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"Richtiger Zeitpunkt zu gehen"

Dirke Köpp25. September 2015

Zwei Jahre war Martin Kobler als Sondergesandter der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo. Dort leitete er die UN-Friedenstruppe MONUSCO. Im DW-Interview zieht er kurz vor seiner Abreise Bilanz.

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Martin Kobler, Leiter der UN Mission MONUSCO (Mission der Vereinten Nationen für die Stabilisierung der Demokratischen Republik Kongo) (Foto: Foto: Michael Kappeler/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

DW: Wie geht es Ihnen an Ihrem letzten Tag im Kongo?

Martin Kobler: Ich gehe mit einem Gefühl der Befriedigung, aber auch mit einer gewissen Traurigkeit. Ich habe hier immerhin zwei Jahre meines Lebens verbracht und es war eine faszinierende Mission.

Sie waren bei den Kongolesen sehr beliebt. Wie war die Kooperation mit der kongolesischen Regierung?

Wir haben mit der kongolesischen Armee, mit dem Premierminister und mit vielen Ministern hervorragend zusammengearbeitet. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Meinungsverschiedenheiten mit Teilen der Regierung. Das betrifft die Verminderung der Truppenstärke bei MONUSCO: Wir haben die Truppe in diesem Jahr von 20.000 Mann um 2000 reduziert, also um zehn Prozent. Das war dem Präsidenten nicht genug, er wollte sie sehr viel stärker reduzieren. Wir haben dann gemeinsam mit der kongolesischen Regierung 28 Territorien untersucht. In 21 davon hatte sich die Sicherheitssituation nicht gebessert oder sich sogar verschlechtert. Insofern ist es immer noch notwendig, dass wir hier sind. Es gibt keinen Anlass, die MONUSCO drastisch herunterzufahren.

Eine andere Schwierigkeit während Ihrer Mission war, dass vor ziemlich genau einem Jahr Ihr Menschenrechtsbeauftragter im Kongo, Scott Campbell, zur Persona non grata erklärt wurde.

Ja, ich habe persönlich die Linie gefahren, dass wir die Menschenrechte sehr hochhalten. Es hat keinen Wert, hier Kompromisse einzugehen, denn der Respekt von Menschenrechten trägt mittelfristig zur Stabilisierung des Landes bei. Dass man sich damit bei der Regierung nicht immer Freunde macht und der Leiter des Menschenrechtsbüros des Landes verwiesen wurde, ist eine traurige Konsequenz.

Im Kongo stehen die Präsidentschaftswahlen für 2016 auf der Kippe: Präsident Kabila wird vorgeworfen, er wolle sich entgegen der Verfassung weiter im Amt halten. Ist das nicht der falsche Moment für Sie, das Land zu verlassen?

Kongos Präsident Kabila Joseph Kabila Kabange (Foto: EPA/JASON SZENES)
Kongos Präsident Kabila will bei den Wahlen noch einmal antretenBild: picture-alliance/dpa

Nein. Ich finde, jetzt ist gerade der richtige Zeitpunkt zu gehen. Die Präsidentschaftswahlen sind ja erst im November 2016. Das sind noch 14 Monate. Und je früher ich gehe, desto mehr Zeit und Möglichkeiten hat mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin, sich hier einzuarbeiten.

Was haben Sie Präsident Kabila zum Abschied gesagt? Haben Sie ihn noch einmal aufgefordert, bei den Wahlen nicht anzutreten?

Unsere Position ist völlig klar: Die Verfassung muss respektiert werden. Und die sieht vor, dass es zwei Amtszeiten für den Präsidenten gibt, die jeweils fünf Jahre dauern.

Der Kongo ist ein riesiges Land. Sie waren viel im Osten, wo es bis heute bewaffnete Konflikte gibt. Aus Beni erreichen uns täglich Meldungen von Überfällen auf die Bevölkerung. Was läuft da noch schief?

Ja, es gibt im Osten noch bewaffnete politische Gruppen, wie zum Beispiel die anti-ugandische ADF (die "Alliierten Democratischen Kräfte", Anm. d. Red.) und die anti-ruandische FDLR (die "Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas", Anm. d. Red.), die Menschenrechtsverletzungen begehen, Menschen terrorisieren und illegale Steuern erheben. Der Rest sind eher Banditen, also Kriminelle ohne politische Agenda oder sogenannte Selbstverteidigungsgruppen, die die Bevölkerung aufstellt, weil der Staat nicht eingreift. Das ist das Grundproblem. Die gute Regierungsführung, die Präsenz der kongolesischen Armee und der Polizei müssen weiter gestärkt werden.

Kämpfer der FDLR im Ostkongo (Foto: Schlindwein)
Kämpfer der FDLR im OstkongoBild: DW/S. Schlindwein

Am 7. Oktober werden Sie dem UN-Sicherheitsrat von Ihrer Mission berichten. Was wollen Sie dabei ansprechen?

Als erstes die Befriedigung und den Stolz auf das, was wir hier in zwei Jahren erreicht haben. Die Stadt Goma zum Beispiel heute im Vergleich zu vor zwei Jahren - das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht: eine Millionenstadt mit asphaltierten Straßen und einer richtig blühenden Wirtschaft. Aber auch die Frustration darüber, was wir nicht erreicht haben, über den sehr langsamen Prozess der Widerherstellung staatlicher Autorität. Ja, die Militärs sind meistens schnell, wenn es darum geht, eine bewaffnete Gruppe aus einem Dorf zu vertreiben. Aber was ist dann der nächste Schritt? Dann muss die staatliche Autorität - die kongolesische Armee, die Polizei, das Justizwesen und eine nicht korrupte Zivilverwaltung - übernehmen. Und das geht alles viel zu langsam.

Was wünschen Sie dem Kongo zum Abschied?

Zwei Dinge: Dass das Land mit einem glaubwürdigen Wahlprozess durch die Jahre 2015 und 2016 kommt, in dem die Opposition respektiert wird, in dem politische Räume für Opposition und Zivilgesellschaft geschaffen werden, und in dem Menschenrechte auch in schwierigen Situationen respektiert werden.

Das zweite hat mit unserem Mandat eigentlich nicht so richtig zu tun. Der Kongo ist ähnlich wie Brasilien reich gesegnet mit Regenwäldern. Der Abholzung und ständigen Verschlechterung der Wälder durch mangelnde staatliche Kontrolle und durch Wilderer muss Einhalt geboten werden. Das ist nicht nur im Interesse der zukünftigen Generation der Kongolesen, sondern der ganzen Welt. Ich bin in meiner Tätigkeit viel zwischen Kinshasa und dem Osten des Landes gependelt und hunderte von Stunden in Flugzeugen und Helikoptern über die Lande geflogen. Das ist wirklich deprimierend: Man kann regelrecht zusehen, wie die Waldbestände schrumpfen. Das muss ein Ende haben.

Der deutsche Diplomat Martin Kobler war und ist von August 2013 bis Ende Oktober 2015 UN-Sonderbeauftragter für die Demokratische Republik Kongo und Chef der UN-Friedenstruppe im Kongo (MONUSCO).

Das Interview führte Dirke Köpp