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Für 'gesunde Banken'

29. Januar 2010

Gescheiterte Banken müssen vom Markt verschwinden, fordert Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann in Davos im DW-Interview. Das Finanzsystem müsse zwar stabil, aber auch möglichst effizient sein.

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Josef Ackermann (Foto: AP)
Wieder in Davos: Josef AckermannBild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Ackermann, Sie waren einer der wenigen Banker, die auch im vergangenen Krisenjahr hier in Davos Flagge gezeigt haben. Was hat sich von 2009 zu 2010 verändert?

Josef Ackermann: Natürlich unglaublich viel. Vor einem Jahr waren wir nahe an der Kernschmelze. Wir haben uns alle gefragt, ob die Weltwirtschaft kollabiert. Heute sagen wir, es sind immer noch nicht alle Risiken überwunden, aber wir haben das schlimmste überstanden. Es ist eine ganz andere Atmosphäre hier in Davos in diesem Jahr.

Ein Jahr später trauen sich wieder mehr Ihrer Kollegen hierher. Die Finanzindustrie ist wieder sehr gut vertreten auf dem Weltwirtschaftsforum. Doch die Kritik bleibt, die Banken sind maßgeblich verantwortlich für die Krise. Staats- und Regierungschefs wie US-Präsident Obama oder der französische Präsident Sarkozy wollen nun das Regelwerk für Banken verschärfen und den Finanzsektor reformieren. Was halten Sie von diesen Plänen?

Zunächst einmal müssen wir festhalten: Wenn man sich die Ursachen für die Finanz- und Wirtschaftskrise anschaut, dann stellt man fest, dass die Banken ein wichtiger Teil davon sind, aber bei weitem nicht die ganze Krise erklären. Wir sollten jetzt aufhören, immer noch Geschichtsforschung zu betreiben, wer der Schuldige ist, und gemeinsam nach vorne schauen und Lösungen für die Zukunft entwickeln. Wir tun gut daran, uns gemeinsam an einen Tisch zu setzen und aufzuhören mit der Kritik an den Banken. Wir haben das gehört. Wir wissen, dass wir vieles verbessern mussten. Wir haben auch schon unglaublich viel verbessert. Das nimmt man zum Teil nicht zur Kenntnis. Die Banken sind heute anders als sie vor zwei Jahren waren.

Ich bin sehr für Regularien. Ich bin auch dafür, dass wir über Reformen nachdenken. Wir brauchen mehr Kapital und wir brauchen neue Marktinfrastrukturen. Aber man muss sich in dieser Diskussion auch fragen, was der Preis dafür ist. Wollen wir absolute und maximale Stabilität einer Bank oder wollen wir ein möglichst effizientes Finanzsystem, dass für die reale Wirtschaft und am Ende für die Menschen eine optimale Dienstleistung erbringen kann. Und dann darf man auch die Frage stellen, ob gewisse Maßnahmen, die angesprochen werden, nicht zu weit gehen.

Die öffentlichen Diskussionen drehen sich vor allem um die Frage "too big to fail". Denn die Regierungen mussten ja einschreiten, weil global agierende Banken zu groß geworden sind, um sie wirklich pleite gehen lassen zu können. Was ist so falsch an der Idee Obamas, Institute prinzipiell zu verkleinern?

Wir haben ein globales Handels- und Produktionssystem. Und wir brauchen auch globale Banken, die das begleiten können. Wenn wir zurückgehen in eine fragmentierte Bankenlandschaft mit kleinen Banken, dann schaffen wir Ineffizienzen, die nicht gut sind für die reale Wirtschaft. Aber es darf auch nicht sein, dass eine Bank Regierungen erpressen kann durch die Größe. Wichtig ist, dass Banken, die Fehler machen, die scheitern, aus dem Markt ausscheiden können. Wir müssen viel mehr darüber nachdenken, wie man Banken abwickeln kann, ohne das Gesamtsystem zu gefährden. Momentan retten wir schwache Banken, die gescheitert sind, und halten sie am Leben. Dadurch wird das Wettbewerbs-Umfeld nicht so verändert, wie das sein sollte. Wir brauchen auch eine Gesundung des Systems, in dem schwache Mitglieder ausscheiden können.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie oder andere Vertreter der Finanzindustrie in Ihren Gesprächen hier in Davos mit ihren Argumenten überzeugen konnten?

Natürlich gibt es bei den Politikern auch andere Meinungen, weil die zum Teil das Gefühl haben: Die Banker haben nichts dazugelernt, die haben nichts verändert. Ich kann nur sagen: In den Vergütungssystemen haben wir große strukturelle Veränderungen vorgenommen. Bei den Kapitalquoten haben wir bei den europäischen Banken zwei Prozentpunkte mehr Kapital. Die Deutsche Bank hat die Quote von 9 auf 12 Prozent gesteigert. Wir haben die Liquiditätsvorsorge massiv erhöht und wir haben viele Maßnahmen ergriffen, die alle in die richtige Richtung weisen. Man muss eigentlich sehen, dass die Finanzindustrie sehr schnell und sehr effizient reagiert hat auf das, was wir als Defizit in der Krise gesehen haben.

Nichts dran also an der Kritik von Frankreichs Präsident Sarkozy, dass die Banken ihre ursprüngliche Rolle in der Volkswirtschaft vergessen haben?

Man kann nicht sagen, dass die Banken alles falsch machen, und auf der anderen Seite hat man alle Ansprüche an die Banken. Die Banken haben im Kreditangebot eine sehr gute Leistung gebracht. Aber sie haben auch über die Verbriefungsmärkte und die Kapitalmärkte dazu beigetragen, dass die Schwellenländer sich gut entwickeln, viele Arbeitsplätze und Wachstum schaffen konnten. Auch in den Industrieländern. Ich glaube, dass die Banken in all den Jahren vor der Krise einen ganz massiven Beitrag, in vielen Ländern 15 bis 16 Prozent zur Wertschöpfung, geleistet haben. Auch in Deutschland waren wir einer der profitabelsten und größten Bereiche der Wertschöpfung. Mit vielen Arbeitsplätzen, die geschaffen wurden. Das darf man nicht aus den Augen verlieren.

Wenn man den Finanzsektor nicht mehr als ganz wesentlichen Beitrag zur realen Wirtschaft sieht, dann würde man einen kolossalen Fehler machen. In fünf Jahren würden wir darüber sprechen, dass wir viel zu weit gegangen sind. Aber noch einmal, ich bin sehr für Reformen. Ich bin auch sehr dafür, dass wir das Finanzsystem stabiler machen.

Einige Banken haben die Krise gut gemeistert. Man muss aber auch sagen, dass einige zum Teil auch kleine Banken weltweit durch schlechtes Management zu große Risiken eingegangen und zu großen Verlusten gekommen sind. Die haben negativ in der Krise dazu beigetragen, dass staatliche Rettungsaktionen durchgeführt werden mussten. Weil sie wegen ihrer internationalen Vernetzung nicht abgewickelt werden konnten, sondern systemgefährdend waren. Das muss man korrigieren.

Stichwort Systemgefährdung. Manche sagen, auch Staaten seien zu weit gegangen, hätten sich zu sehr verschuldet. Staatspleiten sind ein großes Thema hier in Davos. Eine ernstzunehmende Gefahr ihrer Ansicht nach?

Sicher ist das eine ernstzunehmende Gefahr. Wir haben das Problem der Fiskaldefizite in vielen Staaten. Und man muss sich natürlich fragen, wie diese Exitstrategie jemals realisiert werden kann. Das ist ein Thema für einige wenige Länder, das ist erkannt. Die unternehmen jetzt vieles, um Budgetdisziplin in die nächsten Jahre hineinzubringen. Und ich bin relativ zuversichtlich, dass wir das überwinden können. Die Banken helfen ja auch hier. Wir haben ja gerade große Emissionen auch für Griechenland durchgeführt. Sehr erfolgreich. Das sind auch wichtige Schritte. Ohne Banken wäre das auch nicht möglich gewesen.

Ihr Ausblick für 2010?

Wir sind als gebrannte Kinder natürlich sehr vorsichtig, weil wir sehen, wie sich Entwicklungen rasch beschleunigen können. Insofern sieht man schon gewisse Entwicklungen in der Welt mit Sorge. Aber im Grunde genommen haben wir unsere Hausaufgaben gemacht und sind gut gerüstet. Gerade auch die deutschen Unternehmen sind daher sehr zuversichtlich für 2010.

Das Interview führte Ellen Frauenknecht, bearbeitet von Marco Vollmar.

Redaktion: Dirk Eckert

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