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Kiefernharz macht Eukalyptus Konkurrenz

Jochen Faget Lissabon
16. Oktober 2016

In Portugal ist die natürliche Harzgewinnung wieder auf dem Vormarsch. Der Rohstoff könnte zur wichtigen Einnahmequelle in der Waldwirtschaft werden. Die Produzenten kommen kaum nach. Aus Lissabon Jochen Faget.

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Portugal Verarbeitung von Harz in Vieirinhos
Bild: DW/J. Faget

Es zischt und dampft, Blechtonnen scheppern, Lastwagen fahren vor - ein intensiver, stechender Harzgeruch liegt in der Luft. In der Harzfabrik bei dem Dorf Vieirinhos an der mittelportugiesischen Küste herrscht Hochbetrieb. "Zu dieser Jahreszeit ist das Harz am besten", freut sich der Betriebsleiter Alcino Pereira, ein Schrank von einem Mann, der es sich nicht nehmen lässt, jede angelieferte Tonne persönlich zu kontrollieren.

Danach wird das Kiefernharz gereinigt und weiterverarbeitet: Zu Terpentin und Kolophonium, zwei höchst begehrten Werkstoffen, die zur Farbenherstellung verwendet werden, aber auch für Kosmetika, Medikamente, Autoreifen und Kaugummi. Kaum ein Rohstoff sei so vielseitig wie Kiefernharz, lacht Alcino Pereira. Und obendrein ein todsicheres Geschäft: Er beliefert große Unternehmen in Deutschland und Frankreich, könnte locker noch viel mehr verkaufen. Wenn er nur mehr Kiefernharz bekäme!

Portugal Verarbeitung von Harz in Vieirinhos - Betriebsleiter Alcino Pereira
Betriebsleiter Alcino Pereira prüft noch jede Tonne selbst. Hier schaut er nach der Qualität des Kolophoniums.Bild: DW/J. Faget

Billig-Konkurrenz aus Fernost

"Noch vor 50 Jahren war Portugal einer der größten Harzproduzenten der Welt," erklärt Hilário Costa, der Präsident des Produzentenverbandes Resipinus. In den fast endlosen Kiefernwälder Portugals hingen überall kleine Tontöpfe an den Bäumen, in die das weiße Pech aus eigens geschlagenen Kerben tropfte, alle zwei Wochen wurden sie von den Harzsammlern geleert und ausgewechselt.

Dann begann der Niedergang: Einerseits überschwemmte China den Weltmarkt mit Billigharz, andererseits wollte in Portugal kaum noch jemand die harte Arbeit erledigen. Aus Kiefernwäldern wurden Eukalyptusplantagen - in denen wächst schnell der dringend benötigte Rohstoff für die ständig expandierende Papierindustrie des Landes. Leichtes Geld für die Forstwirte: Während Kiefern erst nach 40 Jahren geschlagen werden können, bringt Eukalyptus schon nach sieben Jahren Gewinn.

Lieber Harz als Eukalyptus

Doch die Eukalyptus-Expansion hatte eine gefährliche Kehrseite. Sie zeigte sich - wieder einmal - in diesem Sommer: In Portugal tobten katastrophale Waldbrände, die sich in den großen Eukalyptus-Monokulturen schnell ausbreiteten und tage-, ja wochenlang nicht gelöscht werden konnten. Außerdem laugt Eukalyptus die Böden aus, beschleunigt die Erosion.

Darum fordert Hilário Costa ein Umdenken bei der Forstpolitik: Nachhaltigkeit statt schnellem Gewinn; statt Eukalyptus- wieder mehr traditionelle Kiefernwälder und - als wichtiges Nebenprodukt - auch Harzgewinnung: "Wenn aus Kiefern Harz gewonnen wird, verringert das die Waldbrandgefahr. Denn es bedeutet, dass die Wälder gepflegt werden und wieder mehr Menschen in ihnen unterwegs sind." Außerdem seien die Nachfrage nach Harz ebenso wie die Preise weltweit so gestiegen, dass auch mit Kiefern wieder gutes Geld zu verdienen sei.

Portugal Verarbeitung von Harz in Vieirinhos - Harzsammler Jorge Ferreira
Gut zu tun in den Kiefernwäldern in der Nähe von Vieirinhos - Harzsammler Jorge Ferreira bei der Arbeit.Bild: DW/J. Faget

Das bestätigt Jorge Ferreira. Er zapft Harz, das Recht dazu hat er von den Waldbesitzern gepachtet. Zwar fließt das Harz nicht mehr in die alten Ton-, sondern in moderne Plastiktöpfe. Aber er könne inzwischen wieder davon leben, habe sogar Arbeitsplätze geschaffen: "Wir arbeiten mit rund 40.000 Bäumen, neben meiner Frau helfen mir noch sechs Mitarbeiter dabei."

Die zu finden sei jedoch gar nicht so leicht: Junge Leute wollten nicht mehr in den Wäldern arbeiten, schimpft der Kleinunternehmer. Sein Hauptproblem allerdings sei, dass viele Waldbesitzer noch immer lieber Eukalyptus statt Kiefern pflanzten. Die Fläche zur Harzgewinnung werde immer kleiner, statt größer. Sein Fazit: "Es muss sich noch viel in Portugals Wäldern ändern."

Nachhaltiges Naturprodukt

Dieser Meinung ist auch Hilário Costa vom Produzentenverband: Portugals Politiker seien zu sehr auf Eukalyptus fixiert, die Zelluloseexporte ein erdrückend wichtiger Posten in der Handelsbilanz des Landes. Darum werde der Wirtschaftsfaktor Harz oft unterschätzt. Zu Unrecht, denn Portugal könnte in kurzer Zeit problemlos seine Produktion von rund 8000 Tonnen - das sind nicht einmal zehn Prozent von dem, was die weiterverarbeitende Industrie benötigt – verdreifachen und so wieder zu einem Global Player werden. Obendrein mit einem Rohstoff, der, anders als Eukalyptus, die Umwelt nicht belastet: "Harz ist ein nachhaltiges Naturprodukt. Darauf legen Konsumenten immer mehr Wert. Die Zeit ist reif, es auch wirtschaftlich mit anderen Augen zu sehen."

Immerhin, der Anfang ist gemacht: In vielen Kiefernwäldern hängen wieder Harztöpfe an den Baumstämmen, in der Harzfabrik im mittelportugiesischen Vieirinhos wird wieder mehr Harz angeliefert als in den vergangenen Jahren. Sehr zur Freude des Betriebsleiters Alcino Pereira: "Das Eukalyptus-Fieber geht langsam zu Ende, die Forstwirte besinnen sich wieder auf die gute, alte Kiefer", sagt er. Die produziere eben nicht nur Holz, wenn sie geschlagen wird, sondern liefere schon beim Wachsen Nebenprodukte: Kiefernzapfen, Kiefernkerne und vor allem das immer begehrtere Harz. Er habe genau nachgerechnet, versichert Alcino Pereira: All das zusammen sei für die Forstwirte langfristig gerechnet eindeutig lukrativer als eine Eukalyptusplantage.