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Politik

Der Druck auf Deutschland wächst

Daniel Pelz phi
25. Januar 2018

Vor einem US-Gericht fordern Vertreter der Herero und Nama Entschädigungen wegen des Völkermords deutscher Truppen in der Kolonialzeit. Doch von der Klage will die Bundesregierung nichts wissen. Daniel Pelz aus Berlin.

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Völkermord in Namibia
Bild: Picture-Alliance/dpa/J. Schmitt-Tegge

Die deutsche Regierung zu verklagen ist kein einfaches Unterfangen. Das haben auch die Vertreter der Herero- und Nama-Volksgruppen aus Namibia erfahren, die vor etwas mehr als einem Jahr in den USA Klage gegen die Bundesregierung eingereicht haben. Sie verlangen Entschädigungen für den Völkermord während der Kolonialherrschaft im damaligen Deutsch-Südwestafrika. Außerdem wollen sie an den Verhandlungen zwischen den Regierungen Deutschlands und Namibias über die offizielle Anerkennung der Gräueltaten als Völkermord angemessen beteiligt werden.

1904 schlugen die deutschen Kolonialtruppen einen Aufstand nieder. Generalleutnant Lothar von Trotha wollte die Herero daraufhin "vernichten". Bis zu 60.000 Herero sowie etwa 10.000 Nama starben. Die Geschichte des Streits um diese Verbrechen ist lang. Nachdem Deutschland sich über Jahrzehnte geweigert hatte, den Völkermord anzuerkennen, wird seit 2015 zumindest darüber verhandelt.

Die Klage der Volksgruppen-Vertreter jedoch versucht Berlin, weiter zu ignorieren. Die deutsche Regierung entsandte niemanden zu den Vor-Anhörungen im vergangenen Jahr in New York. Auch die Annahme der Klageschrift verweigert sie bislang. Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen, offiziell zuständig für die Übermittlung ausländischer Klageschriften an die Bundesregierung, hat dies abgelehnt.

Im November vergangenen Jahres hat daraufhin die US-Botschaft in Berlin die Klageschrift dem Auswärtigen Amt zugestellt - doch die Berliner Spitzendiplomaten schickten sie sechs Tage später zurück. Der Vorgang verletze die staatliche Immunität der Bundesrepublik, hieß es in einer diplomatischen Mitteilung dazu, die die DW einsehen konnte.

Im Anschluss versuchte Berlin, über einen Anwalt in den USA die Klage vor Gericht abweisen zu lassen. Dies lehnte Richterin Laura Swain jedoch aus formalen Gründen ab. Jetzt hat Deutschland bis zum 9. Februar Zeit, dies erneut zu beantragen.

Druck von der Opposition

Für den Anwalt der Kläger, Kenneth McCallion, kommt dies schon einem Sieg nah. "Die deutsche Regierung hat nun anerkannt, dass sie auf die Klage reagieren muss", sagt McCallion im Gespräch mit der DW: "Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sie einen Rechtsvertreter entsenden wird." Der könnte bei der Anhörung vor Gericht in New York am heutigen Donnerstag anwesend sein. Aus Diplomatenkreisen in Berlin erfuhr die DW jedoch, dass man immer noch überzeugt sei, dass ein Prozess die staatliche Immunität Deutschlands verletzte. Darüber habe man auch das Gericht in New York informiert.

Doch selbst, wenn die Bundesregierung bei ihrer Haltung bleibt und die Herero nicht das Urteil erhalten, dass sie sich erhoffen: Ihre Klage hat bereits Wirkung gezeigt.

Denn Berlin sieht sich nun nicht nur weitreichender Kritik daran ausgesetzt, dass es noch immer keine offizielle Entschuldigung für den Völkermord gegeben hat. Auch der Umgang mit der Klage der Herero und Nama sowie die bilateralen Verhandlungen mit der namibischen Regierung werden kritisiert. "Die Bundesregierung macht sich keinen Gefallen mit ihrer Hinhaltetaktik", sagt der deutsch-namibische Afrikanist Hennig Melber im DW-Gespräch: "Es wird mit Unmut verfolgt, dass nach zwei Jahren bilateraler Verhandlungen gerade mal ein zögerlicher Austausch von Grundsatzerklärungen erfolgt ist, über die in der Öffentlichkeit nicht berichtet werden soll oder darf."

Deutsch-Südwestafrika Zeichnung Hererokrieg Hereroaufstand
Zeitgenössische Zeichnung auf einem Sammelbildchen von 1904/05Bild: picture-alliance/akg-images

Auch in Deutschland selbst wächst die Kritik. Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, sagt: "Deutschland macht immer wieder deutlich, wie stolz wir auf die Aufarbeitung unserer Geschichte sind." In Bezug auf den Umgang mit der Klageschrift schlussfolgert Hofreiter im Gespräch mit dem ZDF: "Dieses Verhalten macht uns unglaubwürdig."

Ein Fonds für Betroffene

Verhandlungsführer auf deutscher Seite ist Ruprecht Polenz von der CDU. Er weist die Kritik zurück. Man habe bereits in einigen Punkten Einigkeit erzielt, sagt er der DW. Mit einem "Fonds für besonders betroffene Gemeinschaften" wolle man Projekte fördern: "Dabei gibt es in vier Bereichen - besonders in den Gebieten der Herero und Nama - etwas zu tun: auf dem Gebiet der Berufsbildung, der Elektrifizierung, der Schaffung von preiswerten Wohnraum und der Landreform."

Damit ändere Deutschland jedoch nicht seine grundsätzliche Haltung. "Die [namibische, Anm. d. Red.] Regierung hat betont, dass Namibia ein Land, eine Nation sei", sagt Polenz: "Wir haben immer gesagt, wir akzeptieren das, wir wollen aber schon, dass das Hauptaugenmerk dieser zusätzlichen Hilfen auf die damals getroffenen Gemeinschaften gerichtet wird. Die Gespräche haben sich immer mehr in diese Richtung entwickelt, dass auch die namibische Regierung das so akzeptiert."

Herero und Nama klagen

Der vorgeschlagene Fonds könnte ein Zeichen dafür sein, dass Berlin und Windhuk Druck verspüren, nun einen Kompromiss zu finden. Deutschland hat es lange Zeit abgelehnt, den Herero und Nama Entschädigungen zu zahlen und stets auf "großzügige" Entwicklungshilfe verwiesen, die Namibia seit seiner Unabhängigkeit 1990 erhalten habe. Viele Herero-Vertreter fordern jedoch Hilfe für die Gemeinschaften, die besonders vom Völkermord betroffen waren.

Ein Kompromiss?

Ein Fonds könnte für Deutschland eine gesichtswahrende Lösung sein. Denn er könnte auf der einen Seite dafür sorgen, dass die Herero und Nama die Bundesregierung nicht länger unter Druck setzen und vielleicht sogar ihre Klage fallen lassen. Gleichzeitig würde Deutschland damit offiziell bei seiner Haltung bleiben, keine Reparationen für begangenes Unrecht zu leisten. Dies ist der Bundesregierung besonders wichtig, da sie ähnliche Klagen aus anderen ehemaligen Kolonien vermeiden will.

Noch ist jedoch nicht sicher, ob die Vertreter der Herero und Nama sich auf diesen Deal einlassen. Es ist auch noch nicht klar, wie lange die Verhandlungen noch dauern werden. Eine offizielle Entschuldigung Deutschland dürfte jedenfalls weiter auf sich warten lassen, selbst wenn es sehr bald zu einem Kompromiss kommt. Schließlich hat Deutschland im Moment nur eine geschäftsführende Regierung.