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Kein "Weiter so" mehr in Davos

31. Januar 2010

Die Banker hatten in Davos eine klare Mission: Front machen gegen zuviel Regulierung. Gelungen ist das wohl nur sehr begrenzt: Führende Politiker in Europa und den USA sprechen sich für eine stärkere Kontrolle aus.

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Ein halbvolles Glas vor dem Davos-Logo (Foto: ap)
Bild: AP

Davos - der kostspieligste Debattierclub der Welt – viele Worte, keine Ergebnisse. So ist das normalerweise in dem elitären Skiort. Wer aber Banker ist und 2010 nach Davos gereist ist, der hatte eine klare Mission: Front machen gegen zuviel Bankenregulierung. In fast jedem Forum, in dem ein Banker saß, kam das Thema aufs Tapet, der Tenor immer gleich: "Wir glauben nicht, dass es weise ist, mit immer neuen Regulierungsideen, neuen Steuern, neuen Vorschlägen zu kommen", sagte zum Beispiel Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann. Seiner Meinung nach bringe das nämlich nicht mehr Sicherheit, sondern weniger und verhindere die Stabilisierung des Finanzsektors.

Barack Obama spricht vor US-Flaggen (Foto: AP)
Allgegenwärtig und gar nicht daBild: AP

Ackermanns Attacke zielt auf einen, der gar nicht mal anreisen musste, um dieses Wirtschaftsforum zu dominieren: Barack Obama. Mitte Januar hatte der US-Präsident sich als erster Staatschef mit einem radikalen Konzept für die Regulierung der Finanzwelt vorgewagt. Obama will große Banken aufspalten und ihnen die lukrativen Geschäfte auf eigene Rechnung verbieten. Diesmal fürchten die Banker, dass den Ankündigungen Gesetze folgen.

Lobbying in der Hotel-Lobby

So haben sie in Davos versucht, das aus ihrer Sicht Schlimmste zu verhindern – bei zahlreichen Hintergrundgesprächen mit Wirtschafts- und Finanzpolitikern in den Hotellobbys. Um der gefürchteten Zwangsverkleinerung zu entgehen, sind manche Banker sogar zu ungewöhnlichen Zugeständnissen bereit: "Banken und Politiker, wir sind uns jetzt einig, dass wir aktiv werden müssen bei der Einrichtung einen Sicherungsfonds für Banken auf nationalem oder europäischen Level", sagte Ackermann. Man sei sogar bereit, über das "sehr emotionale" Thema Manager-Bezahlung zu sprechen. "Die Struktur der Gehälter haben wir ja schon geändert, aber die maximale Höhe nicht – wir werden daran in der Industrie arbeiten und einen Vorschlag machen."

Ackermann (Foto: ap)
Ackermann will sogar über das "emotionale Thema" Gehälter sprechenBild: AP

Untereinander sind sich die Banker aber keineswegs so einig, wie es Ackermann suggeriert. Auch das ist in Davos deutlich geworden: Einige große amerikanische Investmentbanken wollen mit allen Mitteln gegen jede weitere Begrenzung ihrer Möglichkeiten kämpfen. Manche europäische Geldhäuser haben ihren Widerstand längst aufgegeben.

Internationale Regeln oder jeder für sich?

Diese Uneinigkeit gibt es ja auch unter den Regierungen der Welt: Aber muss es bei der Regulierung der Banken weltweite Regeln geben? Oder reicht es, wenn jeder Staat selbst etwas tut? Auch darüber wurde in Davos immer wieder debattiert. Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hat da einen klaren Standpunkt. Man könnte zwar sagen, ein globales Abkommen wäre besser, "doch meine Sorge ist: dann sagen die Amerikaner, die Europäer müssen anfangen, die Europäer sagen, die Amerikaner sind dran." Die Banker lieben das, sagt Stiglitz. Denn sie wissen, man wird sich nie einigen, es wird dann nie reguliert. "Deswegen müssen wir auf nationalem Niveau starten. Jeder Staat hat die Verantwortung, seine Bürger und seine Wirtschaft zu schützen."

Das große Ganze, erklärt von Sarkozy

Nicolas Sarkozy (Foto: ap)
Sarkozy prangerte den Finanzkapitalismus anBild: AP

Dabei geht es um weit mehr als nur die Banken. Es geht um unsere Art des Wirtschaftens generell. Der Mann für diese ganz großen Worte war in Davos Nicolas Sarkozy. Der französische Präsident forderte nicht weniger, als dass die Moral zurückkehren müsse, in unser Wirtschaftssystem. "Es geht nicht darum, dass wir den Kapitalismus abschaffen, wir müssen uns aber entscheiden, welchen Kapitalismus wir haben wollen." Zurzeit erlebe die Welt eine Entartung des Kapitalismus, sagte Sarkozy. "Kapitalismus beruht auf Werten. Der Finanzkapitalismus ist eine Abart, der die Werte des Kapitalismus mit Füßen tritt."

Das haben die Topbanker im Publikum nicht so gerne gehört. Trotz aller Kritik, einen positiven Effekt hat die Finanzkrise und das andauernde Banker-Bashing schon, sagt Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz: "Meine Studenten sind überproportional häufig in die Finanzwirtschaft gegangen – für die anderen Bereiche interessierte sich keiner. Das schöne an der Finanzkrise ist: Wenigstens dieses Problem sind wir los."

Dann stehen so mancher Bank demnächst also auch noch Personalprobleme ins Haus. Egal ob Wirtschaftsstudenten oder Politiker: Im Jahr zwei nach dem großen Crash wollen die Bürger "business as usual" nicht mehr akzeptieren – diese Nachricht ist auch bei den Bankern in Davos angekommen.

Autor: Manfred Götzke

Redaktion: Oliver Samson/Michael Wehling