichts hat mich in der abgelaufenen Legislaturperiode mehr empört, als die gepflegte Langeweile im Deutschen Bundestag. Von einem Pluralismus der Meinungen war dort nahezu nichts zu spüren: Die Aufnahme von mehr als einer Million sogenannter "Flüchtlinge", vielfach ohne Identitätsnachweis - das war keine einzige Debatte wert. Über die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet oder die Einführung der Homo-Ehe hat man immerhin jeweils eine knappe Stunde gestritten. Sternstunden des Parlaments waren das angesichts der Bedeutung der Themen nicht gerade. In jeder Talkshow und an jedem Stammtisch war mehr demokratischer Diskurs als im deutschen Parlament in den vergangenen vier Jahren.

Insofern sehne ich mich geradezu danach, dass mit der FDP und AfD ab dem Herbst wahrscheinlich zwei weitere Parteien im Bundestag vertreten sein werden, die nicht dem großkoalitionären-grün-linken Meinungsmainstream frönen. Und das Parlament als hohes Haus der deutschen Demokratie endlich wieder etwas pluralistischer wird.

Blöd nur, dass ausgerechnet und allein die Wählerschaft der AfD von der Bertelsmann-Stiftung das Etikett "populistisch" angehängt bekommt. Und auch die FDP-Anhänger als deutlich populistischer gelten, als beispielsweise die der CDU oder der Grünen. Bin ich also doch ein Populist, wenn ich denen Erfolg wünsche?

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